Bad Reichenhall, 13. September 2021
Von Verantwortung und Widerstand
Freifrau von Aretin – Nachfahrin von Generalmajor Tresckow – besucht die Hochstaufenkaserne
Bad Reichenhall. In Begleitung des Befehlshabers des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, Generalleutnant Erich Pfeffer, besuchte die Tochter eines der zentralen Mitglieder des militärischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus, Frau Dr. Uta Freifrau von Aretin, die Gebirgsjägerbrigade 23.
Koste es, was es wolle
Henning Hermann Robert Karl von Tresckow, Generalmajor der Wehrmacht, gilt neben Oberst Graf von Stauffenberg als zentrale Figur des militärischen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus. Als „Erster Generalstabsoffizier“ der Heeresgruppe Mitte, welche 1941 den Überfall auf die Sowjetunion durchführte, verurteilte er die rücksichtslose Kriegsführung gegen die einstigen Verbündeten, kritisierte unfähige Befehlshaber und war schockiert über die Kriegsverbrechen, welche während der „Partisanenbekämpfung“ begangen wurden. Natürlich war es ihm nicht möglich, diese Kritik öffentlich zu äußern. Seit Juli 1943 plante er zusammen mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg in Berlin einen Staatsstreich – das bekannte Unternehmen „Walküre“. Hierfür stellte er unter anderem Verbindung zu den Widerstandskämpfern um Stauffenberg her.
Unmittelbar vor dem Anschlag auf Adolf Hitler im Führerhauptquartier Wolfschanze am 20. Juli 1944 bestärkte Tresckow den Entschluss von Stauffenberg: „Das Attentat muss erfolgen, coûte que coûte. Sollte es nicht gelingen, so muss trotzdem in Berlin gehandelt werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte unter Einsatz des Lebens den entscheidenden Wurf gewagt hat. Alles andere ist daneben gleichgültig“, schrieb Tresckow in den Briefen an Stauffenberg.
Als Henning von Tresckow die Nachricht vom gescheiterten Staatsstreich erhielt, befürchtete er grausame Verhöre durch die Gestapo. Er wählte einen Tag nach dem Attentat den Freitod.

Die Gebirgsjäger stellen sich vor
Am Montagmorgen empfing der Kommandeur der Gebirgsjägerbrigade 23, Brigadegeneral Maik Keller, seine Gäste Dr. Uta Freifrau von Aretin und Generalleutnant Erich Pfeffer, Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr. Um einen kurzen Einblick in die Tätigkeiten der Gebirgsjäger zu bekommen, erhielten die Gäste eine dynamische Vorführung an der Kletterwand in der Hochstaufenkaserne. Neben dem gebirgseigentümlichem Material wurde dabei auch das gepanzerte Transportkraftfahrzeug (GTK) Boxer vorgestellt. Der Boxer bietet bedrohungsgerechten passiven Schutz, hohe Mobilität und Transportraum. Er bildet letztlich den Schulterschluss zu den mechanisierten Kräften des Heeres. Dennoch bleibt das „Hauptwaffensystem“ der Gebirgsjäger der Soldat zu Fuß. Nur er kann auch schwer gangbares Gelände überwinden und dieses für den Kampf nutzen.
Ebenso nutzte auch das Einsatz- und Ausbildungszentrum für Tragtierwesen 230 die Chance und stellte die Fähigkeiten seiner Trag- und Reittiere vor. Ihr Kernauftrag ist die Unterstützung der Gebirgsjäger. Die Tragtierführer und ihre Tragtiere stellen die Versorgung und den Transport mit allen erdenklichen Gütern auch über die entlegensten Gebirgspassagen sicher. Im Gegensatz zu Motorrädern oder Quads bieten sie dem Feind wesentlich weniger Möglichkeiten zur Geräuschaufklärung.
„Die Besonderheit bei den Gebirgsjägern, ist die hohe körperliche und psychische Fitness. Sie hat höchste Priorität, da wir sonst unseren Auftrag nicht nachkommen können. Letztlich besteht das Phänomen der Gebirgsjägerbrigade 23 darin, dass sie aufgrund ihrer Spezialisierung die am Breitesten aufgestellte Brigade ist“, stellte Brigadegeneral Keller am Ende der Vorstellung klar heraus. Der Gebirgsjäger ist keineswegs „nur“ für das Gebirge spezialisiert. Er kann auch, wie andere infanteristische Kräfte, in der Ebene eingesetzt werden, dies ist aber nicht umkehrbar. Das Gebirge ist sein Ausbildungsort, da dort „extreme“ klimatische und geographische Bedingungen herrschen, um ihren Auftrag – den Kampf im schwierigen bis extremen Gelände, einschließlich großer Höhen und unter extremen Klima- und Wetterbedingungen – allumfassend zu üben.
Der Freiheit verpflichtet
Nach den spannenden Einblicken in das Fähigkeitsprofil der Gebirgsjägerbrigade 23 nahm sich die Tochter des Widerstandskämpfers Generalmajor v. Tresckow, Frau Dr. Freifrau v. Aretin, die Zeit für ein Mittagessen mit den jungen Offizieren des Gebirgsjägerbataillon 231 im Offiziersheim der Hochstaufenkaserne. Der Generationenaustausch diente in erster Line dem Festigen des Leitbildes der Inneren Führung – der „Staatsbürger in Uniform“. Als Staatsbürger in Uniform sind Soldaten aufgefordert, sich politisch und moralisch zu bilden. Die Schulung der ethischen Grundlagen verleiht den Soldaten, nicht nur im Einsatz, den gebotenen Handlungsrahmen. Höchstes Gut sind dabei Menschenwürde, Recht und Freiheit. Letztlich stellte auch Henning von Tresckow die sittlichen Werte – sein Gewissen – über Gehorsam und Loyalität: „Der sittliche Wert eines Menschen beginnt erst dort, wo er bereit ist, für seine Überzeugung sein Leben hinzugeben“.
Die Folgen seines tapferen Handelns spiegeln sich heute auch in der Konzeption der Bundeswehr wieder, in welcher das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes sowie ein innerer moralischer Kompass den Rahmen für unsere militärische Führungsstruktur bilden. Nicht zuletzt aufgrund seines tapferen Wirkens trägt die Kaserne des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Geltow bei Potsdam, wo grundsätzlich alle Einsätze der deutschen Streitkräfte geplant und geführt werden, seinen Namen.