Finnlands Neupositionierung in der Sicherheitspolitik….
A m 19. Mai führten die Reservistenkameradschaften 04 „Wilmersdorf“ und 13 „Spielmannszug“ für den Verband der Reservisten der deutschen Bundeswehr e.V. als Berliner Beitrag eine sicherheitspolitische Informationsveranstaltung durch. Die beiden Vorsitzenden Dietrich Knüppel und Klaus-Dieter Ohström begrüßten im heute so genannten Casino der Julius-Leber-Kaserne den Verteidigungsattaché Finnlands Kapitän zur See Misa Kangaste zu einer Präsenz-Veranstaltung.
Die beiden Reservistenkameradschaften wollen sich nach der in Deutschland so herausgehobenen „Zeitenwende“ nach dem 24.02.22 konkret mit einer nord-europäischen Perspektive beschäftigen, und zwar immer aus berufenem Munde. Die beiden seit Jahrzehnten -aus unterschiedlichen Gründen- Militärbündnis-freien Länder Finnland und Schweden, beide mit eigener Erfahrung im Umgang mit Russland bis hin zu Kriegen, und Finnland mit einer 1480 km langen Grenze zu Russland, wollen ihre militärische Bündnisfreiheit aufgeben und sich in die NATO (North Atlantic Treaty Organization – Atlantisches Bündnis) integrieren.
Kapitän zur See Kangaste trat 1989 in die Streitkräfte ein und diente zunächst in der Brigade NYLAND und am Meerbusen, wo er den Zerfall der UdSSR und die Not der Bevölkerung unmittelbar erlebte.
Er hatte sich vielfach mit den sowjetischen, und später russischen Streitkräften, aber auch der russischen Seele, zu beschäftigen. In den Schicksalsjahren 2007/8 war er bei der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), und gewann globale Einblicke.
Kapitän Kangaste machte deutlich, dass es sich beim erwünschten NATO-Beitritt aus finnischer Sicht nicht so sehr um eine Zeitenwende oder ein grundlegendes Umdenken handelte, sondern um eine Konkretisierung der seit Jahrzehnten verfolgten Anbindung an Europa und die NATO aus gegebenem -traurigen- Anlass. Finnland prüfe seit langem, wie es seine Sicherheit und seine wirtschaftliche Prosperität sichern könne, und betrachte sich nicht als Importeuer, sondern als Exporteur von Sicherheit im nordischen Raum. In Verfolgung dieses Zieles sei es aktiver Partner im Rahmen Europas und insbesondere der nordischen Staaten, beteilige sich aber auch regelmäßig an Übungen im Rahmen der NATO – und zwar auch als Gastgeber.
Er verwies auf die eigenen Grundfesten der finnischen Verteidigungsfähigkeit. Finnland habe sich weder nach dem Zerfall des UdSSR noch im Rahmen der diversen Finanzkrisen auf eine Diskussion einer Friedensdividende eingelassen, sondern sich um strukturelle Vorkehrungen für die Zukunft gekümmert. Es habe die Wehrpflicht grundsätzlich beibehalten, aber auf schnelle und qualitativ hochwertige Aufwuchsfähigkeit ausgerichtet. Die Wehrpflicht dauert zwischen 6 Monaten und fast einem Jahr, je nachdem, ob der Einzelne zusätzlich zur Grundausbildung eine Unteroffiziers- oder Reserveoffiziersausbildung absolviert. Als Folge könne Finnland in wenigen Wochen von der präsenten Stärke von nur 33.000 Soldaten auf mehrere 100.000 aufwachsen. Die vorhandene Bewaffnung sei zwar zahlenmäßig begrenzt, aber durchweg hochwertig und zukunftsfähig, und -wichtiges Detail- mit anderen westlichen Waffensystemen kompatibel. Diese Kompatibilität von Mensch und Material würde auch in den Übungen mit den Partnern zu Lande, zu Wasser und in der Luft geprüft.
Die Geschehnisse von 2008 und 2014, aber auch der Krieg in der Ost-Ukraine, sähe die Regierung in Helsinki als Bestätigung, dass diese Zukunftsvorsorge notwendig und richtig war. Entsprechend wären beim angestrebten NATO-Beitritt die Herausforderungen an Finnland gering, aber dessen Beitrag zur Zukunftssicherung im Norden Europas erheblich.
Die beiden Kameradschaften streben an, mit weiteren Repräsentanten die Diskussionsserie fortzusetzen.