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Cyberraum: Keine Grenze zwischen Krieg und Frieden




Mit der Neuaufstellung das Cyber- und Informationsraum-Kommando (KdoCIR) im April 2017 konzentriert sich die Bundeswehr auf die neuen „Kriegsschauplätze“ im Internet. Im Cyberraum werde sie dabei auf völlig neue Herausforderungen treffen, viele klassische Regeln und Konventionen hätten keinen Bestand mehr, so Fregattenkapitän d.R. Dr. Lars Otte in seinem spannenden Vortrag am 10. Januar bei der RK 15.
 
Mit dem Aufkommen der digitalen Bedrohung hat sich über die letzten Jahre eine neue Domain, ein fünfter Verteidigungsraum entwickelt: neben den klassischen Bereichen Boden, See und Luft sind der Weltraum und nun der Cyber- und Informationsraum getreten. In ihrem Tagesbefehl vom 26.04.2016 hat nun die Bundesverteidigungsministerin von der Leyen auf diese Herausforderungen reagiert: bis Oktober 2016 wurde zuerst in ihrem Ministerium eine neue Abteilung Cyber- und Informationstechnik (CIT) geschaffen, im April wird nun der neue Organisationsbereich eingesetzt: das Kommando CIR (CIRK).
 
Dr. Lars Otte ist Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof und Angehöriger der Abteilung Terrorismus bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, wo er sich überwiegend mit dem Feld der Ermittlung und Verfolgung terroristischer Straftaten beschäftigt. Mit dieser Expertise ist er wie geschaffen für die Mitarbeit als Reserveoffizier im KdoCIR, dessen eine Hauptkomponente Wirkung und Aufklärung im Cyberraum sein wird. Konkret heißt dies Abwehr und Kampf gegen Cyber-Terrorismus (Cyber-Dschihad), sowie Cyber-Spionage und Desinformation bzw. Destabilisierung mittels Internet. Die Tätigkeitsfelder des Kommandos, für das insgesamt 13.500 Dienstposten vorgesehen sind, umfassen neben Cyber, Informationstechnik, das komplette militärische Nachrichtenwesen, die operative Kommunikation und die Geoinformation.
 
Spricht man von Cyber-Kriminalität, denke man meist an Computerschadsoftware, an Viren, Trojaner, an Pishing, an Computerwürmer,  also im Wesentlichen an technische Ereignisse. In der Auseinandersetzung mit pseudostaatlichen Gruppierungen, wie dem sogenannten „Islamischen Staat“ (IS), stelle jedoch der Cyber-Terrorismus bzw. Cyber-Dschihad eine aktuell noch viel größere Bedrohung dar. Terrorgruppen agierten dabei v.a. in drei Bereichen: Rekrutierung, Terror und Kampf.
 
Cyber-Spezialist Fregattenkapitän Dr. Lars Otte und RK 15-Vorsitzender Oberst a.D. Franz Berger (v.l.n.r.)Wie Werbebroschüren werden die Botschaften im Internet in Hochglanzbildern verpackt. Derartige Veröffentlichungen gebe es zu tausenden. Diese Rekrutierung sei hochprofessionell, effizient und können nicht verhindert werden! Alleine von Juni 2014 bis 2016 hätte sich weltweit 30.000 Kämpfer dem „IS“ angeschlossen, knapp 900 davon aus Deutschland. Seit Mitte 2014 habe der Kurznachrichtendienst „Twitter“ mehr als 120.000 Accounts und „Youtube“ mehr als eine Million Videostunden aus dem Netzt genommen, die radikal islamistische Propaganda verbreiteten. Mehrere hunderte Angestellte seien bei „Facebook“ nur damit befasst, radikale Inhalte zu löschen. Bei einer Anzahl von mehr als 800 Millionen aktiven Nutzern (Ende 2014) ein aussichtsloses Unternehmen, da die Menge schier unüberschaubar ist. Sei das Interesse erst geweckt, könne weiterhin erschreckend einfach, über das Internet Informationen gesammelt werden. Im Internet gebe es Anweisungen, wie man als Dschihadist ins syrische  Kriegsgebiet gelange, aber auch Anleitungen zur Ausübung von Terrorattentaten. Videos von Ermordungen und Attentaten unterstützten in teils gezielten Kampagnen die Verbreitung von Angst und Schrecken.
 
Neu sei jedoch, dass der „IS“ beginne, den Cyberraum an sich als Kriegsschauplatz zu begreifen. Nicht nur über das Internet kommunizieren, rekrutieren, Botschaften, Angst und Schrecken verbreiten, sondern durch Cyberangriffe dem Gegner Schaden zufügen. Wie etwa zuletzt durch ATP (Advanced persitent threats), also hochkomplexe dauerhafte digitale Angriffe auf z.B. kritische Infrastruktur, wie Atomkraftwerke. Etwa 200 Tage blieben ATP unentdeckt und könnten selbst danach oftmals nicht unmittelbar bekämpft werden. Entweder müsse das System abgeschaltet werden oder der Angriff bliebe in Teilen im System bestehen. Besonders beunruhigend seien die Anzeichen dafür, dass der „IS“ versuche, das Internet komplett abzuschalten. Folgerichtig habe das amerikanische „Cyber command“ den Kriegsbefehl erhalten, den „IS“ im Cyberraum zu bekämpfen.
 
Da der Cyberraum jedoch grenzenlos sei, stelle sich militärisch daher die Frage nach der „Attribution“.  Woher kommt der Angriff, wer hat den Angriff gemacht und gegen wehre ich mich? Im Gegensatz zur konventionellen Kriegsführung sei dies ein tiefgreifendes Problem, das durch die Datenmigration, also die globale Verschiebung von Daten verschärft werde. Die klassische Trennung von innerstaatlich und außerstaatlich, von Innen und Außen existiere im Cyberraum nicht mehr. Man wisse nicht, wo man sich befände, wo man sich tatsächlich bewege. Wer ist mein Gegner, gegen wen muss ich aktiv werden? Das ganze System der rechtlichen und staatlichen Zusammenarbeit müsse neu definiert werden, so Oberstaatsanwalt Dr. Otte.
 
Die Unterscheidung von Krieg und Frieden sei für die Bundeswehr besonders relevant. Hat das Militär bereits zu Friedenszeiten Möglichkeiten und Antworten,  wie es auf Angriffe reagieren darf? Gibt es überhaupt einen staatlichen, militärisch tauglichen Gegner? Oder sind das Kriminelle,  sofern man das überhaupt zuordnen kann?  Entsprechend stellten sich erhebliche rechtliche und völkerrechtliche Fragen: wann greift etwa das Recht auf Gegenwehr? „Das Rechtssystem der Staatengemeinschaft passt nicht mehr! Im Cyberraum sei die Trennung von Krieg und Frieden aufgehoben“, so das bedrückende Resümee Fregattenkapitän d.R. Dr. Lars Otte.
 
Das neue KdoCIR stellt sich also hochkomplexen Herausforderungen, die jedoch bereits jetzt und noch mehr in Zukunft unsere Sicherheit bestimmen werden. Für dieses Kommando ist eine große Anzahl von Soldaten mit Fähigkeiten und Expertisen nötig, die die Bundeswehr ad hoc nicht selbst vollständig erbringen kann: eine erhebliche Chance für Reservisten, Quer- oder Wiedereinsteiger. Natürlich könne man das CIRK nicht über Reservisten aufbauen, aber man wolle Expertise holen und die Truppe damit anreichern, um dann über die Zeit die Expertise in der Bundeswehr selbst aufzubauen. „Es geht also um Personalgewinnung, um die Schaffung einer Cyber-Reserve“, so Dr. Otte. Als Motivation werde dafür freilich Patriotismus nötig sein. Die Bereitschaft, sich in schwierigen Zeiten für sein Land zu engagieren!

Ralph Erlmeier


Bild 1: Zeichnet ein bedrohliches Bild: Fregattenkapitän d.R. Dr. Lars Otte
Bild 2:Cyber-Spezialist Fregattenkapitän Dr. Lars Otte und RK 15-Vorsitzender Oberst a.D. Franz Berger (v.l.n.r.)


Nota bene! Reservisten mit Expertise dringend gesucht!
Wer Interesse an einer Beorderung im CIRK hat, meldet sich beim VdrBW bzw. beim nächsten Karriercenter der BW.

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