Der „Ostwall“ – ein Tunnellabyrinth 160 km östlich von Berlin
Der „Ostwall“ – ein Tunnellabyrinth 160 km östlich von Berlin
Nach dem durch das „Deutsche Reich“ 1935 vollzogenen Austritt aus dem Völkerbund begann man mit dem verstärkten Ausbau von militärischen Verteidigungslinien, anfangs zum Schutz der Außengrenzen. Diese Baumaßnahmen der Jahre 1935 bis 1940 konzentrierten sich zuerst auf die östliche Grenzsicherung, dem im Volksmund bekannten „Ostwall“. 1936 verlagerten sich die Baumaßnahmen gänzlich auf den „Westwall“, einer 630 km langen Verteidigungslinie gegen Frankreich. Nach Kriegsausbruch und Besetzung der Nachbarländer kam es zum Bau des sogenannten „Atlantikwalles, der auf ca.2.700 km Länge vom Nordkap bis zur spanischen Grenze vor dem Einfall der Allierten Truppen schützen sollte.
Hinsichtlich des „Ostwalls“ sind jedoch Begriff und offizieller Baustart irreführend. Die heute als „Ostwall“ bekannte Verteidigungslinie ist nur eine von vier Grenzsicherungsmaßnahmen, die bereits ab 1920 in Teilen errichtet wurden und das Reich gegen die im Zuge des Versailler Vertrages neu gegründete Republik Polen absichern sollte. Dabei handelt es sich um die „Ostpreußenverteidigung“, den „Pommernwall“ im Norden, der „Oderlinie“ im Süden und dem „Oder-Warthe-Bogen“ in der Mitte, der heute oftmals als „Ostwall“ verstanden wird. Diese Sicherungsmaßnahmen waren in den Augen der Weimarer Republik notwendig, da die Grenze nun bis auf 160 Kilometer östlich von Berlin herangerückt war und der neue Nachbar sich bereits 1919/20 in einem Grenzkrieg mit der Sowjetunion befand.
Durch die im Versailler Vertrag auferlegten Restriktionen war es Deutschland jedoch nicht erlaubt, militärische Anlagen zu errichten. Daher tarnte man die 120 Kilometer lange Verteidigungslinie auch als Wasserregulierungsmaßnahmen. Dafür verband man Seen mit Kanälen, kontrollierte die Wasserstände durch Sperrmaßnahmen und errichtete hinter den Kanälen Feldstellungen. So schuf man die Möglichkeit, hohe und großflächige Wasserstände zu schaffen, natürliche Sperren mit zusätzlich in der Mitte vertieften Stellen. Da man die Bevölkerung mit einplanen musste, baute man zahlreiche Dreh- und Rollbrücken, die heute noch funktionsfähig sind.
1935 begannen deutsche Firmen mit dem massiven Ausbau der Festungsanlagen, schufen ein 35 Kilometer langes Tunnelsystem als Kernstück und bauten die Feldstellungen zu „Panzerwerken“ aus, Bunker mit einer Deckenstärke bis zu 3,5 Meter. Aufgrund eines Strategiewechsels erfolgte 1938 ein abrupter Baustopp, die Tunnelsysteme und Bunker wurden zugunsten des „Westwalls“ entwaffnet. Ein schwerwiegender Fehler, wie sich 1944 herausstellte, als man im April den verzweifelten Versuch startete, die Stellungen wieder zu bewaffnen und den „Ostwall“ gegen den Ansturm der Roten Armee wieder zu bewaffnen und zu sichern. Der Angriff im Januar 1945 kam zu früh: der Abschluss der „Rearmierung“ war bis Juni vorgesehen, es fehlten sämtliche Artilleriewerke zur Abwehr von Panzertruppen. Statt Wehrmachtssoldaten verteidigte vor allem der „Volkssturm“ die Abwehrlinie, zumeist im Nahkampf mit Panzerfäusten und Maschinengewehren. Trotz großer Gegenwehr wurde der „Ostwall“ schließlich am 31. Januar 1945 überrollt.
Ralph Erlmeier
Geheimnisvoll – Tunnel in einer der vielen militärhistorischen Anlagen.