Don-Marsch: Ein Appell gegen das Vergessen
Bereits zum 17. Mal fanden Ende Januar die ungarischen „Don-Märsche“ statt. Im Raum Eger trafen sich Reservisten aus fünf Ländern Europas, um gemeinsam an die Kriegstragödie zu erinnern.
Der Pulverschnee knirscht unter den Stiefel. Die Landschaft blendet weiß, ein betörendes Flirren aus Schneekristallen verzaubert die Strahlen der Wintersonne. Es hat knapp minus 20 Grad! Zusammen mit etwa 70 weiteren Kameraden marschieren sieben Berliner Reservisten durch die Hügel Nordost-Ungarns. Ende Januar finden dort die sogenannten „Don-Märsche“ statt, in Erinnerung an den desaströsen Untergang der 2. Ungarischen Armee im Januar 1943 am Don. 2017 sind Reservisten aus Bayern, Berlin, Italien, Frankreich und Tschechien der Einladung des ungarischen Reservistenverbandes (Matasz) gefolgt, um gemeinsam der Opfer des II. Weltkrieges zu gedenken.
Binnen zehn Tagen wurde im Januar 1943 parallel zum Untergang der 6. Deutschen Armee in Stalingrad die 2. Ungarische Armee am Donbogen durch die Großoffensive der Roten Armee aufgerieben. Die ungarische Bilanz waren etwa 150.000 Tote, 35.000 Verwundete und 60.000 Gefangene. Von dieser Kriegstragödie war so gut wie jede ungarische Familie betroffen; ein Kriegstrauma, das bis heute nachwirkt. Umso mehr, als dass während der Zeit des kommunistischen Regimes jegliches Gedenken an das „ungarische Stalingrad“ untersagt war. Die Gedenkmärsche, vergleichbar mit unserem Volkstrauertag, stehen unter der Schirmherrschaft des ungarischen Verteidigungsministers und erfreuen sich über die letzten Jahre sowohl bei der örtlichen Bevölkerung wie bei den Teilnehmern wachsender Beliebtheit. Wie letztes Jahr wurden daher an vier verschiedenen Orten Märsche durchgeführt: im Raum Eger (Erlau) speziell für die internationalen Teilnehmer, hervorragend betreut durch den örtlichen und den Budapester Reservistenverband.
Teils über tief verschneites Gelände, teils über vereiste Wege führten der Marschführer Oberstleutnant d.R. Fábian János und der Organisator Oberst d.R. Sándor Munkácsi die internationale Marschgruppe bergauf und bergab. Über etwa 50 Kilometer zog sich der Marsch von Mátraderecske über Szajla, Sirok, Bükkfürd? nach Pétervására. Das nicht wenig anspruchsvolle Gelände, die klimatischen Bedingungen ließen Gedanken an den Leidensweg der Soldaten in jenem Januar vor 74 Jahren aufkommen. Was für ein Martyrium, auf allen Seiten!
Unter herzlicher Anteilnahme der einheimischen Bevölkerung, die auch Übernachtung und Verpflegung kostenlos stellten, wurde an allen Stationen mit Kranzniederlegungen der Opfer der „Tragödie vom Don“ , aber auch generell der Tragödie von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht.
In einer besonders bewegenden Zeromonie in Szajla erinnert man explizit auch der deutschen Gefallenen an einem Ehrenmal, das die Reservistenkameradschaft Untermain (Hammelburg) errichtet wurde. Seit über 10 Jahren pflegen die Unterfranken auf Bezirksebene eine besonders intensive Partnerschaft, die eine enge Verbindung der Ungarischen Region Eger mit der Deutschen Region Unterfranken und der Französischen Region Normandie zur Folge hatte.
Beim Abschiedsessen, dem auch der Präsident des Ungarischen Reservistenverbandes Brigadegeneral a.D. Szeles Ernö beiwohnte, bedankte Oberst d.R. Munkácsi für die große Anzahl internationaler Teilnehmer. Gerade in diesen schwierigen Zeiten sei die internationale Kameradschaft umso wichtiger. Das gemeinsame Gedenken an das unermessliche Leid des II. Weltkrieges sei wichtig und verbinde in dem Wunsch, nach einem weiteren friedlichen Zusammenhalt in Europa. Über alle Differenzen hinweg!
Ralph Erlmeier
Bilder und Bildunterschriften Ralph Erlmeier:
Bild 1: Klirrende Kälte, flirrendes Licht und knirschender Schnee – der Don-Marsch in Ungarn
Bild 2: Herausforderung im Wintermarsch – 50 Kilometer als kollektives Erinnern
Bild 3: Verschiedene Uniformen in der Erinnerung vereint – der Don-Marsch in Ungarn
Bild 4: Eindrucksvolle Tage erlebt – die Marschgruppe Berlin
Bild 5: Ein europäischer Appell: Gedenkt der Geschichte!