Mit der „Totenburg“ auf dem 2.239 Meter hohen Pordoijoch erinnert der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (VdK) an die Gefallenen des Bergkrieges. Ende August führten an diesem außergewöhnlichen Ort Politiker und Militär aus vier Ländern gemeinsam eine beachtenswerte Gedenkfeier durch. Der Berliner Landesvorsitzende und sein Stellvertreter ließen es sich nicht nehmen, als Teil der deutschen Abordnung an der Seite ihrer ungarischen Kameraden zu stehen.
Nach dem Bündniswechsel Italiens standen sich in den Jahren 1915 bis 1918 die ehemaligen Allierten des „Dreierbundes“ Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien als unerbittliche Gegner gegenüber. Die Frontlinie dieses Krieges verlief fast ausschließlich über das Gebirge, vom fast 3.900 Meter hohen Ortler im Westen bis an die Adria in der Nähe Triests im Osten. Eine der grausamsten Frontabschnitte erstreckte sich vom Pordoijoch zum Col di Lana, dessen Gipfel die italienische Armee wegsprengte. In Sichtweite dieses Berges, der als „Blutberg“ in die Geschichte einging, mit Blick auf die großartige Kulisse der Dolomiten, steht die „Totenburg“, die deutsche Kriegsgräberstätte auf dem Pordoi.
100 Jahre nach seiner Gründung hat der VdK unter der Leitung Dr. Dirk Reitz eine Ausstellung eingerichtet, die an die Tragödien des Dolomitenkrieges erinnert. Etwa 23.000 italienische und österreichisch-ungarische Soldaten lieferten sich in den rauen Bergen der Umgebung harte Gefechte, wie Oberstleutnant Riccardo La Bella von der italienischen Kriegsgräberpflege erläuterte. Über 200.000 italienische Soldaten und über 50.000 Soldaten der „Donau-Monarchie“ starben in diesem Bergkrieg, zwei Drittel davon jedoch nicht in Kampfhandlungen, sondern durch Steinschläge, Abstürze und Lawinen. 8.582 österreichische, ungarische und deutsche Gefallene des I. Weltkrieges und 848 deutsche des II. Weltkrieges fanden in der „Totenburg“ am Pordoi ihre letzte Ruhestätte.
Ende August kamen dort hohe militärische und politische Vertreter aus vier Nationen zusammen, um in einer würdevollen Feier dieser Toten zu gedenken und zugleich die neue Ausstellung zu eröffnen. Eindringlich beschrieb Oberst Dr. Vilmos Kovács, Vertreter des ungarischen Verteidigungsministeriums die blutigen Ereignisse, die man angesichts dieser grandiosen Landschaft kaum glauben mag. Ungarn glänzte mit einer großen Delegation der ungarischen Armee, von Traditionsverbänden und einer Abordnung des Reservistenverbandes MATASZ. An dessen Spitze stand der in Berlin sehr geschätzte Oberst a.D. Imre Kovács, Beauftragter des VdK in Ungarn und zentraler Motor der Reservisten-Partnerschaft Budapest-Berlin. Daher war es für die Oberstleutnants d.R. Frank Eick und Ralph Erlmeier selbstverständlich, als Vertreter der Berliner Landesgruppe ebenfalls vor Ort zu sein. Die Bundeswehr war durch die Gebirgsjägerbrigade 23, die italienische Armee durch das 132. Artillerieregiment vertreten. Die Ehrenformation der österreichischen Kaiserjäger verlieh der Veranstaltung außerdem einen außergewöhnlichen historischen Aspekt.
Sichtlich ergriffen waren die zahlreichen Besucher der Veranstaltung, als durch die Bergkulisse die Trompetenklänge des Totengedenkens schalten. Zuvor warnten bezugnehmend auf die aktuelle Lage alle Redner vor dem Aufkeimen eines abgrenzenden Nationalismus und beschworen das vereinte Europa als politisches Ergebnis der verheerenden Geschichte. „Die Geschichte lehrt ständig, aber sie findet keine Schüler“, zitierte mahnend Generalkonsul Dr. Wolfgang Spadinger die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann. Doch das gemeinsame Gedenken vierer Nationen, die „im Laufe der vergangenen hundert Jahre in unterschiedlichen Konstellationen mit und gegeneinander kämpften“, sei ein starkes Symbol der Hoffnung, entgegnete Senator a.D. Wolfgang Wieland in seiner Rede. „Indem wir hier zusammenstehen, bekunden wir unseren Willen zur „Versöhnung über den Gräbern“, so der Stellvertretende Präsident des Volksbundes weiter. Der Leitgedanke des Volksbundes wieder einmal Mahnung in einer unruhigen Zeit und Friedensappell für die Zukunft.