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loyal – Titelthema des Monats Februar 2015




Die Konflikte zwischen China und den übrigen Anrainerstaaten des Ost- und Südchinesischen Meeres erinnern an die Konstellation der Mächte in Europa vor dem Ersten Weltkrieg. Noch ist es nur ein Säbelrasseln im Pazifik. Doch wie vor 1914 suchen die einzelnen Parteien Verbündete und Schutzpatrone

Gefangen in der Geschichte

Von Dagmar Lorenz

In unserer medial vernetzten Welt scheinen nicht nur geografische Entfernungen zusehends zu schrumpfen. Auch historische Ereignisse rücken manchmal näher an die Gegenwart, als es wünschenswert wäre. So  erschienen im  gerade vergangenen Erinnerungsjahr zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs etliche Veröffentlichungen, die den Mitte 2014 erneut eskalierenden  pazifischen „Inselstreit“ zwischen China und Japan zum Anlass nahmen, auf das Jahr 1914 hinzuweisen und – wie es beispielsweise der australische Historiker Christopher Clark in der Einleitung zu seinem Bestseller „Die Schlafwandler“ tut –  die globalen Mächtekonstellationen seit dem Ende des Kalten Kriegs mit der historischen Situation zu Beginn des Ersten Weltkriegs zu vergleichen.  Clark macht dabei auf das komplexe und unberechenbare „Gefüge von Kräften“ aufmerksam, das auch deshalb entstehe, weil sich einige Reiche im Niedergang und andere Mächte im Aufstieg befänden – wobei sich der Gedanke an den „Aufsteiger“ China geradezu aufdrängt. Für Clark jedenfalls ist die globale Situation unserer Tage ein „Zustand, der zum Vergleich mit der Situation in Europa anno 1914 geradezu einlädt“.

Historische Parallelen zum Ersten Weltkrieg werden auch von den politischen Akteuren selbst gezogen – und für eigene Zwecke instrumentalisiert. So verglich der japanische Premier Shinzo Abe auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos 2014 die Spannungen zwischen China und Japan mit der Rivalität zwischen Deutschland und Großbritannien am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Prompt folgte die Replik des Sprechers des chinesischen Außenministeriums. Er verwahrte sich gegen die Gleichsetzung Chinas mit dem wilhelminischen Kaiserreich und verwies stattdessen auf das Jahr 1894.

Seinerzeit erklärte die damalige industrielle Aufsteigernation Japan dem kaiserlichen China den Krieg, nachdem japanische Truppen einen Teil Koreas besetzt hatten. Ein Jahr später wurde China von den Japanern vernichtend geschlagen – was zur Folge hatte, dass Taiwan von 1895 bis 1945 unter japanische Herrschaft gelangte und Japan sich jene Inseln im Südchinesischen Meer aneignete, die während der Davoser Weltwirtschaftskonferenz den Anlass für einen auf diplomatischem Parkett ungewöhnlich scharfen verbalen Schlagabtausch lieferten.

Insofern bietet der in der westlichen Welt längst vergessene „erste“ moderne Chinesisch-Japanische Krieg einen zusätzlichen historischen Hintergrund, der die aktuellen japanisch-chinesischen Rivalitäten als Teil einer Geschichte erscheinen lässt, die aus chinesischer Sicht eine Geschichte nationaler Demütigungen und Selbstbehauptungskämpfe darstellt. Dabei bildete die Niederlage von 1895 nur den Anfang einer Folge von Demütigungen, die dem einst mächtigen chinesischen Kaiserreich ausgerechnet von jenem Land zugefügt wurden, das jahrhundertelang unter dem kulturellen Einfluss Chinas gestanden hatte.