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loyal-Titelthema der Doppelausgabe Juli/August 2016




Die Marine fährt am Limit.  Nach Jahren des Schrumpfens sind ihre Reserven aufgebraucht. Neue Schiffe und Konzepte sollen die Trendwende bringen

Volle Kraft voraus!

von Marco Seliger

Die Freude war groß. Nach sechs Monaten im Mittelmeer sollte das Minenjagdboot „Weilheim“ kurz vor Weihnachten vorigen Jahres endlich den Heimweg antreten. Doch dann kam die Weltpolitik dazwischen. Nach den Anschlägen islamistischer Terroristen am 13. November 2015 in Paris schickte Frankreich den Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ in den Persischen Golf, um seine Luftangriffe auf den sogenannten Islamischen Staat in Syrien zu verstärken. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen entschied, die Fregatte „Augsburg“ kurzfristig von der Anti-Schleuser-Operation „Sophia“ vor der libyschen Küste abzuziehen und der „Charles de Gaulle“ zur Seite zu stellen.

So weit, so nachvollziehbar, denn ein Flugzeugträger ist strategisch wichtig, aber zugleich auch ein einfaches Ziel. Er umgibt sich deshalb selbst dann mit einem Schutzring aus Schiffen, wenn es gegen einen Gegner wie den IS geht, der gar nicht die technischen Fähigkeiten für einen Angriff hat. Den Franzosen fehlte ein Schiff zur U-Boot-Abwehr, die Deutschen sprangen ein und schickten die „Augsburg“. Allerdings sollte die Marine die Lücke bei „Sophia“ sofort wieder schließen. Und da war die Auswahl klein. Es traf die „Weilheim“, und das aus zwei Gründen: Als Teil einer Nato-Einsatzgruppe war sie, erstens, schon im Mittelmeer und es stand, zweitens, so kurzfristig kein anderes Boot zur Verfügung. „Man kann sich vorstellen, was das für die Stimmung vor allem der Soldaten mit Familie und Kindern bedeutet hat“, sagt Fregattenkapitän Marco Thiele, der Vorsitzende Marine des Deutschen Bundeswehrverbands. Aus Freude wurde Enttäuschung: wieder ein Weihnachtsfest auf See ohne die Lieben daheim.

Seefahrer sind Kummer gewöhnt. „Lange Abwesenheiten gehören zum Beruf“, sagen sie. Oder: „Wer pünktlich Feierabend machen will, geht besser nicht zur Marine.“ Sätze wie diese sind nicht nur Sprüche und Phrasen, sondern sie zeugen auch von einer Fehlentwicklung in der Marine. Die kleinste Teilstreitkraft der Bundeswehr erhält immer mehr Aufträge, für die ihr aber nicht mehr genügend Schiffe und Boote zur Verfügung stehen. Seit mehreren Jahren lebt die Marine von der Substanz, ihre Reserven stehen in See oder sind aufgebraucht. „Der bis vor kurzem geltende Sparzwang stand in krassem Widerspruch zu einem sich ständig erhöhenden Einsatztempo“, sagte Marineinspekteur Andreas Krause im Februar während einer Rede in Wilhelmshaven. Das war ein Alarmzeichen. Doch kurz darauf kam mit dem Überwachungseinsatz in der Ägäis noch eine weitere Mission dazu. Und nun soll die Operation „Sophia“ auch noch auf den Kampf gegen den Waffenschmuggel für die IS-Terroristen in Libyen erweitert werden. Die Marine fährt am Limit und ein Ende ist so schnell nicht in Sicht.

Die Kurzfristigkeit, mit der die Marine seit einigen Jahren in immer neue Missionen geschickt wird, ist einzigartig in ihrer Geschichte. Das hat seinen Preis. Im Vorjahr reisten etwa die Fregatte „Hessen“ und der Einsatzgruppenversorger „Berlin“ einmal rund um Afrika, an Bord angehende Offiziere und Unteroffiziere. Nach sechs Monaten und einem kurzen Intermezzo bei der Antipiraterie-Mission vor Somalia sollte der Ausbildungsverband durch den Suez-Kanal den Heimweg antreten. Doch daraus wurde nichts. Nach der Einfahrt ins Mittelmeer bekamen die Schiffe den Befehl, Bootsflüchtlinge vor der libyschen Küste zu retten. „Dass Sie mich nicht missverstehen“, sagt Marco Thiele vom Bundeswehrverband. „Für die meisten Soldaten ist das sehr erfüllend gewesen.“ Die Kurzfristigkeit aber und die damit verbundene fehlende persönliche Planbarkeit trieben viele Soldaten um. Nichts sei mehr verbindlich, niemand wisse, ob er planmäßig einen Urlaub antreten könne oder binnen kürzester Zeit in den Einsatz geschickt werde…