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loyal-Titelthema des Monats April 2016




Die globale Ordnung zerfällt. In Europas Nachbarschaft herrschen Krieg und Chaos, Not und Elend. Millionen Flüchtlinge und Einwanderer drängen auf den Kontinent, der nur noch einen Rat weiß: Abschottung. Doch wer die Flüchtlingswelle stoppen will, muss vor allem die Fluchtursachen bekämpfen. Das wird moralische Integrität und viel Geld kosten.

Ein neuer Marshallplan

von Marco Seliger

Es ist schlecht um die Welt bestellt. Seit einiger Zeit befinden sich Teile von ihr im Dauerkrisenmodus. In Deutschland und Europa kann man das an den schier unaufhörlichen Flüchtlingsströmen sehen und an der Mauer, die der wohlhabende Kontinent gerade in Form eines strengeren Grenzregimes und eines Rücknahmeabkommens mit der Türkei gegen die Fremden hochzuziehen versucht. Ein Blick auf die Weltkarte der Konflikte zeigt zugleich aber eine paradoxe Entwicklung: Während die Anzahl der bewaffneten Konflikte zwischen 2001 und 2015 von 70 auf 40 deutlich abgenommen hat, stiegen zugleich die Dauer der Konflikte und die Zahl der Opfer.

Dem renommierten International Institut for Strategic Studies in London zufolge forderten die weltweiten Konflikte im Jahr 2001 noch 56.000 Todesopfer. 14 Jahre später hatte sich die Zahl auf 180.000 mehr als verdreifacht. Entsprechend dramatisch sind die Folgen. Allein zwischen 2013 und 2014 stieg die Zahl der Menschen, die wegen der Konflikte ihre Heimat verlassen mussten, um acht auf 59 Millionen. Damit waren 2014 so viele Menschen auf der Flucht wie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr. Den größten Anteil daran hat der Krieg in Syrien. Seit seinem Beginn vor knapp fünf Jahren sind von etwa 25 Millionen Einwohnern vier Millionen ins Ausland geflüchtet. Weitere sieben Millionen haben ihre Heimatorte verlassen, um sich in anderen Landesteilen in Sicherheit zu bringen. Doch Syrien ist kein Einzelfall.

Gewaltkatastrophen toben auch in Afrika und anderen Ländern des Nahen Ostens. Den Strom der Menschen, die seit einem Jahr stärker als je zuvor aus der kontinentalen Nachbarschaft nach Europa streben, begründen sie aber nur zu einem Teil. Der andere Teil erklärt sich erst, wenn man diejenigen, die hier ankommen, in die zwei Gruppen unterscheidet, aus denen das Heer der Migranten besteht: Flüchtlinge und Einwanderer. Letztere kommen in erster Linie, weil sie für sich und ihre Familie ein besseres Leben wollen, sie in ihren Herkunftsländern keine Chance auf einen Job und keine Chance auf ein Leben nach ihren Wünschen sehen. Sie kamen im vorigen Jahr vor allem aus Albanien und dem Kosovo.

Dieser Strom ist abgeebbt, denn es hat sich herumgesprochen, dass sie wieder zurückgeschickt werden. Nun stammen die Einwanderer zunehmend aus Nordafrika und Subsahara-Afrika. Sie suchen Arbeit, Perspektive, Wohlstand und Versorgung, alles, was sie in ihren Heimatstaaten nicht finden können. Sie sind meist Wirtschaftsmigranten und nicht politisch, religiös oder wegen ihrer Herkunft verfolgt und bedroht. Für Einwanderer aus Nordafrika hat die Bundesregierung mit den Herkunftsländern inzwischen Abkommen ausgehandelt, die eine Rückführung der vor allem jungen Männer regeln sollen.

Die Unterscheidung zwischen Flüchtlingen und Einwanderern ist wichtig, wenn es um das in den Genfer Konventionen und im deutschen Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Schutz geht. Danach genießen Flüchtlinge uneingeschränkt Zuflucht, Wirtschaftsmigranten aber nicht. Der größte Teil der im Vorjahr nach Deutschland eingewanderten 1,1 Millionen Menschen sucht Sicherheit und Schutz. Sie stammen aus Syrien (420.000), Afghanistan (154.000) und dem Irak (121.000). Ein Ende des Flüchtlingsstroms aus diesen zerfallenden Ländern ist nicht abzusehen, auch aus Syrien nicht. Denn egal, auf welche Friedensordnung sich die Konfliktparteien dort jetzt einigen, es wird Menschen geben, die auch danach in ihrem Land nicht mehr sicher sind und Syrien verlassen werden.