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loyal-Ausgabe März 2023




„Wir haben uns zu früh vom Acker gemacht“

von André Uzulis

Das Ende des Einsatzes in Afghanistan endete in einer Demütigung. Die Taliban überrollten das Land mit einer nicht für möglich geglaubten Geschwindigkeit, die westlichen Truppen verließen das Land Hals über Kopf. Heute herrschen in Afghanistan wieder Terror und Unterdrückung. Warum haben wir am Hindukusch versagt? In Deutschland versucht man sich an Antworten.

Yama Rahman hatte es fast geschafft. Er stand im August 2021 wenige Meter vor dem Tor des Flughafens von Kabul. Rund um ihn war Chaos. Menschen drängten sich vor dem Zaun. Die Masse wogte hin und wogte her, manche drohten zerquetscht zu werden. Panik lag in der Luft, Warnschüsse waren zu hören. Frauen weinten, Männer schrien. Soldaten aus NATO-Ländern versuchten, die Zugänge zum Vorfeld des Airports zu sichern. Ihnen stand die Anspannung in den verschwitzten Gesichtern. Einem von ihnen zeigte Rahman seine Papiere. Der Soldat warf einen Blick darauf und schüttelte den Kopf. Für Rahman gab es keinen Durchgang. Der Weg zu den wartenden Militärmaschinen hinter dem Zaun war ihm und seiner Familie versperrt. Er sah sich am Ende.

So schildert es der heute 38-Jährige im Gespräch mit loyal. Yama Rahman hatte mehr als sechs Jahre für den Westen in Afghanistan gearbeitet, von März 2015 bis Juni 2021. Der studierte Journalist war im Medienzentrum der Afghanischen Nationalarmee in Masar-e-Scharif tätig, in der Abteilung Medienanalyse. Er wertete Propagandabotschaften aus, die die Taliban verbreiteten, stellte Dossiers über die Einstellung der afghanischen Bevölkerung zusammen. Seine Erkenntnisse nutzte auch die Bundeswehr. Das Medienzentrum informierte umgekehrt die afghanische Öffentlichkeit über die Tätigkeit der Armee und der westlichen Truppen und versuchte, sie für sich zu gewinnen. Klassische PsyOps-Arbeit, beraten durch die Bundeswehr.

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Die Afghanen, die im Medienzentrum in Masar-e-Scharif arbeiteten, sind für die Taliban Verräter. Viele von ihnen stehen auf Todeslisten. Yama Rahman bekam das zu spüren, als eines Nachts auf sein Haus in Masar-e-Scharif ein Anschlag verübt wurde. Verletzt wurde niemand, es entstand Sachschaden. Aber die Botschaft war klar: Warte nur, bis wir dich und deine Familie in die Finger kriegen. Rahman berichtet auch von Handwerkern, die bei ihm in der Wohnung Arbeiten erledigten. Einer von ihnen machte besorgniserregende Andeutungen. Für Rahman war klar, dass er im Falle eines Abzugs der westlichen Truppen Freiwild sein würde. Er und seine Familie. Wobei die Taliban einen Familienbegriff haben, der weit über das deutsche Bild der Kleinfamilie von Vater, Mutter und Kindern hinausgeht.

Dann kam der Zusammenbruch der westlichen Mission. Rahman wollte das Land verlassen. Da ahnte er noch nicht, dass er Ortskraft zweiter Klasse war. Er reiste mit Ehefrau Farangis (heute 38) und den Kindern Yosra (heute 11), Khadeja (9), Yaser (7) und Nesthäkchen Asuda (4) mit dem Bus ins 500 Kilometer entfernte Kabul. Papiere hatte er dabei, aber sie berechtigten ihn nicht zur Ausreise. Die Zurückweisung am Flughafenzaun traf ihn wie ein Schlag. „Das ist das Todesurteil“, dachte Rahman – und bestieg voller Bedrückung vor dem, was nun kommen würde, mit seiner Familie einen Bus zurück nach Masar-e-Scharif.

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