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60 D-Mark Wehrsold und noch nicht einmal Gefreiter




Das kleine Eichhörnchen huscht zwischen den Bäumen hektisch hin und her. Kinder spielen Fußball in einer Hofeinfahrt. Die Bewohner des Seniorenzentrums genießen ihren Nachmittagskaffee in der Frühlingssonne. In Rahlstedt, einem Stadtteil im Nordosten Hamburgs, deutet nichts mehr darauf hin, dass hier vor 55 Jahren die ersten Wehrpflichtigen ihren Dienst an der Waffe antraten.

Einer von ihnen war Helmut Triffterer. Der heute 74-Jährige gehörte zu den allerersten Wehrpflichtigen, die zum 1. April 1957 einzogen wurden. An den ersten Tag beim Bund kann sich der Essener noch genau erinnern, vor allem an die Hinfahrt mit einem Sammeltransport der Bahn. "Der Zug war in Koblenz oder Köln gestartet und es war schon jede Menge los in den Abteilen", erzählt Triffterer. "Das Begleitpersonal setzte die Leute der jeweiligen Kompanien direkt in den gleichen Wagen, so dass wir uns untereinander schnell kennengelernt haben."

Wir – gemeint sind damit Triffterer und seine Kameraden der 2. Kompanie des Panzergrenadierbataillons 3, stationiert in der Boehn-Kaserne in Hamburg-Rahlstedt. Auf der Fahrt wurden die Kameraden davor gewarnt, dass die Hamburger Bevölkerung auch zwölf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges nicht gut auf Militär zu sprechen sei. Also hielt der Zug kurzerhand auf freier Strecke, die Rekruten mussten auf Lastwagen umsteigen und wurden so zu ihrer Kaserne gebracht.

Untersuchung, Einkleidung, los geht’s? Von wegen!
"Auf den Stuben gab es zunächst Kaffee und Kuchen", erinnert sich Triffterer. Jeweils fünf Wehrpflichtige und zwei freiwillig Dienstleistende teilten sich eine Stube. Am schwarzen Brett hing eine Liste mit Lokalen, die man mit Uniform niemals betreten sollte – die Hamburger und ihr angeblich kritisches Verhältnis zur Bundeswehr… Die Einkleidung erfolgte erst nach "zwei bis drei Wochen, weil es noch nicht ausreichend Uniformen gab". Bis dahin hatten die Rekruten theoretischen Unterricht – und so lange durften sie auch die Kaserne nicht verlassen.

Erst als alle eingekleidet waren, ging es mit der Formalausbildung los. "Die Ausbilder waren ehemalige Beamte des Bundesgrenzschutzes, die erfahrenen Offiziere: Altgediente aus dem Zweiten Weltkrieg, zumeist von der Ostfront", berichtet Triffterer. Vier oder fünf Mal ging es zur Gefechtsausbildung, zudem ließ der Kompaniechef zweimal im Monat eine Nachtübung durchführen. "Wir wurden geweckt und dann ging es in den Wald, wo wir uns einbuddeln mussten – und wehe dem, es lag noch ein Dreckskörnchen neben der Stellung", erzählt der 74-Jährige.

Geschossen wurde mit dem Karabiner M1, den die US-Armee Ende des Zweiten Weltkrieges und im Koreakrieg einsetzte. Da es anfangs noch keine Schützenpanzer gab, dienten kleine, wendige Lastwagen als Übungsfahrzeug. "Darin hatte wenigstens die ganze Gruppe Platz", sagt Triffterer mit einem Schmunzeln. Eine kleine Kuriosität hielt die Erkennungsmarke bereit: Das untere Stück sei mit einem Mikrofilm versehen gewesen, um im Falle eines Atomangriffs den Grad der Verstrahlung feststellen zu können. Weiterer Grund zum Lächeln, wenn auch nur ein kleiner, waren die 60 D-Mark Wehrsold pro Monat.

Nach einem Jahr nicht einmal Gefreiter
Nach einem Jahr war die Dienstzeit vorbei. Von den 130 Wehrpflichtigen in seiner Kompanie wurden rund 15 zum Gefreiten befördert. "Aber das ging eher nach Nase. Auffällig war nur, dass vor allem die Schreibstuben-Soldaten, die beim Kompaniechef saßen, einen Dienstgrad bekommen haben", berichtet der Panzergrenadier der Reserve. In Folge dessen konnte er auch nie zu einer Wehrübung antreten. "Ich wäre gerne noch einmal gegangen, aber dafür hätte ich Gefreiter sein müssen. Das ärgert mich bis heute!"

Dass heutzutage aber jeder fünfte freiwillig Wehrdienstleistende die Bundeswehr vorzeitig verlässt, kann Helmut Triffterer nachvollziehen: "Die Gesellschaft und vor allem die Jugend ist heute ganz anders geprägt. Durch die Medien werden ganz andere Bilder und Lebensentwürfe vermittelt. Wir wussten doch damals überhaupt nicht, dass man den Wehrdienst auch verweigern kann." Dennoch überwiegen die positiven Erinnerungen und die Eigenschaften, die er aus dem Jahr beim Bund mitgenommen hat: "Pünktlichkeit und Ordnung sitzen heute noch!"

Die Bundeswehr leistet auch Erziehungsarbeit
Mitte der 1960er Jahre gab es 65 D-Mark Wehrsold. Dieser wurde jedoch in zwei Etappen ausgezahlt: 32,50 DM zum Monatsersten und 32,50 DM am 15. Somit sollte verhindert werden, dass die Soldaten ihr Geld gleich in den ersten Tagen in Bier umsetzen. Bei einem Bierpreis von einer Mark sicherlich eine vorausschauende Entscheidung. Zudem gab es ein Sommerhalbjahr von April bis September und ein Winterhalbjahr von Oktober bis März. Die Tücken dieses Systems bekam auch der Bundesgeschäftsführer des Reservistenverbandes, Oberst d.R. Dierk Joachim Fell zu spüren: "Anfang Oktober waren es noch 22 Grad. Ich hatte die Ärmel meiner Feldbluse hochgekrempelt. Doch auf dem Weg zur Kantine wurde ich darauf hingewiesen, dass nun Winter sei. Fünf Minuten später hatte ich den Parka an."

Stichwort Wehrpflicht
Grundsätzlich waren alle deutschen Männer wehrpflichtig, die nach dem 1. Juli 1937 geboren worden waren. Die erste Einberufung erfolgte vor genau 55 Jahren zum 1. April 1957. Bis 2011 wurden 8.406.489 Wehrpflichtige zum Dienst an der Waffe herangezogen. Stärkster Jahrgang war 1973 mit 229.055 einberufenen Rekruten.

Über die Einberufung der ersten Rekruten plant auch das WDR einen Bericht. Ausgestrahlt werden soll der Beitrag am Samstag, 31. März, in der "Aktuellen Stunde".

Bericht der Bundeswehr

Sören Peters

Bild oben:
Die 2./PzGrenBtl 3 vor einem M47-Panzer.
In der vorderen Reihe, erster von rechts ist
Helmut Triffterer zu sehen.

Zweites Bild:
Gesellige Runde auf der Stube.

Drittes Bild:
Damals und heute: Triffterer als Soldat
und bei einem späteren Besuch in Rahlstedt.

Bild unten:
Beim Waffenreinigen auf der Stube.
(Fotos: privat)

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