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Abschlussappell und Zapfenstreich zu Ehren der Afghanistan-Veteranen




Großer Zapfenstreich vor dem Reichstag in Berlin, hier anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Bundeswehr.

Foto: Bundeswehr/Herholt

Afghanistan

Nach dem Ende des 20-jährigen Einsatzes in Afghanistan wurden die beteiligten Soldatinnen und Soldaten nun in Berlin mit zwei militärischen Großzeremoniellen geehrt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer gedachten zunächst am Ehrenmal der Bundeswehr im Bendlerblock der gefallenen Soldatinnen und Soldaten. Der Appell am Bendlerblock wurde live ins Internet übertragen. Kommentiert wurde die Liveübertragung der Welt vom Vorsitzenden der Landesgruppe Hessen im Reservistenverband, Oberstleutnant a.D. Christian Keimer. Zu sehen ist die Aufzeichnung auf /youtube.de. Anschließend fand der feierliche Abschlussappell zum Afghanistan-Einsatz statt. Am Abend wurden die Soldatinnen und Soldaten unter Anwesenheit der Bundeskanzlerin und des politischen Berlins mit einem großen Zapfenstreich vor dem Deutschen Reichstag geehrt. Insgesamt waren rund 160.000 Soldatinnen und Soldaten für die Bundeswehr in Afghanistan.

Einer von ihnen ist Denny Vinzing, heute Hauptfeldwebel d.R. Der Fallschirmjäger war 2010 und 2013 in Kunduz stationiert. Bei seinem ersten Einsatz war er am Karfreitagsgefecht beteiligt. Den politischen Willen, das Land zu stabilisieren und zu demokratisieren hätte er beinahe mit dem höchsten Gut bezahlt – seinem Leben. Dass unmittelbar nach dem Ende der westlichen Militärpräsenz im Land nun die Taliban wieder die Macht übernommen haben, findet er „schade, weil wir da viel Blut und Schweiß reingesteckt haben. Aber inzwischen habe ich da einen gewissen Abstand zu.“ Zumal auch der Kontakt zu den afghanischen Sprachmittlern, mit denen er und seine Kameraden unterwegs waren, abgerissen ist. „Mich hätte es eher betroffen gemacht, wenn nun einer der Fallschirmjäger, die während der Evakuierung den Flughafen in Kabul gesichert haben, zu Schaden gekommen wäre.“ Wie ein Besatzer habe sich Vinzing bei seinem Einsatz nicht gefühlt. „Eher so geduldet“, beschreibt er. „Ich glaube, die Menschen in Afghanistan sehen die Dinge recht pragmatisch. Wenn ein Bauer 50 Dollar dafür bekommt, um eine Sprengfalle zu vergraben, dann macht er das nicht aus Hass dem Westen gegenüber, sondern weil er damit seine Familie ernähren kann.“

„Abgewartet, bis wir raus sind“

Dass die Taliban nur noch auf den richtigen Zeitpunkt gewartet haben, hat sich nach Vinzings Ansicht schon sehr früh abgezeichnet. Bei seinem Einsatz im Jahr 2013 sei es schon bedeutend ruhiger gewesen als 2010. „Wir wurden nur noch ein Mal angesprengt. Da merkte man schon, die Taliban warten nur noch ab, bis wir raus sind“, erzählt der Norddeutsche. „Aber auch da hatte ich schon den Eindruck: Die Leute vor Ort wollen das alles nicht. Ich hatte den Eindruck, dass die alle entweder miteinander verwandt oder gute Kumpels waren: einer bei der Armee, der andere bei der Polizei, der nächste baut Drogen an und der andere ist bei den Taliban. Auch die afghanische Armee und die Polizeieinheiten – die wollten einfach ihre Ruhe haben. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Politik schon ehrlich sein müssen und sich die Frage stellen: ‚Wollen wir hier weitermachen mit allen Konsequenzen oder gehen wir raus?‘“

Eine Ansicht, die Manuel F. Schuchardt teilt. „Nation Building ist eine gute Sache, aber dann auch mit allen Konsequenzen“, sagt der Hauptmann d.R. Er war im 35. ISAF-Kontingent im Medienzentrum in Mazar-e-Sharif eingesetzt. Als Ausbilder für Analyse, Bewertung und Planung bildete er Ortskräfte für die Medienarbeit aus. Auch diese seien damals, 2014, schon massiven Bedrohungen ausgesetzt gewesen. Offiziell waren dies aber Einzelfälle oder Familienfehden. „Wirklich weg waren die Taliban ja nie. Die haben die ganze Zeit über ihre eigenen Propaganda-Kanäle in die Bevölkerung hineingewirkt. Wenn eine Militäraktion der ANA (Anm.d.Red.: Afghan National Army) schiefging, war halt der Westen schuld, nach dem Motto ‚Die bringen Euch auch nicht weiter‘.“

Nation Building braucht seine Zeit

War der Einsatz also umsonst? „Dafür haben wir zu viel erreicht“, sagt Schuchardt. Aber auch er ist der Ansicht, dass die Politik sich schon früher hätte ehrlich machen müssen. „Der Einsatz der Bundeswehr war der deutschen Bevölkerung gut zu erklären, als es darum ging, Brunnen zu bohren und Mädchenschulen zu bauen. Als es aber um Terrorismusbekämpfung ging und die Bundeswehr klar gesagt hat, welches Material sie dafür braucht, da hat die Politik lange die reale Situation verkannt und notwendiges Material zurückgehalten oder gar nicht erst beschafft. Zum Beispiel Kampfpanzer oder bewaffnete Drohnen zur Luftunterstützung der deutschen Soldaten am Boden. Darüber hinaus muss man bedenken, dass Nation Building nicht innerhalb von ein paar Jahren funktioniert. Das sollte man also auch mal in Mali auf dem Schirm haben.“

„Wir haben in Afghanistan viel gelernt“, sagt auch Oberfeldarzt d.R. Jan Walpuski, besonders mit Blick auf sein Fachgebiet. Material, Versorgungskonzepte und taktisches Verhalten seien dabei nur einige Aspekte. „Die Bundeswehrkrankenhäuser sind inzwischen führend auf dem Gebiet des Blutgerinnungsmanagements und wenn es um Druckwellenverletzungen an der Lunge geht.“ Sieben Mal war er in Afghanistan im Einsatz, stellte neben der Versorgung der eigenen Truppe in einem gewissen Rahmen auch eine Grundversorgung für die afghanische Bevölkerung sicher und erlangte so Einblicke in die Denkweise der Menschen vor Ort. „Es gibt kein gemeinsames Bewusstsein wie hierzulande, wo der Hamburger dazu bereit ist, Deutschland auch in Bayern zu verteidigen. Da kann ich ausbilden wie ich will.“

„Wir haben ein Angebot gemacht“

Walpuski verweist im Gespräch durchaus auf Erfolge in Kabul, Mazar-e-Sharif oder Fayzabad, auch wenn die Mädchenschulen zur Erntezeit leer standen. „Um es mal salopp zu sagen: Afghanistan ist nunmal nicht Norwegen, wo von 5,3 Millionen Einwohnern ein Drittel im Großraum Oslo lebt. Zwar können die westlichen Truppen in den Dörfern mal alle zwei Wochen nach dem Rechten sehen, aber wenn die Taliban alle drei Tage da sind, sind die näher dran an der Bevölkerung.“ Der Westen habe es hier nicht geschafft, die kritische Masse zu erreichen. Ähnlich wie Vinzing und Schuchardt, sieht auch Walpuski den Hauptgrund für das Scheitern des Westens in den Köpfen der Menschen. „Die Menschen in Afghanistan sind eher bereit, gewisse Dinge als gegeben hinzunehmen. Was wir gemacht haben, das war ein Angebot. Das kann man annehmen, aber man kann es auch lassen. Ich persönlich hätte mich über einen Aufschwung des Landes gefreut. Aber man kann rückblickend nun auch festhalten, dass die Leute das schlicht nicht wollten. Oder schlicht nicht konnten, aufgrund der Zwänge des täglichen Überlebens.“

Was heißt das für andere Einsätze der Bundeswehr? „Die Bundewehr ist eine Parlamentsarmee und die damalige Bundesregierung hat damit ein politisches Investment gemacht. Dieses Investment kostet Geld, Tote und Verwundete“, sagt Walpuski. „In einer idealen Welt macht man nur Investments, die gelingen. Aber da die Welt nun einmal nicht ideal ist, muss Deutschland hinschauen: ‚Was sind unsere vitalen Interessen?‘ – zum Beispiel freie Handelswege. Und wenn die bedroht sind, dann muss ich eingreifen.“ Unter diesem Aspekt wird die neue Bundesregierung sicherlich auch die laufenden Einsätze, allen voran in Mali, auf den Prüfstand stellen.

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