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Auch ohne Schulabschluss nicht asozial




Am 1. Dezember hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die neue Personalstrategie der Bundeswehr erlassen. Seitdem berichten die Medien darüber, fokussieren in den Berichten jedoch auf die Einstellung von Schulabbrechern und von EU-Bürgern in die Bundeswehr. Auch im Facebook-Auftritt des Reservistenverbandes werden diese Themen heiß diskutiert. Bei alldem geht der Blick darauf verloren, was das neue Konzept den Reservisten bringen soll. Nur auf Seite 18 von insgesamt 31 Seiten findet sich ein eigenes Kapitel zu den Reservisten.

Ein Leitartikel von Detlef Struckhof


Doch zuerst soll auf die etwas reißerische Berichterstattung in Sachen Schulabbrecher eingegangen werden. Und das mag jetzt viele überraschen: Das ist überhaupt nicht neu und bereits seit vier Jahren Praxis. Die Öffentlichkeit hat das bisher nur nicht wahrgenommen. Mit dem Aussetzen der Wehrpflicht im Sommer 2011 wurden der freiwillige Wehrdienst und der Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) eingeführt. Für beide gilt, dass kein Schulabschluss erforderlich ist. Es genügt die Erfüllung der gesetzlichen Schulpflichtzeit – je nach Bundesland sind das zwischen neun bis zwölf Jahre. Da die Bundeswehr schon immer einen Großteil ihres Zeitsoldatennachwuchses auch aus Grundwehrdienstleistenden generierte, gilt dies folglich seit der Aussetzung des verpflichtenden Grundwehrdienstes nun gleichermaßen für freiwillig Wehrdienstleistende. Die Marine zum Beispiel schickt Mannschaften ohne Schulabschluss nach erfolgreicher Grundausbildung für sechs Monate in die Bundeswehrfachschule, damit sie dort den Hauptschulabschluss erlangen. Das Ziel dahinter: Jeder soll die Bundeswehr qualifizierter verlassen, als zum Zeitpunkt der Einstellung. So propagiert es die Bundeswehr schon immer. Deshalb gibt es immer schon den Berufsförderungsdienst (BFD) und die Bundeswehrfachschulen.

Jeder hat eine zweite Chance verdient
Es ist auch nicht verwerflich, Menschen einzustellen, die nicht dem Durchschnittsbildungsstand entsprechen. Mannschaftssoldaten werden dem sogenannten Einfachen Dienst zugeschlagen. Sie verrichten einfache, wenn auch oft speziell antrainierte Tätigkeiten. Dafür ist ein gewisses Talent und eben Training erforderlich – nicht unbedingt ein bestimmter Bildungsstand. Das alles ist nicht zu verurteilen, dadurch wird die Bundeswehr auch nicht zu einer Unterschichtenarmee, wie es oft geschrieben wird. Denn viele Armeen auf der Welt handeln so. Und übrigens: Nicht jeder, der seinen Schulabschluss nicht schafft, ist dumm oder asozial. Die Gesellschaft sollte im Idealfall gar keine Schulabbrecher hervorbringen. Denn eine Mitschuld an einem nicht erreichten Schulabschluss kann auch im Umfeld eines Schülers liegen – unterschiedliche Bildungsstandards in den Ländern, mangelnde Förderung, mangelnde Zuwendung, auch mangelnder Fleiß natürlich oder zu wenig Intellekt sicherlich. Aber deshalb ist die pauschalisierte Diskussion und die teilweise reißerische Berichterstattung einiger Medien und die Kommentierung einiger Leser ungerecht. Sagt unsere Gesellschaft nicht immer, jeder hat eine zweite Chance verdient? Gerade in jungen Jahren? Ein inzwischen unstrittig positiv anerkanntes Beispiel ist unser ehemaliger Bundesaußenminister Joschka Fischer. Ohne Schulabschluss entwickelte er sich zu einem weltweit anerkannten Politiker, der übrigens ein sehr gutes Englisch spricht. Ein schrecklicher Fall hingegen sorgte im Jahr 2002 bundesweit für Aufsehen. In Erfurt lief ein Schüler Amok, weil er das Abitur nicht erhielt. Damals hatte er als Thüringer überhaupt keinen Schulabschluss in Händen, stand völlig vor dem Nichts. Der junge Mann war nicht dumm, er war verzweifelt und tickte unentschuldbar aus. Es kam zu einer Katastrophe. Thüringen hat hernach sein Schulsystem angepasst. Dennoch bleiben überall Schulabbrecher zurück – oft ohne Zukunft für den Rest ihres Lebens. Ihnen gegenüber haben wir – die Gesellschaft – eine Verantwortung. Wer vertritt unsere Gesellschaft? Zuerst der Staat mit seinen Institutionen – also auch die Bundeswehr.

Zukunftsüberlegungen machen Deutschland fit
Ob nicht deutsche EU-Bürger in den deutschen Streitkräften dienen dürfen, ist rechtlich noch nicht endgültig geklärt. In der Personalstrategie der Ministerin steht auch unmissverständlich auf Seite 18: "Außerdem wird die Bundeswehr die Möglichkeiten der Öffnung für EU-Staatsbürgerinnen und EU-Staatsbürger als Soldatinnen und Soldaten prüfen." Das Verteidigungsministerium zeigt mit dem Vorschlag also lediglich auf, dass sich Europa solchen Gedanken nicht verschließen sollte. Wer weiß, vielleicht ist das ein erster Schritt hin zu einer gemeinsamen EU-Streitkraft? Solche Überlegungen muss ein Ministerium anstellen dürfen. Genau das macht Deutschland für die Zukunft fit: Keine Denkverbote! Nicht mehr oder weniger kommuniziert Ursula von der Leyen mit ihren Ideen. Ein Grund zur Aufregung sollte dies unter überzeugten Europäern und Nato-Partnern jedenfalls nicht sein.

Reservisten bringen wichtiges Know-how
Bleiben die bisher in der Berichterstattung unberücksichtigten Reservisten. Drei Absätze auf Seite 18 des ministeriellen Papiers widmen sich dem Reservistendienst. Zuerst ist da die Cyberangriffsabwehr. "Für die im Aufbau befindlichen Cyber-Fähigkeiten der Bundeswehr bedarf es einer leistungsfähigen Cyber-Community, die von Beginn an auch mit Reservistinnen und Reservisten aufzustellen und weiter auszubauen ist." Diesbezüglich will der Reservistenverband im Jahr 2017 verstärkt – gemeinsam mit der Bundeswehr – um geeignetes Personal werben.

Mehr Flexibilität für Reservisten
Das Strategiepapier spricht auch von der gegenseitigen Anerkennung von Ausbildungsgängen. Denn daran krankt es oft. Hat ein Soldat bei der Bundeswehr eine dort verwertbare Qualifikation erreicht, gilt diese oft nicht im Zivilen und umgekehrt. Hier gibt es viel Handlungsbedarf. Doch Attraktivität macht sich auch so bemerkbar: Reservisten sollen in Teilzeit dienen können und flexibel für bis zu zwölf Monate am Stück. Damit ließen sich zum Beispiel Zeiten einer Beschäftigungslosigkeit überbrücken. Arbeitgeber könnten in Zukunft finanziell honoriert werden, wenn sie einen Reservisten freistellen. Doch für diese Überlegungen lässt sich die Bundeswehr noch Zeit. Das Ministerium schreibt: "Das Personalmanagement beorderter Reservistinnen und Reservisten wird ab 2020 mit einem eigenen Konzept zur Personalentwicklung hinterlegt." Es gibt also Licht zu sehen am Ende des Tunnels. Lange überfällig sind konkrete Konzepte. Immerhin werden sie mit einem festen Ziel angegangen. Auf die Ergebnisse können wir gespannt sein. Sie werden Verbesserungen bringen, das steht außer Frage.


Symbolbild oben: Der Satz des Pythagoras aus der
Mathematik auf einer Schultafel (Foto: Benjamin Vorhölter).

Archivfoto Mitte: Der Politiker Joschka Fischer im Jahr 1983.
Er machte ohne Schulabschluss Karriere (Quelle: Bundesarchiv).

Symbolbild unten: Ein Rekrut der Bundeswehr trainiert die
Bewegungsarten im Gelände (Foto: Jane Schmidt, Bundeswehr, flickr).

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