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Die neue Kampagne "Mach, was wirklich zählt" kommt gut an. Früher war das anders. Da war die Nachwuchswerbung der Bundeswehr oft nur peinlich.

Die Bergspitzen der Alpen glühen rosa im ersten Sonnenlicht. Beine in Jeans durchkämmen eine Wiese und eine junge weibliche Stimme aus dem Off sagt: "Ich wollte ja eigentlich Lehrerin werden. Zwischen Schule und Studium blieb da noch Zeit, mir den freiwilligen Wehrdienst bei den Gebirgsjägern anzusehen". Das Video zeigt dann das Gesicht einer jungen Frau um die 20, die blonden Locken im Nacken zusammengebunden. Sie trägt Kapuzenpulli und Outdoorrucksack, während sie in die Weite der alpenländischen Bergwelt blickt. "Jetzt gefällt es mir bei den Gebirgsjägern in Bischofswiesen aber so gut, dass ich versuchen werde, die Offizierslaufbahn einzuschlagen", lautet die Botschaft. Schnitt.

Die Kamera begleitet die junge Frau nun zum Morgenappell in den Kaserneninnenhof, dann zum Morgensport – Kniebeugen und Liegestütz – und zum Lauf im Bergwald.

In einer Szene robbt sie mit Kameraden über zerfurchte Erde unter Stacheldraht hindurch. "Das ist keine Schikane. Einige von uns müssen in den Auslandseinsatz und dafür ist es wichtig, dass wir fit sind", spricht die Stimme der Protagonistin dazu. Am Ende des Videos nimmt die junge Frau mit erschöpftem, aber stolzem Gesichtsausdruck ihren Helm ab. Aus dem Off kommt: "Wenn man seine Grenzen überwindet, denkt man sich: Wow, ich hab das wirklich geschafft, obwohl ich das nicht von mir gedacht hätte. Das ist ein richtig gutes Gefühl".

Die Protagonistin des Videos heißt Christine Keck und ist Freiwillig Wehrdienstleistende bei den Gebirgsjägern in Bischofswiesen. Sie ist eines der Gesichter der neuen Werbekampagne der Bundeswehr. Im Video wirkt sie authentisch, ihre Stimme ist klar und natürlich, wenn sie von ihrer Entscheidung erzählt, Soldatin bei den Gebirgsjägern zu werden. Auch die Bilder passen zu dem, was sie sagt. Alles wirkt stimmig: Der Dienst bei den Gebirgsjägern erscheint zwar hart, aber abwechslungsreich und spannend.

Das trifft auch auf die anderen Videos der neuen Kampagne "Mach, was wirklich zählt" zu. Sie stellen zum Beispiel einen Minentaucher, eine Eurofighterpilotin oder eine Elektronikerin vor. Anders als bei vorherigen Kampagnen der Bundeswehr ist das Echo in Öffentlichkeit und Medien diesmal mehrheitlich positiv. "Klasse gemacht!", "Krasse Typen, Respekt!" oder "Die neue Kampagne ist prima!" lauten etwa Statements auf der ?Facebookseite der Bundeswehr.

Dabei setzt die Kampagne mit ihren 30.000 Plakaten, fünf Millionen Postkarten, der Webseite und den Videos vor allem auf zwei Botschaften: Zum einen biete die Bundeswehr einen ganz besonderen und sinnvollen Job. Und zum anderen gäbe es bei ihr ungewöhnlich viele Berufe und Möglichkeiten sich weiterzuentwickeln. Jeder könne sich hier persönlich entfalten. Im Wettbewerb mit Unternehmen oder Öffentlichem Dienst möchte sich die Bundeswehr so als attraktiver Arbeitgeber im Rennen um die besten Köpfe positionieren. "Junge Menschen fragen heute immer mehr nach dem Sinn ihrer Arbeit und was sie ihnen neben einem Einkommen eigentlich bringt. Darauf haben wir starke Antworten", heißt es auf der Webseite der Bundeswehr. Antworten allerdings, denen ein entscheidendes Detail des Soldatenberufs fehlt.

In keinem der neuen Werbevideos fällt auch nur ein Schuss. "In den Spots sieht man kein einziges Mal ein Waffensystem im Einsatz. Hier wird kein realistisches Bild dessen gezeigt, was die Bundeswehr und den Beruf des Soldaten besonders macht", kritisiert Sascha Stoltenow, Reserveoffizier, Kommunikationsberater und PR-Experte. Auch auf die Frage, warum man im Ernstfall sein eigenes Leben einsetzen sollte, gäben die Videos keine Antworten, kritisiert Stoltenow. "Damit könnte genauso gut für irgendein ziviles Unternehmen oder für einen Sportverein geworben werden", sagt Stoltenow. Ein weiterer Kritikpunkt: Mit dem Motto "Mach, was wirklich zählt" werte die Bundeswehr die Tätigkeit anderer Organisationen oder Verbände ab.

Kritik kommt auch an der Auswahl der Werbebotschafter: Minentaucher, Eurofighterpilotin und Gebirgsjägerin seien Exoten, die nicht stellvertretend für den Dienst in den Streitkräften stehen könnten. Gegenfrage: Wer könnte das überhaupt?

Was der Kampagne dagegen gut gelingt, ist ironisch mit den Vorurteilen der Gesellschaft der Truppe gegenüber zu spielen. Der Spruch "Wir kämpfen auch dafür, dass Du gegen uns sein kannst" ist ein Beispiel dafür. Er steht über Tarnfleckmuster auf riesigen Postern in deutschen Großstädten oder prangt auf breiten Werbebannern im Internet. Der Satz regt zum Nachdenken an, ist vielschichtig und so hintergründig, dass man ihn der Bundeswehr gar nicht zutrauen würde. Er bedeutet im Klartext: "Soldaten verteidigen die Werte Deutschlands, auch die Meinungsfreiheit". Das kommt nicht moralinsauer daher, sondern leichthändig und damit überzeugend. Auf Facebook gibt es dafür viel Beifall: "Der Marketingbeauftragte hat einen Schulterklopfer verdient. Wirklich gutes Statement", heißt es zum Beispiel. Auch der Spruch "Krisenherde löschst Du nicht mit Abwarten und Teetrinken" stellt die Bundeswehr klar als Krisenmanagerin in einer Welt in Aufruhr dar. Mit einem schmissigen Spruch kommentiert die Bundeswehr auch die Tatsache, dass sich jugendliches Engagement heute hauptsächlich im Internet zeigt: "Was sind schon 1.000 Freunde im Netz gegen einen Kameraden?" fragt sie auf breiten Werbebannern etwa auf der Startseite der beliebten Videoplattform Youtube. Hier trifft die Bundeswehr sehr wahrscheinlich auf die anvisierte Zielgruppe.   

Für das Verteidigungsministerium ist die Kampagne vor allem finanziell ein großes Projekt. Sie kostet 10,6 Millionen Euro und ist damit so teuer wie selten zuvor. Hinter dem Werbefeldzug steht die Düsseldorfer Agentur Castenow, die bereits schon für Firmen wie Fressnapf, Targobank oder Rewe geworben hat. Sie ist auf "Employer Branding" spezialisiert. So heißt die Imagepolitur für ein namhaftes Großunternehmen in der Sprache der Public-Relations-Experten.

Im "Employer Branding" war die Bundeswehr nicht immer gut. Sie hat sich sogar schlimme Ausfälle geleistet. Im Oktober vergangenen Jahres wurde die Kampagne "Frauen bei der Bundeswehr" nur einen Tag nach dem Start vom Verteidigungsministerium gestoppt. Vordergründig war ein bizarrer Fehler beim Internetauftritt der Grund für den Abbruch. Wollte man den Link zur Kampagne auf Facebook posten, erschien im Vorschaubild Werbung für "wisch&weg"-Haushaltstücher. Das war aber nur das Tüpfelchen auf dem i.

Schon vorher war die klischeehafte Darstellung von Frauen auf den Plakaten der Bundeswehr heftig kritisiert worden. Ein Motiv zeigte zum Beispiel eine junge Frau, die sich mit perfekt manikürten Fingernägeln vor ihrem Schuhregal die Kampfstiefel schnürt. Im Regal hinter ihr reihen sich High-Heels, Ballerinas, Sneakers und Rollschuhe aneinander.

Das Plakat sollte zeigen: Die moderne Soldatin interessiert sich nicht nur für das Militärische, sondern macht in ihrer Freizeit, was eine junge Frau von heute eben so unternimmt. Die Bundeswehr erklärte die Idee dahinter folgendermaßen: "Gezielte und erfolgreiche Werbung muss sich an den Interessen und Bedürfnissen der Zielgruppe orientieren". Die Protagonistinnen und Szenen ?sollten authentisch und lebensnah wirken und dabei die Botschaft transportieren: "Ich bin eine erfolgreiche Soldatin, aber ich habe auch Freizeit und meinen eigenen Stil". Bei vielen kam dagegen aber an, dass die Bundeswehr Frauen einen Schuhtick unterstellt. Und, einmal mehr, es nicht für nötig hielt, die Realität des Soldatenberufs mit seinen Gefahren und Herausforderungen darzustellen.  

Schon immer war es für die Bundeswehr schwer, bei ihrer Personalwerbung den Spagat zwischen der Präsentation als interessanter Arbeitgeber und dem Dienst an der Waffe zu meistern. Schon in den 1970er Jahren beschwerte sich Bundespräsident Walter Scheel darüber, dass sich die Bundeswehr in ihrer Werbung als "sportliches Freizeitunternehmen" oder "staatliche Ausbildungsstätte für hochqualifizierte technische Berufe" darstellte. Und der Wehrbeauftragte äußerte Bedenken gegen die Gleichmacherei von Militärdienst und zivilem Jobdenken. Dies könnte zum Unverständnis gegenüber dem Grundprinzip von Befehl und Gehorsam führen. Das war zu einer Zeit, als die Bundeswehr mit Aufklebern und Buttons warb, auf denen ein türkiser Igel mit der Aufschrift "Ganz schön auf zack" oder eine Giraffe mit dem Slogan "Immer den nötigen Überblick" zu sehen waren. Das war vor allem eines: albern.

Zuletzt hatte das Ministerium mit dem Slogan "Wir.Dienen.Deutschland." um Nachwuchs geworben. Die drei Wörter wirkten wie in Stein gemeißelt. Jugendsprache hört sich anders an. Besonders der Begriff "Dienen" schien wenig attraktiv oder zeitgemäß. Viele junge Menschen können damit schlicht nichts anfangen. Und wofür sollte "Deutschland" stehen: Für Werte wie Freiheit und Demokratie? Für die deutsche Gesellschaft? Für seine Wirtschaftsstärke?

Dazu kamen oft ungelenke, zuweilen sogar lächerliche Werbefilme mit Soldaten als Hauptfiguren, die entweder gar nicht als solche zu erkennen waren oder ihren Text wie auswendig gelernt aufsagten. Vergangenen Herbst zum Beispiel brachte die Bundeswehr drei Videos heraus, in denen Bundeswehrangehörige beim Reiten, Mountainbikefahren oder  Judo-Training gefilmt wurden. Das "Reitervideo" zeigte eine gelernte Hotelfachfrau und Offizieranwärterin, die  über einen Nordseestrand galoppierte und verträumt in die Abendsonne blickte. Dazu sagte sie etwas gestelzt: "Egal, wo ich bin, ich bin immer gern geritten".

Oder Sätze wie "Ich bin gerne bei der Bundeswehr, weil ich vielseitig eingesetzt werden kann und der Beruf superviele Facetten hat. Ich kann im Büro arbeiten, aber auch Sport machen und schießen gehen" oder Sinnfreies wie "Es kommen jeden Tag Menschen dazu, dann gehen wieder welche, das ist es, was es im Zivilen nicht gibt". Das war unfassbar schlecht.

Demensprechend waren auch die Reaktionen auf die Videos: "Ich sehe keine Einsatzbilder, ich sehe keine Uniform, was soll das Ganze?" war ein vernichtendes Statement auf Facebook. Oder: "Insgesamt gehen mir die Spots einfach komplett an der Realität vorbei. Das ist so weichgewaschen. Kein Wunder, dass wir Nachwuchsmangel haben." Andere sprachen von einer Text-Bild-Schere oder von einem Spot, der eher für Ferien auf dem Reiterhof statt für eine Karriere bei der Bundeswehr werbe.

Andere Nationen haben nichts übrig für diese weichgespülte Darstellung des Soldatenberufs. Ihre Skrupel, Krieg, Waffen oder die persönliche Gefahr im Einsatz darzustellen, sind eher gering. Meister in der Produktion pathetischer Videoclips sind die US-Amerikaner. Sie stilisieren ihre Soldaten zu aufrechten Helden. In den Werbevideos fahren zu anschwellender Musik Panzer übers Land, stürmen Infanteristen Häuser oder springen Fallschirmjäger aus Helikoptern.

Subtiler gehen die Skandinavier ans Werk. Die schwedische Armee löste vor ein paar Monaten mit einer Kampagne, die sie mit "Who cares?" (Wen kümmerts?) überschrieb, eine breite Diskussion im eigenen Land aus. Die PR-Strategen des schwedischen Militärs stellten eine rechteckige, mannshohe Box in die Fußgängerzone von Stockholm. Ein Passant ließ sich so lange in dem schmucklosen, weiß getünchten Raum im Inneren der Box einschließen, bis ihn ein Freiwilliger ablöste. Der wartende Versuchsteilnehmer in der Box wurde gefilmt und per Livestream auf eine ganz in der Nähe angebrachte Leinwand und ins Internet übertragen. Die Frage war: Würden sich Menschen finden, die den Wartenden auslösen und damit für einen Wildfremden ihre Freizeit, ihre Freiheit und ihren Komfort opfern würden?

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In den 89 Stunden des Experiments fanden sich 74 Teilnehmer. Im Netz stieß die Kampagne auf ungleich größere Resonanz: In wenigen Tagen besuchten 100.000 Besucher die entsprechende Seite der schwedischen Armee. Sie hatte geschafft, was sich jeder PR-Experte wünscht: Die Kampagne wurde "viral", das heißt, sie verbreitete sich ohne weiteres Zutun in den Sozialen Medien. Der Erfolg zeigte sich auch bei den Bewerberzahlen: Es meldeten sich anschließend doppelt so viele wie erhofft für den Dienst in den Streitkräften.

So weit ist die Bundeswehr noch nicht. Die von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vorgegebene Zielmarke von 60.000 Bewerbern wurde im vergangenen Jahr verfehlt. Vielleicht hilft ja die neue Kampagne. Mehr als 3.000 Nutzer haben auf Facebook dem Spruch "Wir kämpfen auch dafür, dass Du gegen uns sein kannst" immerhin schon ein "Like" – die zentrale Währung in den Sozialen Netzwerken – gegeben.  Das neue Werbevideo mit dem Minentaucher fanden mehr als 1.000 Facebooknutzer gut. Das ist immerhin ein Anfang.

Dr. Julia Egleder

Bild oben:
Kampgnenmotiv "Mach, was wirklich zählt".
(Quelle: Bundeswehr)

Zweites Bild:
Christine Keck ist Gebirgsjägerin. Eines der neuen Werbevideos
zeigt sie als naturverbundene  junge Frau, die gerne als Freiwillig
Wehrdienstleistende dient.
(Quelle: Bundeswehr)

Drittes Bild:
Die Videos der neuen Kampagne sind professionell gedreht,
die Protagonisten wirken authentisch und sympathisch.
(Quelle: Bundeswehr)

Viertes Bild:
Mit diesem Motiv wollte das Verteidigungsministerium gezielt Frauen
ansprechen. Die intendierte Botschaft: Eine Soldatin ist eine moderne
Person mit vielen Interessen. Das ging nach hinten los. Wegen des
vermeintlich antiquierten Frauenbilds wurde das Plakat heftig kritisiert
und die Kampagne gestoppt. (Quelle: Bundeswehr)

Bild unten:
Werbung im Kontext: ein Mann geht an einem Bahnhof an
einem Plakat der Bundeswehr vorbei. (Foto: Ruwen Kopp)

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