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Die Entsendung von acht Hubschraubern nach Mali hat für die Heeresflieger drastische Folgen.

von Marco Seliger

Die Bundeswehr hat mit dem Transport von acht Hubschraubern NH90 und "Tiger" nach Mali begonnen, obwohl das Verteidigungsministerium beide Helikoptermuster als grundsätzlich "nicht einsatzreif" beschreibt. So steht es in einem Bericht, der Ministerin Ursula von der Leyen Ende November vorgelegt wurde. Das bedeutet, die Hubschrauber besitzen noch nicht alle Fähigkeiten, die sie eigentlich haben müssten. Dennoch sollen sie nun vom Sommer an für ein Jahr zum Retten und Bergen verwundeter Soldaten, zum Lasten- und Personentransport sowie zum Schutz von Bodentruppen im Rahmen der UN-Mission Minusma eingesetzt werden. Der Einsatz findet unter schwierigen klimatischen Bedingungen mit Hitze, Staub und monsunartigen Regenfällen in einem Land statt, in dem sich die Sicherheitslage zusehends verschlechtert.

Die Entsendung der acht Helikopter hat für die Bundeswehr massive Auswirkungen. So muss insbesondere der  Übungsbetrieb der drei Hubschrauberverbände in Faßberg, Niederstetten und Fritzlar stark reduziert werden. Schon heute sind für den Ausbildungs- und Grundbetrieb in Deutschland zu wenige Hubschrauber verfügbar. Ein großer Teil der Besatzungen erreicht deshalb nicht die für den Erhalt der Fluglizenz, geschweige denn die für einen Auslandseinsatz vorgeschriebene Flugstundenzahl. Durch die Mission in Mali droht sich dieser Zustand weiter zu verschärfen. Die Regenerationsfähigkeit der Heereshubschrauberflotte und der Besatzungen werde noch einmal deutlich schrumpfen, sagt Reinhard Schlepphorst, Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Transport- und Hubschrauberbesatzungen der Bundeswehr. Ein Sprecher des Heeres bestätigt diese Einschätzung. Der Aufwuchs an "einsatzbefähigten Luftfahrzeugbesatzungen" parallel zum laufen Einsatz werde aufgrund der dann limitierten Verfügbarkeit an Luftfahrzeugen und "weiterbildungsberechtigten Luftfahrzeugbesatzungen" nur eingeschränkt möglich sein, erklärte er. Im Klartext: Die Bundeswehr kann die Helikopter nur unter Inkaufnahme erheblicher Konsequenzen für ihre künftige Einsatzbereitschaft nach Mali schicken.

Einschränkungen im Übungsbetrieb
Die geringe Klarstandsrate von NH90 und "Tiger" ist seit Jahren in der Bundeswehr ein Problem. Sie führt dazu, dass nur wenige Hubschrauber fliegen können. Um das Problem in den Griff zu bekommen, hat das Ministerium vor mehr als zwei Jahren die "Task Force Drehflügler" gebildet. Wie es in Berlin heißt, zeige die Einrichtung der Task Force nun Wirkung. So habe sich die durchschnittliche Verfügbarkeit des Kampfhubschraubers "Tiger" im Jahr 2016 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um vier Maschinen von 23 auf 27 erhöht und sich die Einsatzbereitschaft von sieben auf zwölf Maschinen nahezu verdoppelt. Dennoch könne der "Tiger" nur für einen zeitlich und örtlich begrenzten Auftrag verwendet werden und nur dann, wenn alle verfügbaren Ressourcen darauf konzentriert würden. Im schlimmsten Fall führe der Mali-Einsatz dazu, dass der Übungsbetrieb beim "Tiger"-Regiment in Fritzlar so gut wie eingestellt werden müsse, sagt Reinhard Schlepphorst. Nach Heeresangaben werde es beim Übungsbetrieb voraussichtlich in diesem als auch im nächsten Jahr zu Einschränkungen kommen. Konkrete Aussagen ließen sich dazu aber erst im Laufe dieses Jahres treffen.

Wartungsintensiver NH90
Besonders der NH90 erweist sich immer noch als sehr reparaturanfällig und wartungsintensiv. "Die geringe materielle Einsatzbereitschaft wird nach wie vor durch die hohe Anzahl von Vorserienhubschraubern, durch fehlende Ersatzteile sowie insbesondere durch fehlende Kapazitäten zur Durchführung der zu aufwändigen Wartungs- und Inspektionsmaßnahmen beschränkt", schreiben die Autoren des ministeriellen Berichts.  Für diesen Zustand gibt es mehrere Gründe. Zum einen verfügt die Bundeswehr nach wie vor nicht über genügend NH90-Techniker. Zum anderen, so klagen ranghohe Offiziere, brauche die Industrie zu lange für die Lieferung von Ersatzteilen sowie für Umrüstungen und Inspektionen.

Airbus bestreitet Schuld – zumindest teilweise
Der Hersteller Airbus Helicopters bestreitet das jedoch. Auf Nachfrage teilte ein Sprecher mit, sein Unternehmen liefere Ersatzteile auf Basis von Bestellungen der Bundeswehr. "Liefertreue" sei "nur in Ausnahmefällen ein Grund für einen reduzierten Klarstand". Auch für die lange Dauer von Inspektionen und Umrüstungen einzelner Maschinen sieht Airbus die Schuld nur teilweise bei sich. Das Unternehmen könne diese Arbeiten "planerisch innerhalb von neun Monaten durchführen". Von 22 NH90, die für einen Auslandseinsatz überhaupt infrage kommen, stehen durchschnittlich acht zur Verfügung.

Zu wenig Flugstunden
Der geringe Einsatzklarstand hat vor allem für das fliegende Personal drastische Folgen. Sie lassen sich exemplarisch am Transporthubschrauberregiment 10 in Faßberg beschreiben. Der Verband ist mit 40 NH90 ausgerüstet, für die es zirka 80 Piloten gibt. Um den Einsatzstatus "Combat ready" zu erhalten, benötigt jeder Pilot nach Aussage von Reinhard Schlepphorst pro Jahr etwa 120 reale Flugstunden. Hinzu kommen Trainingszeiten im Flugsimulator. Nach Angaben von Soldaten aus Faßberg hätten dem Regiment im vorigen Jahr jedoch nur ungefähr 1.500 Flugstunden zur Verfügung gestanden. Da nicht alle 80 Piloten in Faßberg auf dem NH90 ausgebildet sind, sondern einige bis Ende 2016 noch auf dem Vorgänger, der Bell UH-1D, flogen, lag das durchschnittliche Flugstundenbudget der NH90-Piloten bei etwa 60. Luftfahrzeugführer, die zum Einsatz in Mali befähigt sind, müssen nach Heeresangaben jedoch "in den letzten zwölf Monaten vor dem Einsatz auf dem jeweiligen Luftfahrzeugmuster 140 Realflugstunden absolviert haben". Derzeit, so teilte ein Sprecher des Heeres mit, gebe es deshalb nur zehn NH90-Besatzungen, die für einen Einsatz infrage kämen. Exakt diese Anzahl werde in Mali auch gebraucht.

Negative Folgen für die Heeresflieger
Auch beim "Tiger" sieht die Personallage nicht besser aus. Nach Heeresangaben sind neun Besatzungen "einsatzbefähigt", acht würden für die Mission benötigt. Allerdings handelt es sich vor allem um Fluglehrer, die nun zur Ausbildung weiterer Besatzungen in Deutschland fehlen. Der Inspekteur des Heeres soll nach Angaben von Bundestagsabgeordneten vom Einsatz der Helikopter in Mali abgeraten haben, sei aber vom Ministerium überstimmt worden. Die Konsequenzen für die Regenerations- und damit für die künftige Einsatzfähigkeit der Heeresflieger seien von der Heeresführung in Strausberg als erheblich beschrieben worden, heißt es. Das Ministerium habe das jedoch im Vergleich zu den Folgen, die eine Absage der Hubschrauber für den gesamten Mali-Einsatz und Deutschlands Engagement in den Vereinten Nationen gehabt hätte, als nachrangig betrachtet.

Politik und Bundeswehrführung haben erheblichen Anteil an der Situation der Heeresflieger. Die Entwicklungs- und Lieferverzögerungen sowie die technischen Probleme bei NH90 und "Tiger" waren lange absehbar. Dennoch wurde an der Entscheidung festgehalten, die Vorgängermodelle Bell UH-1D und Bo-105 parallel zur Einführung der neuen Muster außer Dienst zu stellen. Die wenigen einsatzbereiten Besatzungen werden sich nun in Mali "die Klinke in die Hand geben", während im gleichen Zeitraum in Deutschland 150 Hubschrauber-Piloten wegen zu geringer Übungspraxis ihre Fluglizenz verlieren werden.
 

Bild oben: Der Transporthubschrauber NH90
soll in Mali zur Bergung verwundeter UN-Soldaten
sowie zum Lasten- und Personentransport eingesetzt werden
(Foto: Bundeswehr/Kai La Quatra).

Bild unten: Der Kampfhubschrauber "Tiger"
soll den NH90 eskortieren und schützen,
im Notfall aber auch bedrängten Bodentruppen zu Hilfe kommen
(Foto: bundeswehr/ RC North PAO).

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