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Wer einen Einblick in die Finanzen des sogenannten Islamischen Staats gewinnen will, braucht nur wenige Mausklicks. So findet sich zum Beispiel auf der Website der Terrorforscher Aaron Zelin und Aymenn Jawad al-Tamimi die Bilanz der IS-Kämpfer in der ostsyrischen Provinz Deir ez-Zor für den Januar 2015: Gesamteinnahmen von 8,5 Millionen Dollar stehen Ausgaben von 5,6 Millionen Dollar gegenüber. Knapp die Hälfte der Einnahmen stammt aus nicht näher bezeichneten "Beschlagnahmungen" in der Region, je rund ein Viertel aus Steuereinnahmen und aus dem Ölgeschäft. Von den Ausgaben entfielen etwa zwei Drittel auf militärische Zwecke und Personalkosten für Kämpfer und Geheimpolizei. Verwaltungskosten und Hilfen für die lokale Bevölkerung verschlangen ein Fünftel der Einnahmen.

Ausbeutung der besetzten Gebiete
Die Dokumente zeigen, dass der IS für seine Terrorherrschaft auf enorme Finanzmittel angewiesen ist. "Der Erfolg des IS hängt entscheidend davon ab, dass er seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommt", sagt Jake Shapiro, der an der Universität Princeton die Strukturen der Terrororganisation erforscht. Kämpfer müssen bezahlt, Waffen gekauft, lokale Honoratioren bestochen werden. Gelingt das nicht mehr, sind auch die militärischen Erfolge in Gefahr. Für diejenigen, die den Terror bekämpfen wollen, heißt das: Wer den IS besiegen will, muss seine Finanzquellen austrocknen. Nur ist das leichter gesagt als getan. Denn die professionelle Buchhaltung und die Einnahmequellen des IS zeigen, dass die Selbstbezeichnung der Terroristen als "Staat" eine gewisse Berechtigung hat. Anstatt auf großzügige Spenden befreundeter Staaten oder reicher Sympathisanten angewiesen zu sein, wie es lange etwa bei der Terrororganisation Al Qaida üblich war, bestreitet der IS einen Großteil seiner Einnahmen mit der Ausbeutung besetzter Gebiete. Schutz- und Lösegelderpressung, Zwangssteuern, Enteignungen und der Schwarzmarkthandel mit Öl und Getreide bilden eine nahezu autarke Terror-Wirtschaft. Durch diese Strukturen ist der IS nicht nur reicher als andere Terrorgruppen. Er ist auch widerstandsfähiger gegen Versuche von außen, seine Geldquellen trocken zu legen. Allerdings sind auch die IS-Terroristen finanziell nicht unverwundbar. So hat etwa die türkische Regierung in den vergangenen Jahren ihre Anstrengungen im Kampf gegen den Ölschmuggel, den der IS über die Grenze mit der Türkei betreibt, massiv erhöht. Allein im Jahr 2014 beschlagnahmten die Behörden nach eigenen Angaben etwa 80 Millionen Liter geschmuggelte Ölprodukte, davon 20 Millionen Liter Rohöl. Das ist deutlich mehr als im Jahr zuvor.
Die Herausforderungen sind allerdings gewaltig. Schätzungen zufolge verdient der IS mehrere Hundert Millionen Dollar im Jahr mit dem Verkauf von Rohöl und Treibstoff, der in mobilen Raffinerien hergestellt wird. Die Nachfrage ist ungebrochen groß: Andere Rebellengruppen, die kurdischen Peschmerga und selbst das Assad-Regime sollen den Terroristen Öl abgekauft haben.

Geldwäsche
Allerdings kommt die Produktion aufgrund amerikanischer und russischer Luftangriffe immer häufiger zum Erliegen. Die Einschätzung, dass den Terroristen wegen der Luftangriffe langsam das Geld ausgehe, wie der amerikanische Außenminister John Kerry auf der Münchner Sicherheitskonferenz sagte, dürfte aber zu optimistisch sein. Noch sind viele Ölfelder aktiv und den türkischen Behörden gelingt es längst nicht immer, die Lieferketten der Terroristen zu unterbrechen. Zu wenige Erkenntnisse gibt es über Schmuggelrouten, Mittelsmänner und Unterstützer in den Nachbarländern. Um sein Geld zu waschen, bedient sich der IS Techniken, die aus Mafiafilmen bekannt sind. Die simpelste Vorgehensweise geht so: Legale Geschäfte, in denen traditionellerweise viel Bargeld anfällt, werden zum Reinwaschen des Geldes genutzt. So ist es zum Beispiel möglich, dass ein Sympathisant einer Terrorzelle in Europa ein Restaurant betreibt und in regelmäßigen Abständen Geld aus illegalen Geschäften der Terroristen mit seinen gewöhnlichen Einnahmen zur Bank bringt. Um größere Geldbeträge zu verschleiern, spekulieren die Finanzbeauftragten des IS auch an der Börse – etwa  auf sinkende oder steigende Öl- und Getreidepreise.

OECD bekämpft die Geldströme mit eigener Task Force
Internationale Fahnder kommen dem IS aber zunehmend auf die Schliche. In der Financial Action Task Force (FATF), die bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris angesiedelt ist, bekämpfen 30 Mitarbeiter die Terrorfinanzierung des IS. Sie arbeiten globale Richtlinien für Finanztransaktionen aus und setzen sie durch. Hierzu gehört etwa, die Finanzierung terroristischer Gruppen und Individuen als eigene Straftat zu kriminalisieren, was in vielen Ländern lange nicht der Fall war. Ein wichtiges Instrument sind auch Finanzsanktionen gegen Personen, die nach den "Blacklists" der UN oder einzelner FATF-Mitgliedstaaten im Verdacht stehen, Terrorismus zu finanzieren. Insbesondere das Einfrieren von Konten spielt hier eine große Rolle, aber auch Richtlinien für Finanzinstitutionen, die diese verpflichten, Transaktionen?zu unterbinden, die möglicherweise der Zahlung von Lösegeldern dienen.

Banken stellen Arbeit in besetzten Gebieten ein
Um die Regeln wirksam zu machen, müssen Banken und Versicherungsgesellschaften nach dem sogenannten "Know-your-customer"-Prinzip das Verhalten ihrer Kunden genau beobachten und ihre elektronischen Überwachungssysteme für Geldströme aufrüsten, um verdächtige Transaktionen schnell zu identifizieren. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Transaktionen, die keinen erkennbaren wirtschaftlichen Hintergrund haben, kostenintensiv sind, aber wirtschaftlich sinnlos erscheinen, oder erkennbar vom üblichen Finanzverhalten des Kunden abweichen. Im Kampf gegen die Geldwäsche des IS und anderer Terrorgruppen hat die FATF durchaus Erfolge zu verzeichnen. Die überwiegende Mehrheit der FATF-Mitglieder und Beobachterstaaten hat die Richtlinien mittlerweile umgesetzt. Im oder nahe dem Herrschaftsgebiet des IS im Irak haben einige Banken ihre Arbeit beispielsweise ganz aufgegeben – teils, um die Sicherheit ihrer Mitarbeiter zu gewährleisten, aber auch, um den Terroristen den Zugang zum internationalen Finanzsystem abzuschneiden.

Geldströme kappen ist schwierig
Allerdings gibt es nach Erkenntnissen der Ermittler nach wie vor Banken im IS-Herrschaftsgebiet, die über das internationale Zahlungssystem Swift ungehinderten Zugang zum Finanzsystem haben. Über Swift sind Finanzinstitute weltweit miteinander vernetzt. Diesen Zugang komplett zu kappen, ist allerdings schwierig: Einerseits ist Swift ein Privatunternehmen, dessen Management ungern in den Ruf der Politisierung kommen will. Andererseits kann man selbst im IS-Herrschaftsgebiet nicht davon ausgehen, dass jede Banktransaktion der Terrorismusfinanzierung dient. Ein Ausschluss der dortigen Banken vom Swift-System würde also auch für gewöhnliche Bewohner den Zugang zum Finanzsystem kappen. Auf positive Entwicklungen verweist die FATF in Entwicklungsländern. In Somalia flossen etwa Erträge aus der Piraterie den Ermittlern zufolge auch in die Terrorfinanzierung. Bankmitarbeiter in den Nachbarländern, etwa in Kenia, seien mittlerweile misstrauischer, wenn jemand versuche, größere Geldbeträge einzuzahlen. Kann jemand nicht erklären, woher das Geld stamme, melden die Mitarbeiter den Fall den Behörden, die dafür eine eigene Abteilung geschaffen haben. Laut FATF fällt es den Piraten in Somalia mittlerweile deutlich schwerer, Geld außer Landes zu schaffen.

Nicht jeder Verurteilte ist mit Sicherheit Terrorist
Die Kehrseite ist, dass Finanzgeschäfte durch die FATF-Regeln auch für unbescholtene Bürger schwieriger werden. Zum Beispiel ist es kompliziert und teuer, Geld von Deutschland nach Somalia zu schicken. Auch die Pläne der Bundesregierung zur finanziellen Inklusion, die es etwa Flüchtlingen erleichtern sollen, Konten zu eröffnen, laufen den Anti-Terror-Finanzgesetzen zum Teil zuwider. Sie erfordern, dass auch Menschen ohne gültige Ausweispapiere oder Kredithistorie Zugang zu einem Konto bekommen – eine Voraussetzung, die dem "Know-your-customer"-Prinzip zuwiderläuft. Zudem sind Erfolge wie in Kenia die Ausnahme. So haben nur 33 von 194 Mitglieds- und Beobachterstaaten der Financial Action Task Force jemals eine Verurteilung für Verbrechen im Zusammenhang mit Terrorfinanzierung ausgesprochen. Das sind weniger als 17 Prozent. Zudem bestehen oft erhebliche Zweifel, ob es sich bei den Verurteilten tatsächlich um Terrorfinanziers handelt – oder ob das entsprechende Land die Richtlinien benutzt, um Störenfriede hinter Gitter zu bringen.

Saudi-Arabien fasst Terrorstraftaten weit
So hat Saudi-Arabien in den vergangenen fünf Jahren 863 Urteile wegen Terrorfinanzierung verhängt, mehr als jedes andere Land und fast neunmal so viele wie die Vereinigten Staaten. Die FATF-Fahnder, die das Land als Hotspot der Terrorfinanzierung betrachten, würden das gern als Erfolg feiern. Sie räumen aber ein, dass sie oft nicht sagen können, ob die Urteile die Richtigen treffen: "Wir müssen noch besser verstehen, wer da eigentlich verurteilt wird", sagt David Lewis, der die FATF leitet. Menschenrechtsorganisationen fürchten, dass die Gesetze vor allem gegen Aktivisten aus der Zivilgesellschaft in Stellung gebracht werden. "Terrorismus" ist in Saudi-Arabien außerordentlich weit gefasst, es reicht schon die "Beleidigung der Reputation des Staates" für einen Terrorverdacht.

Sind Namen bekannt, kann schnell gehandelt werden
Dass es bisher nur so wenige Erfolge im Kampf gegen die Terrorfinanzierung zu verzeichnen gibt, liegt auch daran, dass es außerordentlich schwierig ist, terroristische Finanztransaktionen zu identifizieren. So berichten Bankiers, dass die automatische Überprüfung von Transaktionen auf Geldwäsche-Verdachtsmomente zwar einerseits sehr einfach ist, wenn die IT-Infrastruktur dafür in den Banken steht. Diese liefere dann andererseits aber viel zu viele Anhaltspunkte, denen die Behörden gar nicht umfassend nachgehen könnten. Das liegt vor allem daran, dass sich die Kriterien für "auffällige" Transaktionen nicht ausreichend eingrenzen lassen. "Wenn uns die Ermittler Namen nennen, können wir viel tun", sagt der Experte einer großen Bank. In solchen Fällen komme es dann darauf an, schnell zu reagieren, damit die betroffene Person nicht Verdacht schöpft und das Konto leer räumt, bevor es eingefroren werden kann.

Anschläge wie in Paris sind nicht teuer
Terroristen allein anhand der Spuren zu identifizieren, die sie im internationalen Zahlungsverkehr hinterlassen, halten die Banken für illusorisch. Denn die Terroristen, die im Westen am meisten Schaden anrichten, hinterlassen wenig oder gar keine Spuren im Finanzsystem. Das gilt auch für die Attentäter von Paris. Europäische Terrorzellen finanzieren sich nach den Erkenntnissen der Ermittler vor allem durch kleinkriminelle Aktivitäten wie den Verkauf geschmuggelter Zigaretten oder gefälschter Turnschuhe, kleine Raubüberfälle oder den lokalen Drogenhandel. "Ein Anschlag wie in Paris ist nicht teuer", sagt die Terrorexpertin Louise Shelley von der George Mason University in Washington D.C. Ein paar tausend Euro für Waffen vom Schwarzmarkt, selbstgemachten Sprengstoff und den ein oder anderen Mietwagen seien schnell erwirtschaftet, insbesondere wenn die Täter ohnehin aus dem kleinkriminellen Milieu stammen. Manchmal ist die Finanzierung eines Terrorakts noch nicht einmal illegal: "Die Charlie Hebdo-Attentäter haben ein Auto verkauft und einen Kredit aufgenommen", sagt Shelley. Daran sei an sich eben noch nichts Verdächtiges.

Beliebtes Zahlungsmittel: Prepaid-Kreditkarten
Interessanter wird es, wenn die Täter das Geld ausgeben. Die Pariser Attentäter nutzten dafür zum Beispiel Prepaid-Karten, die man mit einer bestimmten Summe aufladen und zumindest in Frankreich bisher noch verwenden kann, ohne einer Bank seine Personalien mitteilen zu müssen. Die französischen Behörden wollen die Ausgabe der Karten daher nun strenger regulieren. Der anonyme Gebrauch soll nicht länger möglich sein. Auch die Financial Action Task Force hat mit der Analyse von Prepaid-Zahlungen schon Erfolge erzielt, insbesondere bei der Identifikation ausländischer Kämpfer, die nach Syrien reisen, um sich dem IS anzuschließen. Diese Kämpfer hatten häufig Prepaid-Karten bei sich, die sie noch in der Heimat erworben und aufgeladen haben. Benutzen sie diese dann an der syrischen Grenze, werden die Ermittler stutzig – und kommen dem Möchtegern-Terroristen möglicherweise auf die Schliche.

Militärische Maßnahmen erforderlich
Trotz dieser Erfolge wird die Verfolgung von Finanzströmen allein den Terrorismus kaum aufhalten. "Beim Kampf gegen den IS wird die Welt nicht um weitere militärische Maßnahmen herumkommen", vermutet Terrorexpertin Shelley. Selbst wenn die Ölquellen versiegen sollten, werde der IS noch lange Zeit Wege finden, seinen Terror in der Region zu finanzieren.


Lena Schipper
 
Bild oben: Der selbsternannte Islamische Staat gibt sich
in seinen Videobotschaften revolutionär
(Foto aus einem IS-Propagandavideo auf youtube.com).

Bild unten: Die meist illegalen Geldquellen des selbsternannten
Islamischen Staats im Überblick (Grafik: "loyal", Weltbühne).

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