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Aus der ‚loyal‘: Das Versprechen des Verderbens




Der IS ist im Irak entstanden und muss vor allem dort bekämpft werden. Deutschland könnte dabei mehr tun, schreibt Omid Nouripour, Sprecher für Außenpolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, in der aktuellen Ausgabe der 'loyal'.

Der Irak war ein Land, in dem das Leben nur noch das Versprechen des Verderbens bereithielt, in dem gegenwärtig nichts als fortwährend grausamer Tod herrschte.“ So beschreibt der Erzähler in Fawwaz Haddads Roman "Gottes blutiger Himmel" den Irak, wie er ihn vor zehn Jahre erlebte, nahe dem Höhepunkt des Aufstandes gegen die von den Amerikanern eingesetzte Übergangsregierung.

Heute hören wir vom Irak in erster Linie als der Heimat vom IS. Die Dschihadistenorganisation, die im Irak und in Syrien ein Kalifat ausgerufen hat und relevante Territorien in den beiden Staaten okkupiert, ist eine irakische Organisation. Sie ist aus dem irakischen Ableger von Al-Qaida hervorgegangen, einer der wichtigsten Gruppen im Aufstand gegen die US-geführte Invasion und die irakische Übergangsregierung. Eine politische Strategie gegen den IS muss daher in dem Land ansetzen, in dem die Organisation verwurzelt ist. Barack Obama hat im Kampf gegen den IS vor fast zwei Jahren eine "Iraq first"-Strategie ausgerufen. Diese Strategie ist richtig, wurde aber bisher weder von den USA noch von der deutschen Bundesregierung ernsthaft in Angriff genommen.

Dies gilt um so mehr, als der Irak heute, besonders im Vergleich zur Lage vor zehn Jahren, zumindest teilweise staatliche Institutionen aufweist, auf die sich eine solche Strategie stützen könnte. Es ist heute keinesfalls mehr sicher, dass das "Versprechen des Verderbens" die einzige Perspektive des Landes ist. Ebenso wie der Aufstieg des IS aber seine Wurzeln in politischen Missständen im Irak hat, liegen dort auch wesentliche Teile der Lösung.

Islamischer Staat entstand aus Frustration
Der "Islamische Staat" entstand im Wesentlichen aus der Frustration angesichts des hochgradig unbefriedigenden politischen Übergangsprozesses. Zum einen schwand angesichts grassierender Korruption, intransparenter politischer Prozesse und dem Fehlen einer funktionierenden Justiz das Vertrauen in die Regierung. Zum anderen beförderte die Politik der Regierung die ohnehin schon existierenden Spannungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen im Land. Schließlich zeigten sich die politischen wie militärischen Institutionen nicht im Stande, der Bedrohung durch den IS effektiv Einhalt zu gebieten.

Immerhin aber gibt es Institutionen und derzeit auch ein Fenster der Möglichkeiten, um sie zu reformieren. Die Bedrohung durch den IS hat viele relevante Kräfte des Landes zumindest vorübergehend geeint, die Bürgerinnen und Bürger des Landes fordern von ihrer Regierung Reformen ein und in vielen Ländern gibt es die politische Bereitschaft für eine Unterstützung des Irak.

Korruption in den Griff zu bekommen, ist das vermutlich dringendste Problem
Die grassierende Korruption in den Griff zu bekommen, ist das vermutlich dringendste Problem des Landes. Der Irak, eines der ölreichsten Länder der Welt, steht auf dem Korruptionsindex von Transparency International auf Rang 161 von 168 Staaten. Auch das Versagen des Rechtssystems führt zu großer Unzufriedenheit. Dabei geht es zum einen um das Strafrecht, zum anderen um die so genannte "Transitional Justice", also den rechtlichen Umgang sowohl mit den Problemen aus Saddams Zeit als auch mit denen aus den turbulenten Jahren nach der US-Invasion. Dazu gehört auch der Umgang mit den ehemaligen Baath-Kadern, also den Mitgliedern von Saddams Staatsführung. Sie sind derzeit wichtige Verbündete des IS. Sie durch einen historischen Kompromiss aus diesem Bündnis herauszulösen, könnte der Organisation einen entscheidenden Schlag versetzen.

Die Spannungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen dürften der vielleicht unmittelbarste Treibstoff für den Aufstieg des IS gewesen sein. Die Politik des früheren Präsidenten Nuri al Maliki begünstigte einseitig schiitische Gruppen bei der Verteilung politischen Einflusses ebenso wie schiitisch bewohnte Gebiete beim Zugang zu staatlichen Versorgungsleistungen. Berechtigte sunnitische Proteste gegen diese Politik wurden mit harter Hand niedergeschlagen. Die Frustration der Sunniten führte dazu, dass viele von ihnen den IS unterstützten. Diese Spannungen könnten sich verstärken, wenn es um die Rückkehr in die vom IS militärisch zurückeroberten Gebiete geht. Wenn nicht alle Gruppen in ihre Heimat zurückkehren dürfen und Sunniten pauschal wegen der Taten des IS angegriffen werden, ist die Saat für einen Zyklus der Gewalt bereits gesät.

Schließlich geht es um die Stärkung der staatlichen Institutionen. Exemplarisch ist hier der Sicherheitssektorreform. Neben der eigentlichen irakischen Armee gibt es zahlreiche, fast gänzlich unabhängige schiitische Milizen, sunnitische Stammesmilizen und die verschiedenen Ausrichtungen der kurdischen Peschmerga. Dabei sind die staatlichen Einheiten nicht unbedingt die schlagkräftigsten. Dementsprechend groß ist die Herausforderung, die anderen Einheiten unter deren Kommando zu stellen.

Die kurdischen Peschmerga verdeutlichen dieses Problem exemplarisch. Sie sind nicht nach militärischen, sondern in erster Linie nach politischen Maßgaben aufgestellt, einige sind dem zuständigen Ministerium, andere politischen Parteien unterstellt. Die Soldaten werden seit Monaten nicht mehr bezahlt. Die Bewaffnung ist trotz ausländischer Waffenlieferungen häufig sehr veraltet.

Nachhaltiges Engagement der internationalen Gemeinschaft im politischen Prozess
Umso vernünftiger ist angesichts dieser Zustände ein nachhaltiges Engagement der internationalen Gemeinschaft im politischen Prozess. Auch die Bundesregierung hat ihre Möglichkeiten bei Weitem noch nicht ausgeschöpft, obwohl sie durch ihr hohes Ansehen im Land einen großen Handlungsspielraum hat. Das zeigt sich schon beim Blick auf die Besetzung der deutschen Botschaft: Ganze anderthalb deutsche Dienststellen gibt es in der Vertretung in Bagdad. In Kurdistan liefert die Bundesregierung derweil Waffen an die Regionalregierung, schaltet sich dann aber nicht hinreichend in den politischen Prozess ein. Obwohl völlig unklar ist, wie die bisher gelieferten Waffen eingesetzt wurden, sollen nun weitere Gewehre geliefert werden.

Diese Politik hilft uns nicht weiter. Wenn wir den IS besiegen wollen, müssen wir uns zuerst um den Irak bemühen. Wenn wir dieses Land stabilisieren wollen, brauchen wir eine vielfältigere, engagiertere und kleinteiligere Politik. Dazu braucht es mehr Interesse, Engagement und Geduld mit dem Irak, als die Bundesregierung bislang hat erkennen lassen."

Bild oben:
Omid Nouripour,
Sprecher für Außenpolitik der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag.
(Foto: PR)
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