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Darum braucht Finnland die Wehrpflicht

Die finnische Landesverteidigung fußt maßgeblich auf der Wehrpflicht und einer großen Zahl von gut ausgebildeten Reservisten. Der Wehrdienst ist in der Gesellschaft hoch angesehen und regelmäßige Wehrübungen sind für große Teile der Reserve verpflichtend.

Oberst i.G. Niclas von Bonsdorff, Verteidingungsattaché Finnlands in Berlin.

Foto: Victoria Eicker

finnlandwehrpflicht

Oliver Teige sprach mit dem Verteidigungsattaché der finnischen Botschaft, Oberst i.G. Niclas von Bonsdorff, über die Wehrpflicht und die Reserve in Finnland.

Herr Oberst von Bonsdorff, in welcher sicherheitspolitischen Lage befindet sich Finnland derzeit und welche Rolle spielen dabei die finnischen Streitkräfte?

Wir haben zu Beginn des Jahres 2017 die neuen verteidigungspolitischen Richtlinien für Finnland herausgegeben, in denen auch das sicherheitspolitische Umfeld Finnlands beschrieben wird. Im Großen und Ganzen leben wir natürlich in Frieden und Wohlstand in Finnland. Aber wir beobachten auch, dass sich unser Umfeld verändert hat.

Auch wenn wir derzeit nicht bedroht werden, zeigen uns doch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und der Krieg in der Ostukraine, wie schnell sich die sicherheitspolitische Lage ändern kann und wie weit die Schwelle zur militärischen Gewaltanwendung gesunken ist.

Zudem stellen wir eine erhöhte militärische Aktivität im Ostseeraum fest. Da wir sehr vom freien Seeverkehr auf der Ostsee abhängig sind, hätte ein militärischer Konflikt im Ostseeraum einen großen Einfluss auf die finnische Sicherheit und unterbundene Seewege würden die gesamte finnische Gesellschaft betreffen. Als Land, das militärisch Bündnisfrei ist, müssen wir somit für unsere eigene Verteidigung sorgen und entsprechende Potentiale bereithalten.

Finnland hält als eines der letzten europäischen Länder an der Wehrpflicht fest. Was sind die Gründe dafür und wie ist die Einstellung der Bevölkerung zur Wehrpflicht?

Aufgrund unserer geographischen Situation, mit dem Fokus auf den Ostseeraum und einer 1300 Kilometer langen Grenze zu Russland sind wir als Land mit nur rund fünf Millionen Einwohnern – bei einer ähnlichen Größe wie Deutschland – auf Streitkräfte zur Verteidigung angewiesen, die mobilmachungsfähig sind und rasch eine Vielzahl an Reservisten aktivieren können. Mit einer reinen Freiwilligenarmee wäre eine effektive Landesverteidigung nicht zu bewältigen.

Zudem wird der Wehrdienst als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden und ist sehr angesehen. Viele betrachten es als eine Ehre, Wehrdienst leisten zu können. Das zeigt sich auch in den Statistiken: 80 Prozent der Männer eines Jahrganges leisten Wehrdienst ab. Zudem zeigen nach der letzten Eurobarometer-Umfrage 95 Prozent der Finnen Vertrauen in die finnischen Streitkräfte. Diese Zahl liegt maßgeblich über dem EU-Durchschnitt von 75 Prozent (und dem von Deutschland: 66 Prozent Anm. d.Red.). Die große Wertigkeit des Wehrdienstes zeigt sich auch darin, dass Personen, die eigentlich Zurückstellungsgründe hätten, wie beispielsweise Spitzensportler, freiwillig den Dienst ableisten. Zudem führen wir regelmäßig anonyme Befragungen in den Ausbildungstruppenteilen durch, wodurch wir ein Stimmungsbild unter den Wehrpflichtigen zum Ende ihrer Dienstzeit erheben. Die Ergebnisse zeigen, dass in den Einheiten eine sehr hohe Kohäsion – also Gruppenzusammenhalt – besteht und die Wehrpflichtigen sehr zufrieden sind. 80 Prozent der entlassenen Wehrpflichtigen unterstützen die Wehrpflicht und 42 Prozent sagen sogar, dass sie auch ohne Wehrpflicht Wehrdienst leisten würden.

Wie ist der Grundwehrdienst aufgebaut und wie findet die Ausbildung der Reservisten statt?

Zweimal im Jahr werden Wehrpflichtige einberufen und der Wehrdienst dauert zwischen sechs und zwölf Monaten. Nach zwei Monaten Grundausbildung teilt sich die Ausbildung: Mannschaftssoldaten werden in den folgenden vier Monaten auf ihren Dienstposten als Kraftfahrer, Richtschütze, und ähnliches ausgebildet. Reserveunteroffiziers- und Reserveoffiziersanwärter werden nach der Grundausbildung auf die entsprechenden Lehrgänge gesandt, um dann nach sechs Monaten für ein weiteres halbes Jahr eine Führungsverwendung als Gruppen- oder Zugführer zu übernehmen. Danach werden sie zusammen mit den Mannschaften als ein Verband in die Reserve überführt.

Nach ihrer Demobilisierung werden die Reservisten anschließend zu verpflichtenden Wehrübungen herangezogen. Die Dauer der Wehrüberwachung sowie die maximal abzuleistende Zahl an Wehrübungstagen variiert abhängig von der Dienstgradgruppe. So können Mannschaften bis zum 50. Lebensjahr maximal 150 Tage ableisten, wohingegen Offiziere und Unteroffiziere der Reserve bis zum 60. Lebensjahr maximal 200 Tage Wehrübungen ableisten müssen. In der ersten Zeit in der Bereitschaftsreserve, also ungefähr bis zum 35. Lebensjahr, werden die Reservisten im Rahmen von Truppenübungen geschlossen zu Wiederholungsausbildungswochen eingezogen. Eine Übung dauert in der Regel rund eine Woche, Führerpersonal wird dabei bereits etwas früher zum Dienst herangezogen. Dabei ist der Grundsatz, dass diese nicht-aktiven Verbände von Reservisten befähigt sind, sich selbst auszubilden. Das Führungs- und Ausbildungspersonal besteht grundsätzlich aus Reservisten; nur für besondere Ausbildung, wie beispielsweise an neuem Großgerät, und zum Einsatz als Sicherheitspersonal, werden Berufssoldaten hinzugezogen. Durch dieses Ausbildungssystem verfügt Finnland derzeit über 900 000 Reservisten, von denen sich 250 000 in der aktiven Reserve befinden.

Welche Möglichkeiten über die verpflichtenden Wehrübungen hinaus gibt es in Finnland zum Engagement in der Reserve?

Neben den verpflichtenden Übungen ist es möglich, auch an freiwilligen Übungen und Ausbildungen teilzunehmen. Zentral hierfür ist ein strategischer Partner der finnischen Streitkräfte, der Maanpuolustuskoulutusyhdistys [„Verein zur Ausbildung der Verteidigungsfähigkeiten“ / Anm. d. Red]. Ähnlich wie der Reservistenverband in Deutschland ist er ein eigenständiger, unabhängiger Verein, in dem Reservisten ihre militärischen Fähigkeiten erweitern können.

Derzeit gibt es Überlegungen, wie wir dem Verein Ausbildungswaffen zur Verfügung stellen können, damit auch die Waffenausbildung unabhängig von aktiven militärischen Verbänden durchgeführt werden kann. Zudem verfügen wir über regionale Reservisteneinheiten, die analog zu den RSU-Kräften in Deutschland Teile der territorialen Aufgaben übernehmen können.

Können Reservisten auch im Rahmen der Katastrophenhilfe oder zur Unterstützung der Polizei eingesetzt werden?

Die Rechtslage in Finnland sieht vor, dass die Streitkräfte im Katastrophenfall im Rahmen der Amtshilfe eingesetzt werden können. Hier werden in der Regel allerdings aktive Verbände eingesetzt, da eine Aktivierung von Reservisten naturgemäß viel Zeit kostet. Zur Unterstützung bei Einsätzen der Polizei können Reservisteneinheiten auch im Rahmen von Amtshilfe eingesetzt werden, allerdings nicht mit dem Einsatz von Waffen.

Herr Oberst von Bonsdorff, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

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