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Deutsche verlängern Türkei-Mission. Ist das nötig?




Der Bundestag will am heutigen Donnerstag über die Beteiligung Deutschlands an der Nato-Mission "Active Fence" in der Türkei beraten. Die Mission soll bis Ende Januar 2016 verlängert werden. Während die Niederländer sich zurückziehen, will Deutschland weiter mit bis zu 400 Soldaten die Grenze unseres Nato-Partners Türkei zu Syrien sichern. Dazu werden zurzeit zwei Patriot-Einheiten betrieben. In Deutschland gibt es Kritik an der Mission. Auch die Redaktion von reservistenverband.de diskutiert das Thema kontrovers. Ein Pro und Contra von Detlef Struckhof und Wilhelm R. Schreieck.


Pro:
Der IS-Terror ist ein guter Grund für eine Verlängerung

Von Detlef Struckhof

Die Türken sind treue Bündnispartner. Seit mehr als 130 Jahren bestehen freundschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei (vormals: Osmanisches Reich). Obwohl die kulturellen Unterschiede sichtbar sind, besteht in wirtschaftlichen und militärischen Angelegenheiten Konsens. Auf allen Ebenen wird gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet.

Als die Bürgerkriegskämpfe in Syrien im Jahr 2012 immer näher an die türkische Grenze rückten und gar im Juni des Jahres ein Kampfjet der Türkei von den Syrern abgeschossen worden war, handelte die Nato auf Bitten der Türkei. Die USA, die Niederlande und Deutschland entsandten ihre Patriot-Luftabwehrraketen nach Vorderasien, um die Türkei vor Luftschlägen zu schützen. Der Einsatz ist seitdem als erfolgreich einzuordnen. Der Luftraum der Türkei wurde von syrischer Seite nicht ernsthaft verletzt. Das Signal der Nato wurde von Machthaber Baschar al-Assad verstanden.

Inzwischen hat sich die Lage im Bürgerkriegsland jedoch gewandelt. Syrien droht von Islamisten des selbsternannten Islamischen Staates (IS) erobert zu werden. Auch im türkischen Nachbarland Irak kämpft sich der IS voran. Deutschland unterstützt deshalb erstmals auf fremdem Terrain Widerstandskämpfer – kurdische Peschmerga im Nordirak – mit modernen Waffen der Bundeswehr. Obwohl damit eigentlich die Begründung des Ursprungs-Mandats für den Türkei-Einsatz der Bundeswehr entfallen ist, sieht jeder die Bedrohung des neuen Gegners. Und die ist fassbar: Vom Assad-Regime ging für die Nato keine existenzielle Gefahr aus. Assad unterdrückt – wie die meisten Diktatoren und Gewaltherrscher – sein eigenes Volk auf eigenem Boden. Der IS hingegen hat sich die Eroberung der islamischen Welt auf seine Fahnen geschrieben, um sie zu einem islamistischen Gottesstaat umzubauen. Dabei stoppen die IS-Kämpfer nicht an Grenzen, kennen kein Pardon, wenn sie auf Andersgläubige und gemäßigte Muslime treffen. Wer sich ihnen in den Weg stellt oder nicht mitmacht, wird vernichtet.

Deshalb ist es richtig an der Nato-Grenze zu stehen, den loyalen Türken beizustehen. Deshalb muss das Mandat verlängert werden. Natürlich gehört Ehrlichkeit bei der Missionsbegründung dazu. Hier muss die Politik nachlegen. Ehrlich wäre es, wenn die Politik den Deutschen erklären würde, weshalb der IS gefährlicher ist als der Gewaltherrscher Baschar al-Assad, der nun indirekt in seinem Kampf um den eigenen Machterhalt unterstützt wird. Das ist zwar bizarr, ändert jedoch nichts an der Gefahr für unsere Freiheit und Unversehrtheit. Die IS-Terroristen müssen mit allen uns möglichen Mitteln bekämpft und aufgehalten werden.

Contra:
Politisch hinfällig – militärisch sinnlos – sozial untragbar

Von Wilhelm R. Schreieck

"Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird", heißt es im Artikel 5 des Nordatlantikvertrages vom 4. April 1949. Als im Jahr 2012 mehrfach von syrischem Territorium ausgehende Artillerie- oder Mörsergranaten auf türkischem Hoheitsgebiet einschlugen, war dies kein Angriff, der den Nato-Bündnisfall hätte auslösen können – schon gar nicht der Abschuss des türkischen F4-Kampfflugzeuges, das im Juni syrischen Luftraum verletzte.

Indes hatte die türkische Regierung in diesen Tagen nichts Besseres zu tun als Öl ins Feuer zu gießen: Sie stationierte Heeres- und Luftwaffenverbände an der 900 Kilometer langen türkisch-syrischen Landgrenze und ließ durch ein Gesetz Operationen auch außerhalb der türkischen Grenzen zu. Damit wäre auch eine Intervention in Syrien möglich geworden. Hintergrund dürfte allerdings mehr das türkische Kurden-Problem denn der Konflikt mit Syrien – besser: zwischen Erdogan und Assad – gewesen sein.

In dieser Lage und der Angst, mit dem Rücken an der Wand würde der syrische Machthaber Baschar al-Assad mit weitreichenden ballistischen Waffen, womöglich mit chemischer Munition, kontern, wurde die Türkei im November 2012 bei der Nato vorstellig. Hintergrund: Die Türkei besitzt keine zur Abwehr ballistischer Raketen geeigneten Patriot-Systeme. Das Bündnis (respektive die 28 Außenminister) reagierte prompt und beschloss im Dezember 2012 die Operation "Active Fence". Dass man sich in Brüssel seiner Sache nicht so recht sicher war, zeigt die – der türkischen Regierung gar nicht gefällige – Stationierung der Patriots: Sie stehen im Hinterland, fangen allfällig anfliegende Raketen also über türkischem Territorium ab, um gar nicht erst Ideen zu einer Flugverbotszone über Syrien zu nähren.

Fazit: Die Patriot-Stationierung war eine (dubiose) politische Maßnahme, um der Türkei im syrisch-türkischen Konflikt den Rücken zu stärken. Der ist nicht nur abgeflaut – seit dem Erstarken des IS ist die politische Gemengelage in Syrien sowieso eine ganz neue. Die Patriots haben ihre Schuldigkeit getan, die Patriots können gehen.

Auch militärisch hat die Patriot-Stationierung ihre Daseinsberechtigung längst verloren: Die Bedrohung mit chemischen Waffen aus syrischen Beständen ist aus der Welt. Ihre Lufthoheit kann die Türkei in eigener Regie wahren und schützen – auch, wenn sie nicht mehr die jüngsten sind, ihre Nike und Hawk-System sind angesichts der Bedrohung hinlänglich.

Und vergessen wir nicht: Unser Patriot-Personal wächst nicht auf Bäumen, es sind rare Spezialisten mit intensiver, lang andauernder Ausbildung. Ihre Einsatzfrequenz und -dauer geht mittlerweile an die Grenze. Frau von der Leyen, holen Sie unsere Jungs heim!


Bild oben: Sogenannter Launcher – Startfahrzeuge der
Patriot-Flugabwehrraketen -, bestückt  mit Patriot PAC3
und PAC2 in ihren Einsatzstellungen, nahe der türkischen
Stadt Kahramanmaras (Foto: Bundeswehr, Vennemann, flickr.de).

Bild Mitte: Einsatzgebiet der Bundeswehrmission
Active Fence in der Türkei (Karte: Bundeswehr).

Archivbild unten: Türkische Ehrenformation während einer
Gedenkveranstaltung anlässlich des 97. Jahrestages der
Schlacht von Canakkale, die während des ersten Weltkriegs stattfand.
Schon damals waren Deutschland und das Osmanische Reich
Bündnispartner (Foto aus dem Jahr 2012: Bundeswehr,
Sebastian Wilke, flickr).

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