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200 Reservisten haben bisher in diesem Jahr im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr ihren Dienst geleistet. Sie bringen wertvolle Fachkenntnisse und Expertise mit, wie Oberstabsbootsmann Andreas Weidemeyer.

Oberstabsbootsmann Andreas Weidemeyer ist Reservist und bildet im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr jüngere Kameraden in seiner Abteilung aus.

Foto: Benjamin Vorhölter

BAAINBwBeschaffung

Bevor Mechaniker ein bestimmtes Ersatzteil im Triebwerk des Mehrzweckhubschraubers „Sea King“ verbauen, kann es sein, dass ein bis zwei Jahre harte Arbeit hinter den Kulissen abgelaufen ist. Hinter der Beschaffung und Instandhaltung hochwertiger und oft rein militärisch genutzter Luftfahrzeugteile steckt ein hochkomplexes System. Die Verfahren und Abläufe sind häufig langwierig und sehr kompliziert. Nur Experten mit einem speziellen Fachwissen behalten in der komplizierten Welt des Beschaffungswesens der Bundeswehr den Überblick. Ein solcher Spezialist ist Andreas Weidemeyer. Er ist einer von 200 Reservisten, die bisher in diesem Jahr im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) arbeiten. Die Reservisten im BAAINBw kommen bis September dabei auf 27.000 Dienstleistungstage. Reservisten wie Andreas Weidemeyer sind hochgeschätzt, weil sie eine bestimmte Eigenschaft mitbringen.

Sie bringen viel Erfahrung aus der alten Beschaffungswelt der Bundeswehr mit. Oberstabsbootsmann Weidemeyer nennt so sämtliche Verfahren und Abläufe des Instandhaltungs- und Ersatzteilmanagements, die vor der Einführung von SASPF gängig waren. Das ist eine Software des IT-Unternehmens SAP, die die Bundeswehr von 2006 bis 2016 für Geschäftsprozesse eingeführt hat. Nun wird unter anderem die Materialbewirtschaftung und Instandhaltung mit SASPF organisiert. Die zu Grunde liegenden Verfahren, Abläufe und Zusammenhänge sind jedoch in ihrer Kernstruktur nicht anders. „Um mit der SAP-Software arbeiten zu können, muss ich die alten Verfahren kennen“, schildert Andreas Weidemeyer. Er bringt diese Qualifikation mit, weil er als ehemaliger Berufssoldat auf der Seite der Schrauber in der Instandsetzungshalle und auf der Seite der Beschaffer am Schreibtisch gearbeitet hat.

Ehemalige Berufssoldaten gern gesehen

Berufssoldaten, die zur Ruhe gesetzt wurden und nun als Reservisten weitermachen, seien die idealen Kameraden, sagt Oberst i.G. Michael Nold, Leiter des Referats ZA 3.2 Personalführung dezentral des militärischen Personals im BAANBw. Allerdings lasse die Zeitspanne der Verfügbarkeit von ehemaligen Berufssoldaten nach, weil die Bundeswehr deren Arbeitszeit immer weiter nach oben schraube. Dennoch sind ehemalige Berufssoldaten wie Andreas Weidemeyer sehr gern gesehen, eben weil sie sich auskennen.

Weidemeyer tritt im April 1978 in die Bundeswehr ein. Er dient zunächst auf dem Zerstörer „Rommel“ und wechselt daraufhin zum Marinefliegergeschwader 5. Bei den damals in Kiel-Holtenau stationierten Marinefliegern arbeitet er als Zellemechaniker. Sein Spezialgebiet ist damals das Hubschraubergetriebe des Mehrzweckhubschraubers „Sea King“. „Ich war zuständig für alles, was mit Fliegen zu tun hat, außer für die Elektronik und das Triebwerk“, sagt Weidemeyer. Das Triebwerk des Mehrzweckhubschraubers namens Rolls Royce-Gnome lernt der Oberstabsbootsmann während seiner Tätigkeit als Gerätebearbeiter im Luftwaffenmaterialkommando (zuletzt Waffensystemkommando der Luftwaffe) kennen. In dieser Funktion erstellt Andreas Weidemeyer technische Anweisungen, aktualisiert die Ersatzteilkataloge, ist ständig in Kontakt mit den Logistik-Dienststellen und mit der Industrie. Seine Karriere als Berufssoldat endet 2010. Wie viele seiner Kameraden setzt er sich mit Mitte 50 nicht vollständig zur Ruhe. Er bleibt der Bundeswehr als Reservist treu.

Materialverantwortung liegt beim BAAINBw

Seine Expertise wird im Waffensystemkommando der Luftwaffe dringend benötigt. Oberstabsbootsmann Weidemeyer bildet zwei Nachfolger als Gerätebearbeiter für das Triebwerk des „Sea King“ aus. Im Jahr 2013 wird das Waffensystemkommando der Luftwaffe aufgelöst und die Verantwortungen aufgeteilt. Die Materialverantwortung, das bedeutet deutlich mehr als nur die Beschaffung, liegt nun beim BAAINBw. Für die Betriebs- und Versorgungsverantwortung, das bedeutet den Erhalt der Einsatzfähigkeit und –bereitschaft der Hubschrauber in der Flotte, ist das Marineunterstützungskommando in Wilhelmshaven zuständig. Eine ähnliche Aufteilung gibt es auch für die Teilstreitkräfte Heer und Luftwaffe. Durch die neue Struktur habe sich zunächst das Personal halbiert, berichtet Andreas Weidemeyer. Nun bildet er vier Kameraden aus. „Das Geschäft ist komplex. Man braucht ein bis zwei Jahre, um alleine laufen zu können“, sagt der Oberstabsbootsmann.

Der Experte für die Triebwerke im „Sea King“ und „Sea Lynx“ arbeitet seit mehr als 30 Jahren im Bereich Instandsetzung der Mehrzweckhubschrauber. Er kennt die Schrauber, die am Ende die Teile einbauen, die während des Beschaffungsprozesses über seinen Schreibtisch laufen, die Kameraden und Mitarbeiter in den involvierten Dienststellen und die Konstruktionsverantwortlichen aus der Industrie. Letztere teilen Weidemeyer mit, wenn es ein neues Bauteil für ein Triebwerk gibt.

Der „Sea King” ist seit 1975 im Einsatz. Foto: bv

Die Marineflieger nutzen den Mehrzweckhubschrauber „Sea King“ seit 1975 und den „Sea Lynx“ seit 1981. Der „Sea King“ soll voraussichtlich 2022 durch den NH-90 Naval Transport Helicopter „Sea Lion“ und der „Sea Lynx“ 2025 durch den NH-90 Frigate Helicopter ersetzt werden. Der erste Marinehubschrauber „Sea Lion” wird bereits im Herbst an die Bundeswehr ausgeliefert. Für die alten Waffensysteme, die mehr als 30 Jahre alt sind, wird es bis dahin immer schwieriger, Ersatzteile zu beschaffen. „Uns sterben die Hersteller weg“, erläutert Andreas Weidemeyer. Oft sage die Industrie, dass ein Bauteil in Kleinserien nicht mehr gefertigt werde, weil es die dafür notwendigen Werkzeuge nicht mehr gebe. Oder das Unternehmen signalisiere, dass ein Teil nur noch einmal produziert werde, also mehrere Ersatzteile in einem letzten Paket bestellt werden müssen. Aus diesem Grund haben sich die für die Marinehubschrauber zuständigen Beschaffer im vergangenen Jahr zu einer Ersatzteilkonferenz mit Rolls-Royce getroffen.

Auswahl der Hersteller eingeschränkt

Dabei sind sie eine Liste mit Ersatzteilen für die Triebwerke der Mehrzweckhubschrauber „Sea King“ und „Sea Lynx“ durchgegangen, darunter teure Teile und Hochwertteile. Das Ziel sei eine Endbevorratung von diesen Ersatzteilen sicherzustellen. An dieser Stelle kommt Weidemeyers jahrelange Erfahrung ins Spiel. Er lässt sich von der Marine eine Übersicht geben, wie viele Flugstunden für die Mehrzweckhubschrauber in Zukunft vorgesehen sind. Anhand der festgeschriebenen Inspektionsintervalle lässt sich die Lebensdauer der Ersatzteile und ein entsprechend ausreichender Bedarf berechnen. Ein Triebwerk besteht aus 2.500 bis 3.000 Teilen. Dazu zählen kleine Artikel wie Muttern und große Bauteile wie ein Verdichter. „Kleine Teile, Unterlegscheiben und Dichtungen machen die größten Probleme“, sagt Andreas Weidemeyer. Eine Schraube für ein Luftfahrzeug muss zum Beispiel höhere Sicherheitsstandards erfüllen als eine Schraube, die in einem Kraftfahrzeug verbaut wird. Deshalb dürfen nur Teile bei Unternehmen gekauft werden, die für die Luftfahrtherstellung zugelassen sind. Das schränke die Auswahl der Hersteller ein, erläutert Weidemeyer.

„Wir Reservisten sind die Brücke von den alten zu den neuen Strukturen”, sagt Andreas Weidemeyer. Foto: bv

Wenn keine Endbevorratung gewährleistet werden kann, sucht Triebwerk-Hersteller Rolls-Royce nach Ersatz und benennt Hersteller, bei denen Ersatzteile wie Dichtungen bestellt werden können. Damit ein Beschaffer aus dem Marineunterstützungskommando jedoch ein neues Ersatzteil anfordern kann, müssen die entsprechenden Informationen in der Instandhaltungsmanagement-Software SASPF erscheinen. Dafür sorgt Andreas Weidemeyer. Indem er Kontakt zur Industrie und zum Konstruktionsverantwortlichen hält, erfährt er jedes Mal, wenn ein neues Ersatzteil auf dem Markt ist. Erst wenn er das neue Bauteil katalogisiert, ihm eine 13-stellige Nummer gibt und dessen Daten in eine Materialgrundinformationsdatei eingibt, wird es innerhalb der Bundeswehr sichtbar. Weidemeyer dokumentiert, ob es ein größeres oder kleineres Ersatzteil ist, wann alte Teile aufgebraucht sind und wenn sich etwas beim Ein- und Ausbau ändert. Dabei helfen ihm seine Fachkenntnisse aus der Zeit als Schrauber. Sind alle Daten im SAP-Softwaresystem, kann das Marineunterstützungskommando eine Bestellung auslösen. Diese nimmt seinen Gang durch das BAAINBw. Das Vertragsreferat fordert ein Angebot beim Unternehmen an und handelt einen Beschaffungsvertrag aus.

Ein halbes Jahr bis zum Vertragsschluss

„Bis es zum Vertragsschluss kommt, vergehen meist drei bis sechs Monate. Bis ein Ersatzteil ausgeliefert wird, kann es ein bis zwei Jahre dauern“, sagt Oberstabsbootsmann Weidemeyer. Die komplexen Vorgänge bei der Beschaffung von Ersatzteilen betreffen aus seiner Sicht alle Waffensysteme. Die Verfahren werden durch Umstellung von deutschen auf europäische Normen immer komplexer. Mit der SASPF hat sich zudem das Beschaffungssystem geändert. Die Gerätebearbeiter müssen Daten pflegen, die sie früher nicht kannten. Was darf ich verbauen? Wen muss ich fragen? Wer sind meine Ansprechpartner in der Industrie? Wie ist die Vertragslage? Das sind Fragen, die Andreas Weidemeyer seinen Kameraden im BAAINBw während der Ausbildung als Gerätebearbeiter beibringt. „Wir Reservisten sind die Brücke von den alten zu den neuen Strukturen. Mir macht es Spaß, mein Wissen weiterzugeben und es ist schön zu sehen, dass ich immer noch etwas bewirken kann“, beschreibt Weidemeyer seine Rolle. Der Reservist sieht sich nicht als Lückenfüller. Im Gegenteil, wenn er aufgrund der besonderen Altersgrenze aufhören muss, dürfte es einige Kameraden im BAAINBw geben, die sein Fachwissen und seine Erfahrung im Bereich Instandhaltung vermissen werden. Insgesamt sei es schwierig, geeignete Reservisten für die spezifische Arbeit im BAANBw zu gewinnen, berichtet Oberst i.G. Michael Nold und nennt drei Gründe.

Das BAANBw benötige Fachleute aus der Technik, die ein spezielles Wissen mitbringen müssen. Allerdings stünde ein Mitarbeiter eines Rüstungsunternehmens vor dem Problem der Interessenkollision. Es muss gewährleistet sein, dass sich ein Reservist keinen Vorteil für sich oder für sein Unternehmen durch sein Engagement bei der Bundeswehr schaffen kann. Mögliche Interessenkollisionen seien daher eines der Hauptbremser bei der Gewinnung von geeigneten Reservisten, sagt Oberst i.G. Nold. Als zweiten Grund nennt der Referatsleiter ZA 3.2, dass das Thema Rüstung und Beschaffung sehr komplex und speziell ist. Der Einblick in den zivilen Rüstungsbereich fehle bei Reservisten, die zuvor nichts mit der Thematik zu tun hatten. Hinzu komme das Thema Verfügbarkeit. Benötigt werden Reservisten, die für mehrere Monate ein Projekt bearbeiten können. Das bedeutet, dass sie bereit sein müssen, mindestens zwei bis drei Monate oder länger Reservistendienst zu leisten.

Falls Sie Interesse an einer Reservistendienstleistung im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr haben, melden Sie sich unter folgender E-Mail: baainbwza3.2@bundeswehr.org

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