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Der Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr (VdRBw) hat mehr als 115.000 Mitglieder. Wir vertreten die Reservisten in allen militärischen Angelegenheiten.

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Entwicklung zu mehr Professionalität




Dr. Fritz Felgentreu wurde erneut mit einem Direktmandat seines Wahlkreises Neukölln in den Bundestag gewählt. Er ist Reserveoffizier, Landesvorsitzender des Volksbundes in Berlin, Mitglied des Verteidigungsausschusses und seit dem 30. Januar 2018 verteidigungspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Mit den Berliner Reservisten verbinden ihn ein enger Kontakt und zahlreiche gemeinsame Projekte. Oberstleutnant d.R. Ralph Erlmeier, stellvertretender Vorsitzender der Landesgruppe Berlin, fragte ihn zur künftigen finanziellen Ausstattung der Bundeswehr, zum politischen Stellenwert der Reserve und seinen Erwartungen an die Arbeit des Verbandes.

Herr Dr. Felgentreu, nach Monaten der Verhandlungen haben sich nun die CDU, CSU und SPD auf eine erneute Koalition geeinigt. Im Kapitel Verteidigungspolitik des Koalitionsvertrages bekennen sich die Koalitionspartner  zu einer Europäischen Verteidigungsunion, zu mehr Verantwortung für seine Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeit, zur eingeleiteten "Trendwende Personal, Material und Finanzen". Und dennoch wurde schon Kritik aus der Bundeswehr laut. Können Sie das nachvollziehen?

Das kann ich in jedem Fall nachvollziehen. Ich weiß, dass die Unzufriedenheit bei ganz vielen Soldaten sehr groß ist. Es kommt immer wieder vor, dass Waffen und Gerät entweder nicht im ausreichenden Maß vorhanden oder einsatzfähig sind, zum Teil gibt es Probleme mit der persönlichen Ausstattung. Kurzum: ich kann die Unzufriedenheit sehr wohl nachvollziehen. Wir zahlen jetzt den Preis für 20 Jahre Sparpolitik. Das waren natürlich Umstände, die wir lange Zeit gemeinsam begrüßt haben. Dass wir in einer Welt leben, in der es gerechtfertigt war, dass der Verteidigungsetat im Gegensatz zu allen anderen Etas nicht aufgewachsen ist. Das bedeutet  natürlich de facto eine Einsparung. Aber diese Zeit ist jetzt vorbei. Jetzt spüren wir auf einmal, dass wir mit dem Sparkurs auch zu weit gegangen sind. Das Aufreißen von Fähigkeitslücken, die Einbrüche im Klarstand von Waffen und Gerät kommen ja auch in einem gewissen zeitlichen Nachklapp. Mit diesen Folgen haben wir es nun zu tun. Wir als Politiker und auch das Parlament, das über eine Parlamentsarmee gebietet, sind nun in der Pflicht, die Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass die Soldaten ihren Dienst auch mit Stolz und Selbstvertrauen ausüben können.

Stichwort: Aufstockung der Ausgaben für Verteidigung. Sie sollen im Verhältnis eins zu eins mit den Ausgaben für Entwicklungshilfe aufgestockt werden, beide Bereiche in den nächsten vier Jahren um je eine Milliarde Euro, das sind für die Bundeswehr 250 Millionen mehr pro Jahr. Wird man so den eigenen Ansprüchen gerecht?

Ich glaube, es kommt noch mehr. Zum einen gehen wir vom 51. Finanzplan aus, der ohnehin schon eine Steigerung von acht Milliarden Euro vorsieht. Das ist die Grundlage. Und worüber im Koalitionsvertrag geredet wurde, geht darüber hinaus. Wir reden also von mindestens neun oder zehn Milliarden mehr. Außerdem gehen wir von einer  Verknüpfung der Steigerung der Verteidigungsausgabe mit der ODA-Quote (= Anteil der öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit gemessen am Bruttonationaleinkommen) aus. Dabei geht es darum, wie wir die zu erwartenden Haushaltsüberschüsse sinnvoll einsetzen. Und da bin ich als Außen- und Verteidigungspolitiker ganz glücklich, dass es uns gelungen ist, in die Prioritäten dieser Regierung auch die Verteidigungspolitik aufzunehmen, was in der Vergangenheit nicht der Fall war. Das heißt, wenn es um die Verteilung von Überschüssen geht, wird die Bundeswehr vorrangig berücksichtigt. Und ich finde es eigentlich auch als Schutz für diese Vorrangigkeit, dass wir diese Verknüpfung mit der ODA-Quote, also mit der Entwicklungshilfe haben. Das bedeutet, dass wir die Entwicklungspolitik, die auf alle möglichen friedlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Fluchtursachen und zur Stabilisierung in den Weltreligionen setzt, immer mit im Boot haben. Weil sie wissen, jeden Euro, den die Bundeswehr bekommt, bekommt auch die Entwicklungspolitik.

Das Parlament führt immer einen Verteilungskampf um Geld. Je mehr Verbündete Sie haben, desto größer sind die Chancen, dass sie das Geld, das sie für ihre politischen Ziele brauchen, auch bekommen. Insofern bin ich ganz optimistisch. Ich bin mir für den Zeitraum der nächsten zwei Jahre zumindest sicher, dass Geld nicht unser Problem sein wird, sondern die Frage, wie bekommen wir die Strukturen in der Bundeswehr und in der Bundeswehrverwaltung so auf Vordermann gebracht, dass wir in der Lage sind, die Fähigkeitslücken und Probleme der Einsatzbereitschaft schnellstens zu beheben.

Herr Dr. Felgentreu, lassen Sie uns den Blick auf die Reservisten lenken. Der vorliegende Koalitionsentwurf nimmt keinen expliziten Bezug auf die Reserve. Welche Bedeutung hat also die Reserve tatsächlich für die Politik, jenseits der öffentlichen Beteuerungen?

Ich glaube, dass wir die notwendige Modernisierung der Bundeswehr ohne eine starke und aktive Reserve nicht erreichen können. Das ist eine schwierige Aufgabe geworden, da wir die frühere Situation, als sich die Reserve durch die aus dem Dienst ausscheidenden Soldaten ausreichend generierte, heute nicht mehr haben. Seitdem wir keine Wehrpflicht mehr haben ist ja die Anzahl der Soldaten, die den aktiven Dienst verlassen und dann in die Reserve gehen, stark geschrumpft. Das heißt, wenn wir also sicher stellen wollen, dass wir trotzdem uns aus einem Pool gut ausgebildeter und motivierter Reservisten bedienen können, um Fähigkeitslücken zu schließen, dann ist meines Erachtens der Stellenwert der Reserve sogar gewachsen, nicht gesunken. Das heißt aber nicht unbedingt, dass wir in den Koalitionsvertrag einen dementsprechenden Absatz rein schreiben müssen. Denn wir sind uns sowieso einig, was für einen Stellenwert die Reserve heute hat und wie wir mit ihr umgehen müssen. Man muss nicht über Selbstverständlichkeiten verhandeln. Aber ich glaube in der Bewertung ist es über die Parteigrenzen hinweg klar, dass die Reserve heutzutage eine große Rolle spielt und meines Erachtens ihre Bedeutung sogar wächst.

Es gibt jedoch eine Sache, womit sich auch der Reservistenverband stärker auseinandersetzen muss. Das Bild der Reserve verändert sich in gleichen Maßen wie sich das Bild der Bundewehr verändert. Hin zu mehr Professionalität – auch in der Reserve! Das Verbandsleben, sich also zwei, drei Mal im Jahr zu treffen, zu schießen oder zu marschieren und anschließend den Kameradschaftsabend zu feiern, das macht zwar Spaß, wird aber in Zukunft nicht der Schwerpunkt der Reservistenarbeit sein können. Sie werden in Zukunft gleiche Aufgaben wie aktive Soldaten schultern und dies zugleich mit ihrem Privatleben und Berufsleben vereinbaren müssen. Das wird auch den Reservistenverband verändern, je mehr sich das so durchsetzt.

Und weiterhin brauchen wir auch gerade Reservistinnen und Reservisten als Multiplikatoren. Wir brauchen sie gerade auch an ihrem Arbeitsplatz und ihrem Freundeskreis, wo sie dann über die Arbeit und ihren Dienst als Reservist sprechen und damit ein Verständnis erzeugen, was Bundeswehr eigentlich ist, was Sicherheit eigentlich bedeutet und welche Bedeutung sie für die Gesellschaft und nicht nur für ein paar Profis hat, die diese Aufgabe sozusagen als Dienstleister übernehmen.

Stichwort Resilienz. Im Koalitionsvertrag steht unter anderem die Befähigung der Bundeswehr zur Landesverteidigung im Fokus. Nach Abschaffung der Heimatschutzverbände gibt es seit 2012 wieder bundesweit Regionale Sicherungs- und Unterstützungskompanien (RSUKp), die bei schweren Unglücksfällen oder Naturkatastrophen entsprechend die Truppe unterstützen sollen. Der Verband unter der Führung von Oberst d.R. Oswin Veith, MdB, hat in den Weisungen für die Reservistenarbeit im Reservistenverband 2017/2018 unter anderem das Potential der Nationalen Reserve identifiziert. Darin soll in den nächsten zehn bis 15 Jahren rund 30.000 Reservisten zusammengefasst und in 16 Landesregimentern gegliedert werden. Ziel ist es, die Reservisten zur Unterstützung der Landesverteidigung zu befähigen. Wie bewerten Sie diese Idee und das diesbezügliche Engagement des Reservistenverbandes?

Ich finde es erst mal gut, dass der Verband sich eigene Gedanken und eigene Vorschläge macht. Aber ob dies wirklich ein gangbarer Weg ist, um die Landesverteidigung zu stärken? Ich glaube, dafür braucht es eine intensivere konzeptionelle Auseinandersetzung. Dass die RSU-Kompanien alleine von der Masse her keinen sehr großen Beitrag für die Landesverteidigung leisten können, ist klar. Aber die Bundeswehr hat heute eine andere Struktur als in den19 80er Jahren. Zu diesem Zustand der 1980er Jahre können und wollen wir auch gar nicht zurück. Ich bin auch ein wenig skeptisch, ob so eine Idee uns wirklich weiter bringt, die in der Öffentlichkeit auch leicht als Aufbau eines Heimatschutzregiments missverstanden werden kann.

Ich glaube es ist richtig, dass auch der Reservistenverband sich ernsthaft Gedanken macht, welchen größeren Beitrag er zur Landesverteidigung beitragen kann. Ich nehme das einfach als einen ernstzunehmenden Beitrag zur sicherheitspolitischen Debatte. Aber das heißt nicht unbedingt, dass ich mich hinter diesen Vorschlag stelle. Ich glaube, dass die Zeit reif ist für eine solche Debatte, und diese Debatte wird auch Ergebnisse hervorbringen. Aber die Ergebnisse dieser Debatte müssen nicht unbedingt mit den Vorschlägen übereinstimmen, mit der die Debatte mal angefangen hat.

Darüber hinaus spricht sich der Reservistenverband für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht aus, also eines verpflichtenden Jahres für Frauen und Männer zwischen 18 und 35, die zwischen Wehr- oder Ersatzdienst wählen können? Wie beurteilen Sie diese Idee?

Ich kenne diese Idee seit 30 Jahren und fand die Idee immer persönlich gut. Ich glaube nur, dass sie an den hohen verfassungsrechtlichen Hürden scheitern muss, die wir in Deutschland für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht haben. Der staatliche Zwangsdienst ist ja durch die Verfassung ausgeschlossen, als Ausfluss der Erfahrung mit der Nazizeit, wo es mit dem Reichsarbeitsdienst einen solchen Zwangsdienst für alle und für beiderlei Geschlechter gegeben hat. Das heißt, wenn man eine allgemeine Dienstpflicht einführen wollte, müsste man an dieser Stelle das Grundgesetz ändern. Mir fällt es schwer zu glauben, dass es dafür eine notwendige verfassungsgebende Mehrheit geben kann. Die Idee für sich hat eine hohe Berechtigung. Man sollte allen jungen Bürgerinnen und Bürgern klar machen, dass es ist nicht selbstverständlich ist, in einem friedlichen demokratischen Rechtsstaat groß zu werden, der alle Chancen bietet, sich selbst zu entfalten, den Berufsweg selber zu wählen und in Frieden und Sicherheit sein Leben zu planen. Dafür muss auch ein jeder seinen Beitrag leisten. Dass diese Botschaft in den Köpfen der Menschen ankommt, das finde ich eigentlich gut und richtig und die allgemeine Dienstpflicht könnte dazu einen Beitrag leisten. Aber ich glaube trotzdem nicht, dass wir es erleben werden, dass es jemals dazu kommt. Auch da wieder: Eine sinnvolle Debatte. Vielleicht finden wir noch andere Wege, dieses Ziel zu erreichen, aber ich vermute, für die allgemeine Dienstpflicht wird es nie die notwendigen politischen Mehrheiten geben.

War die Aussetzung der Wehrpflicht ein Fehler?

Wenn man mit Soldaten von heute spricht, insbesondere mit der Führungsebene der Bundeswehr, dann sagen die Nein; es bleibt in der Logik der zunehmenden Professionalisierung des Soldatenberufs. Und die Aufgaben, die wir in der Vergangenheit mit den Wehrpflichtigen erfüllt haben, hat die Armee in dieser Form heute nicht. Wir brauchen hochprofessionelle Soldaten, und deshalb macht es Sinn, eine Armee zu haben, bei denen sich die Soldaten vom ersten Tag an als Profis empfinden und nicht als Personen, die mal ein wenig reinschnuppern und nach kurzer Zeit wieder in ihr „richtiges“ Leben zurückkehren. Der Wehrbeauftragte sieht das auch so. Ich denke, dass es nicht grundsätzlich ein Fehler war, dass die Bundeswehr den gleichen Weg gegangen ist, wie die meisten anderen Armeen auch. Und trotzdem sehe ich die erheblichen Defizite, die dadurch entstanden sind. Einerseits haben wir Rekrutierungsprobleme, die wir so in der Vergangenheit nicht hatten. Da es immer einen großen Anteil von Wehrpflichtigen gab, die in ihrer Dienstzeit entdeckt haben, dass der Soldatenberuf für sie das richtige ist und dann aus der Wehrpflicht heraus, Soldat geworden sind. Diese Personengruppe entfällt heute fast komplett. Und andererseits auch der Gedanke der Verpflichtung für das Gemeinwohl, der für alle Bürger wichtig sein muss. Aber auch die Verbindung der Bundeswehr mit der Gesellschaft: Früher gab es eine andere Verbindung zur Bundeswehr, da fast jede Familie betroffen war. Auch aus den Regionen ist die Bundeswehr durch die Verkleinerung vielfach verschwunden. Das alles betrachte ich natürlich auch als Verlust. Aber es ist eine legitime Frage, was wir zu tun gedenken, um diese Verluste auszugleichen und was die Politik zu tun gedenkt, um die notwendige enge Verbindung von Bundeswehr und Gesellschaft als Ganzes zu erhalten, zu pflegen und zu fördern.

Das große Projekt des Reservistenverbandes für das Jahr 2018 wird die Ausbildung Ungedienter sein, also die durch Reservisten eigenverantwortliche Ausbildung von Zivilisten ohne militärische Erfahrungen, um diese in 20 Tagen eine militärische Grundausbildung durchlaufen zu lassen, mit der Zertifizierung durch die Bundeswehr am Ende. Wie beurteilen Sie dieses Projekt?

Das haut mich ehrlich gesagt nicht so vom Hocker. Da entsteht bei den Auszubildenden schnell der Eindruck, sie machen einen drei Wochen Crash-Kurs und dann sind sie Soldaten. Das, glaube ich, erzeugt auch ein falsches Selbstverständnis. Ich finde es viel zielführender, zu sagen, der Bereich der Reserve ist offen für Menschen, die sich da engagieren wollen. Menschen, die ihre Fähigkeiten, die sie in ihrem Privat- und ihrem Berufsleben erworben haben, im Bereich der Landesverteidigung und für die Streitkräfte im Allgemeinen einbringen wollen. Das finde ich gut. Dass sich der 45-Jährige mit entsprechenden Fähigkeiten, obwohl er keinen einzigen Tag militärische Erfahrung hat, zur Bundeswehr gehen und diese Fähigkeiten einbringen kann. Wenn das, was er einzubringen hat, eine entsprechende Wertigkeit für die Armee hat, sollte man diese Leute dann auch auf der Höhe ihrer Qualifikation einstellen. Das finde ich, ist der richtige Weg. Hier muss der Reservistenverband der richtige Ansprechpartner sein; das ist, was ich auch als zunehmende Professionalisierung des Reservistenverbandes meinte. Das erscheint mir viel zielführender zu sein, als eine dreiwöchige Grundausbildung für Endzwanziger oder Enddreißiger, die ihre infanteristische Ader entdecken.

Wo sehen Sie die Schwerpunkte der zukünftigen Entwicklung des Reservistenverbandes?

 Ich bin nicht dagegen, dass der Reservistenverband die infanteristische Ausbildung fortsetzt, wo sie sinnvoll ist. Ich glaube nur, dass der Reservistenverband parallel zur Modernisierung und Professionalisierung der Streitkräfte mit der Zeit gehen soll. Das ist zum einen die Rolle als Mittler in die Gesellschaft hinein, aber auch als professioneller Ansprechpartner für diejenigen, die sich im Knowhow als Soldaten oder Reservisten gerne weiterentwickeln wollen. Dafür muss der VdRBW eng mit der Bundeswehr vernetzt sein. Der Verband muss mit der Bundeswehr im ständigen Austausch stehen, auf welchen Sektoren und in welchen Bereichen er so etwas wie ein "Transmissionsriemen" sein kann, um ziviles Knowhow in die Bundeswehr zu tragen und diese Personen als Reservisten fest an die Bundeswehr zu binden. Das ist m.E. eine ganz wichtige Aufgabe, die der Reservistenverband besser leisten kann als jede andere.

Die Verbindungen mit der Landesgruppe Berlin sind in der Tat eng und vielschichtig. Sie übernehmen unter anderem die Schirmherrschaft des Reservistenwettkampfes "Mauerwegmarsch" oder pflegen enge Verbindung mit Kameradschaften gerade im sicherheitspolitischen Spektrum. Was verbinden Sie mit der Landesgruppe Berlin, was erwarten Sie von deren Arbeit?

Mit der Landesgruppe verbinden mich vor allem die persönlichen Kontakte. Ich finde es großartig, was die Landesgruppe Berlin auf die Beine stellt – gerade die RK 15 mit ihrer weltpolitischen Ausrichtung. Ich finde es großartig, wie es möglich ist, die großen politischen Fragen so auf diese Eben herunterzubrechen. Ich finde es spannend, tolle Gespräche auf dieser Ebene zu führen. Außerdem glaube ich, dass die Arbeit des Reservistenverbandes gerade in Berlin immer vor besonderen Herausforderungen steht. Weil Berlin kulturell eine immer sehr weit von allem Militärischen entfernte Stadt ist, gerade auch West-Berlin mit seiner besonderen Tradition. Da hat die Landesgruppe eine ganz besondere Aufgabe, die sie auch von anderen Landesgruppen unterscheidet. Über ihre Netzwerke zu erreichen, dass auch die Berlinerinnen und Berliner verstehen, wozu eine Armee überhaupt gut ist, was das mit ihrem Leben zu tun hat und warum es sinnvoll ist, eine Armee so aufzustellen, dass sie ihre Aufgaben überhaupt erfüllen kann. Da muss sich sagen: hohen Respekt vor der Arbeit der Landesgruppe Berlin.

Sie sind darüber hinaus auch Vorsitzender des Landesverbandes Berlin des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Auch hier gibt es zahlreiche Schnittpunkte mit den Berliner Reservisten. Ganz prominent die Unterstützung beim "Outdoorchallenge Day", bei der Gräberpflege der jüdischen Gemeinde und im Rahmen des Volkstrauertages. Und natürlich die Sammlungen, die von den Reservisten der Landesgruppe besonders erfolgreich durchgeführt werden. Welche Motivation treibt Sie zu diesem Engagement?

Das hat auch persönliche Gründe. Ich komme wie fast alle in Deutschland, aus einer Familie, die erlebt hat, was Krieg und Kriegsdienst bedeuten. Mein Großvater ist als junger Mann 1944 in Lettland gefallen. Wir wissen nicht, wo das Grab ist. Sein Vater, mein Urgroßvater, hat seinen Sohn nie gesehen und ist wenige Tage nach der Geburt bei Verdun gefallen. Da wissen wir, wo das Grab ist. Insofern war mir es mir immer ein Bedürfnis, das Gedenken an die Gefallen aufrecht zu erhalten und daraus die Motivation zu schöpfen, Politik so zu gestalten, dass Kriege gänzlich verhindert werden. Dabei kommt es sehr auf die junge Generation an. Und da ist es für mich sehr überzeugend, dass der Volksbund von je her die junge Generation sehr stark im Blick hatte, dass dabei immer Gemeinschaftsbildung und gemeinschaftliche Erlebnisse im Vordergrund stehen und standen, in den Formen der Sommercamps. All das fand ich immer gut. Als sich dann die Möglichkeit bot, sich da zu engagieren habe ich das sehr gerne gemacht

Lassen Sie uns zum Schluss kommen. Bei all den Verbindungen der Landesgruppe mit Ihnen, auf den verschiedenen Ebenen der Reservistenarbeit: militärisches Engagement, sicherheitspolitische Information, Verbandsarbeit und soziales Engagement? Was würden Sie sich für die künftige Arbeit der Landesgruppe Berlin besonders wünschen?

Was ich mir für eine Landesgruppe wünsche in Berlin? Nicht zu sehr im eigenen Saft schwimmen, nicht zu sehr unter sich zu bleiben, sondern sich in die gesamtgesellschaftliche Debatte einzubringen, über die Verteidigungspolitik hinaus. Ich glaube, das, was Berlin braucht, ist ein anderes, wacheres Bewusstsein, was Verteidigungspolitik eigentlich bedeutet und was die Bundeswehr für Deutschland eigentlich leistet. Aus meiner Sicht ist das gerade im früheren West-Berlin ein sehr schlecht verankertes Thema.  Und wenn die aktiven Reservistinnen und Reservisten da tätig werden können, sodass sich das Bewusstsein verändert, sodass die Bundeswehr als ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft wahrgenommen wird, das ist doch die schönste Aufgabe, die ein Reservistenverband in Berlin leisten kann – neben den Fragen der Professionalisierung und den Aufgaben der Verbandsarbeit. Ich weiß, dass sind hohe Erwartungen, aber Sie haben mich nach einer Utopie gefragt. Dabei ein sichtbares Auftreten zeigen, da sein, erkennbar sein und vor allem Veranstaltungen durchführen, sich am gesellschaftlichen Diskurs beteiligen und eine Meinungsvielfalt zu einem Thema aufzeigen, damit jeder sich letztlich seine eigene Meinung bilden kann.

Vielen Dank für das Gespräch

Kommentar der Redaktion:

Dr. Fritz Felgentreu sagt, die Ausbildung Ungedienter führe eventuell zu einem falschen Selbstverständnis. Dieser Eindruck ist in den Augen des Reservistenverbandes nicht nachvollziehbar. Sicherlich sind die Teilnehmer des Pilotprojektes nach 13 Wochenenden keine vollumfänglich ausgebildeten Soldaten. Das ist auch nicht das Ziel der Ausbildung. Bei der Ausbildung Ungedienter geht es darum, einen Abholpunkt zu schaffen, um Reservisten für Beorderungen zu gewinnen. Dass das gelingen kann, zeigt das bisher große Interesse von Ungedienten an einer solchen Ausbildung. Der Reservistenverband wirkt so tatsächlich als "Transmissionsriemen" zwischen Streitkräften und Gesellschaft.

 


Bild oben:
Dr. Fritz Felgentreu.
(Foto: Deutscher Bundestag/photothek/Thomas Imo)
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