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Erfahrener Reservist überlebt Schiffsunglück mit Familie




Mit mehr als 4.200 Menschen an Bord havarierte das Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" am Freitagabend, dem 13. Januar, vor der toskanischen Insel Giglio. Das Schiff hatte zuvor einen Felsen gerammt und bekam Schlagseite. Die Bilder gingen um die Welt. Der Unglückshergang mutierte zu einem Krimi, denn offensichtlich stahl sich der Kapitän des Schiffs, Franzesco Schettino, davon und rettete seine Haut – ließ also seine Besatzung führungslos zurück. Ein Wunder, dass sich so viele Menschen retten konnten. Einer von ihnen: Hauptmann der Reserve Niels Czajor. Er hatte die Kreuzfahrt im Mittelmeer von seinen Eltern geschenkt bekommen, die mit ihm und seiner schwangeren Frau an Bord waren. Er hat die Havarie am Riff beobachtet und schildert die bisher schlimmste Nacht seines Lebens.

"Unser Glück war es, dass die See ruhig war, wir einen sternenklaren Himmel hatten und wir uns in der Nähe des Hafens von Giglio befanden", sagt der 43-Jährige. "Es waren also ideale Bedingungen für eine zügige Evakuierung vorhanden, aber es sollten etwa führungslose 75 Minuten kostbare Zeit sinnlos verstreichen." Doch auf Czajors Station von Panik keine Spur. Das hatte einen klaren Grund: "Wir waren auf der Schiffseite, die zur Insel blickte. Wir sahen, dass wir nur circa 250 Meter vom Hafen und rund 50 Meter vom abfallenden Felsen der Insel entfernt waren. Wir konnten leider wegen der Dunkelheit nicht erkennen, ob unter uns Felsausläufer waren, sonst hätten wir zur Not auch ins Wasser springen können."

Einsatzvorausbildungen waren hilfreich
In den Medien ist von chaotischen Situationen berichtet worden. Der einsatzerfahrene Reservist kann dies von seiner Station nicht bestätigen. "Etwa zehn Minuten nach der Havarie standen wir mit unseren Jacken und Rettungswesten bereits an Deck. Die Besatzungsmitglieder der Concordia hatten offensichtlich ihre vorgesehenen Plätze eingenommen und wussten, was sie zu tun hatten. Das gab ein Gefühl der Sicherheit. Doch sie bekamen lange keine weiteren Anweisungen von der Schiffsführung – heute wissen wir ja alle warum."

An der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz in Bad Neuenahr geschult und in der Nebenfunktion als Offizier für die Zivil-Militärische Zusammenarbeit (ZMZ) beordert, ist er entsprechend sensibilisiert. Insgesamt viermal war Niels Czajor schon in Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Er hat an den umfangreichen Vorausbildungen für einen Isaf-, EUFOR- und zwei KFOR-Einsätze teilgenommen. "Da wurde uns beigebracht, dass bei einer koordinierten Evakuierung nur einer das Kommando haben kann und die anderen Ruhe bewahren müssen. So habe ich auch auf die Mitpassagiere eingewirkt. Da bei uns der Lautsprecher ausgefallen war, half dies, die Passagiere nachdrücklich um Ruhe zu bitten, um die Durchsagen von den anderen Stationen her mitzubekommen. Später auch im Boot, damit sich die Evakuierungscrew überhaupt untereinander verständigen konnte."

Szenen wie im Titanic-Film
Von Bord ging es schließlich mit dem Rettungsboot. Obwohl alle Wartenden auf das Boot gelangten, waren noch etwa dreißig Plätze frei, als das Boot zu Wasser gelassen wurde. Dabei konnte es erst nicht ausgeklinkt werden. Unter vollem Einsatz löste die Evakuierungscrew die Halterungen von Innen und Außen. Ohne Werkzeugkasten wäre es ihnen nicht gelungen. "Das alles erinnerte mich an Szenen wie im Titanic-Film. Menschen in Abendgarderobe, mit Stöckelschuhen und Rettungswesten. Aber Führungspersonal, um die Evakuierung zu leiten, lange nicht in Sicht", so der Luftwaffenhauptmann, der seit Juli 1998 Mitglied in der baden-württembergischen Reservistenkameradschaft Singen ist. Der Verwaltungswissenschaftler lobt indes die Rettungskräfte von Giglio und die Organisation der Italiener am Festland. "Da klappte einfach alles. Hoch professionell! Bitter nur: Für die Masse von Frierenden auf Giglio konnten nicht ausreichend Rettungsdecken herangeführt werden. Am Samstagvormittag brachte uns dann endlich ein Schnellboot nach Porto Santo Stefano in eine Minizeltstadt der italienischen Armee mit medizinischer Versorgung. Unsere Sorge galt natürlich unserem ungeborenen Kind. Meine Frau ist im sechsten Monat schwanger. Deshalb kümmerte ich mich zuerst um sie und wich nicht von ihrer Seite."

Taxifahrer verantwortungsvoller als der Schiffskapitän
Das Vertrauen in die Schiffsführung hat Niels Czajor indes verloren: "Da wurden wir bitterlich enttäuscht. Wertvolle Zeit zum Ausbooten wurde auf Kosten von Menschenleben sinnlos vergeudet. Jetzt muss aufgeklärt werden, warum die Evakuierung erst 75 Minuten nach der Havarie eingeleitet wurde. Jeder Taxifahrer weiß um die Garantenpflicht für seine Fahrgäste und nimmt diese ernster als der Schiffskapitän. Wichtig auch, diejenigen zu entlasten, die auf Posten standen". Dennoch wird der Reservehauptmann in Zukunft noch einmal eine Kreuzfahrt machen, "denn die modernen Schiffe sind sichere Verkehrsmittel. Mit der Reederei Costa erst, wenn klare Konsequenzen aus der Katastrophe gezogen wurden".

Seit dem Unglück sind bis zum 1. Februar 17 Tote geborgen worden, unter ihnen fünf Deutsche. 15 Menschen gelten noch als vermisst. Die SWR-Sendung Report Mainz interviewte Niels Czajor für einen Beitrag unter dem Titel "Alleingelassen von der Botschaft" über das Unglück. Ab 3:47 Minuten schildert er seine Sicht der Dinge.


Detlef Struckhof

Bild oben: Die havarierte "Costa Concordia" vor der
Insel Giglio am Morgen des 14. Januar dieses Jahres
(Foto: Rvongher, Quelle: Wikipedia).

Bild unten: Auslandserfahrener Reservist: Reservehauptmann
Niels Czajor (Mitte) als Eskort-Offizier anlässlich
einer Patrouillenfahrt im Süden des Kosovo
im Mai 2007. (Fotoquelle: privat, Niels Czajor).

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