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Für eine allgemeine Dienstpflicht




In einem Meinungsartikel für die "loyal" (Ausgabe 6/2016) schreibt Dr. Michael Heidinger, Bürgermeister von Dinslaken, weshalb es wieder notwendig ist, dass jeder Bürger an der Sicherheit unseres Landes mitwirkt.

In der Mitte des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts steht Deutschland erkennbar vor neuen Herausforderungen. Diese sind sicherheitspolitisch geprägt durch weltweit zunehmende Konflikte, die nicht nur in Form konventioneller militärischer Auseinandersetzungen ausgetragen werden. Auch neue Formen der asymmetrischen und hybriden Bedrohung kennzeichnen die globale Sicherheitslage. Auf diese veränderte Lage hat die deutsche Sicherheitspolitik Antworten zu geben. Gleichzeitig hat die sich global verschlechternde Sicherheitslage eine der größten Flüchtlingsbewegungen der Neuzeit in Gang gesetzt, die – in Deutschland angekommen – gerade die kommunale Ebene an ihre Belastungsgrenze führt. Vor diesem Hintergrund hat der Reservistenverband völlig zu Recht das Problem der "Resilienz" unserer Gesellschaft thematisiert. Hiermit ist nichts anderes als die Frage gemeint, ob unsere aktuelle Sicherheitsarchitektur – auch mit Blick auf den demographischen Wandel – noch in der Lage ist, die soziale, gesellschaftliche wie auch außenpolitische Sicherheit zu gewährleisten.

Aussetzung der Wehrpflicht war eine Zäsur
Als einen substanziellen Beitrag zur Verbesserung der bundesdeutschen Sicherheitslage und Daseinsvorsorge stellt der Reservistenverband die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht zur Diskussion. Dieser Vorschlag ist sicherheitspolitisch, bildungs- und gesellschaftspolitisch sowie mit Blick auf die kommunale Daseinsvorsorge zielführend. Mit der zum 1. Juli 2011 wirksam gewordenen Aussetzung der Wehrpflicht hat die Sicherheitspolitik Deutschlands eine bemerkenswerte Zäsur erfahren. Sie betrifft sowohl den militärischen als auch den zivilen Bereich. Den Streitkräften mangelt es am qualifizierten Nachwuchs, der vormals aus den Reihen der Wehrpflichtigen kam. Bei den sogenannten Blaulichtorganisationen hat sich die Zahl der aktiven Mitglieder seit Aussetzung der Wehrpflicht in einzelnen Ortsverbänden um rund 40 Prozent reduziert – mit gravierenden Auswirkungen auf Einsatz- und Durchhaltefähigkeit. Diese Ausfälle waren auch durch die Einführung des Bundesfreiwilligendienstes nicht zu kompensieren.

Dienstpflicht sollte zwölf bis 15 Monate dauern
Sollen die aufgezeigten Defizite politisch behoben werden, so wird schnell deutlich, dass hierzu die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht ein geeignetes Instrument ist. Die Dienstpflicht könnte wie folgt ausgestaltet werden: Aus verfassungsrechtlichen Gründen muss Grundlage der Dienstpflicht die Wehrpflicht sein, da nur sie einen weitreichenden Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger rechtfertigt. Sie sollte einen zeitlichen Umfang von zwölf bis 15 Monaten haben, um ein angemessenes Verhältnis zwischen Ausbildung und Leistungserbringung zu gewährleisten. Mit Blick auf den verfassungsrechtlich vorgegebenen Gleichheitsgrundsatz und das Prinzip "Gender Mainstreaming" sollte die Wehrpflicht für Männer und Frauen gelten. Um die Wehrpflicht in einem nächsten Schritt zur Dienstpflicht auszuweiten, ist gesetzlich die Möglichkeit zu eröffnen, auf eigenen Wunsch alternativ zum Wehrdienst einer anderen sinnvollen und behördlich zugelassenen gesellschaftlichen Dienstbarkeit nachzugehen.

Engagement für die Gesellschaft
Aus Gründen der Akzeptanz und des gesellschaftlichen Wirkungsgrades sollten die zugelassenen Dienstpflichten möglichst breit angelegt sein. Neben dem Sozialdienst bei den Wohlfahrts- und Sozialverbänden sollten etwa auch der ökologische Dienst bei Naturschutzverbänden, der Friedensdienst beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der Entwicklungshilfedienst wie auch weitere gesellschaftlich relevante Dienstbereiche wählbar sein. Schließlich sollte auch die Möglichkeit wieder eingerichtet werden, die Dienstpflicht durch ein mehrjähriges Engagement bei den Blaulichtorganisationen (THW, Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Feuerwehr und andere) abzuleisten. Die Einführung einer Dienstpflicht wird nur dann mehrheitsfähig sein können, wenn sie Gegenstand einer intensiven gesellschaftspolitischen Debatte wird, in der alle gesellschaftspolitisch relevanten Aspekte der Dienstpflicht erörtert und bewertet werden.

Reservisten bekämen wieder Zulauf
Aus militärischer Sicht wird die zuvor bereits angeführte Verbesserung der Rekrutierung längerdienender Soldatinnen und Soldaten zu benennen sein. Gleichzeitig wäre durch den im Rahmen der Dienstpflicht verorteten Wehrdienst die sicherheitspolitisch möglicherweise noch mal erforderlich werdende Aufwuchsfähigkeit der deutschen Streitkräfte wieder zu gewährleisten. Schließlich würde auch die bedeutsame Gruppe der Reservistinnen und Reservisten wieder größeren Zulauf erhalten. Das würde nicht nur deren Rolle als Mittler zwischen Bundeswehr und Gesellschaft stärken, sondern auch die schnelle Aktivierung helfender Hände in Krisenlagen ermöglichen. Auch die vorgenannten weiteren Dienstbereiche könnten in erheblichem Maße von der gewaltigen Zahl dienstpflichtiger Bürgerinnen und Bürger profitieren. Insbesondere die soziale Infrastruktur würde in großem Umfang durch die Dienstpflichtigen gestärkt werden und so einen fühlbaren Einfluss auf die Qualität der kommunalen Daseinsvorsorge haben.

Positiv auch für Berufsorientierung
Über diese direkten Effekte hinaus könnte die Einführung der allgemeinen Dienstpflicht gerade jüngere Menschen wieder für die Notwendigkeit des inneren Zusammenhalts der Gesellschaft und bürgerschaftlicher Solidarität sensibilisieren. Kommunale Realität ist, dass das ehrenamtliche Engagement jüngerer Menschen zumindest in der nicht punktuellen, längerfristig angelegten Form deutlich abgenommen hat. Dies ist zum Teil auch darauf zurückzuführen, dass immer weniger Berührungspunkte mit den ehrenamtlich relevanten gesellschaftlichen Teilbereichen bestehen. Mit dem gleichen Wirkungszusammenhang könnte sich die allgemeine Dienstpflicht bildungspolitisch auch positiv auf die Berufsorientierung und die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen auswirken. Eine hoch verdichtete schulische und universitäre Bildung ist dafür ursächlich, dass aus zeitlichen Gründen kaum noch Möglichkeiten bestehen, jenseits von Klassenraum und Hörsaal gesellschaftliche Realität zu erleben. Vor diesem Hintergrund könnte eine allgemeine Dienstpflicht einen wichtigen Beitrag leisten, das gesellschaftliche Engagement jüngerer Menschen mit all seinen sozialen und individuellen Implikationen wieder auszuweiten.

Neuer Gesellschaftsvertrag
Dem Verfasser des vorliegenden Beitrags ist als Politiker nur zu bewusst, dass es großer Anstrengungen bedarf, um für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht eine gesellschaftliche und politische Mehrheit zu erringen. Zwang ist nicht attraktiv! Voraussetzung für eine solche Mehrheit ist deshalb, die gesellschaftliche Perspektive entscheidend zu ändern. Nicht zielführend ist die Vorstellung, ein anonymes Gebilde namens Staat zwinge seine Bürgerinnen und Bürger zu einem Frondienst. Aber genau hier liegt auch die Krux aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen. Es muss in stärkerem Maße gelingen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger unseres Gemeinwesens wieder mehr mit dessen Institutionen identifizieren und etwa den Staat als ihr eigenes Instrument zur Umsetzung des kollektiven Willens verstehen. Mit einer solchen Wahrnehmung könnte die allgemeine Dienstpflicht als ein neuer Gesellschaftsvertrag verstanden werden: Die Bürgerinnen und Bürger verständigen sich darauf, dass sie selbst ausnahmslos zwölf bis 15 Monate ihres Lebens zur Verbesserung der gesellschaftlichen Lebensbedingungen einbringen. Dies würde nicht nur die gesellschaftliche Verantwortungsbereitschaft erhöhen, sondern auch einen deutlichen Impuls für die Optimierung der Sicherheits- und Daseinsvorsorge der Bundesrepublik Deutschland bedeuten, von der alle in unserem Gemeinwesen lebenden Menschen in den kommenden Jahrzehnten profitieren werden.


Archivbild oben: Die Reservisten der Bundeswehr
trainieren regelmäßig die Zusammenarbeit mit den sogenannten
Blaulichtorganisationen, so wie hier während der Deutschen
Reservistenmeisterschaft (DRM) im Jahr 2013 in Lehnin
(Foto: Andelka Krizanovic).

Bild unten: Der Autor Dr. Michael Heidinger ist Bürgermeister
der Stadt Dinslaken und Oberst der Reserve
(Fotoquelle: Stadt Dinslaken, Büro des Bürgermeisters).

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