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„Geeks“ in Uniform: IT-Spezialisten der Reserve bei der Truppe




Die Computerexperten Christian Pape und Christoph Seifert sind hoch motiviert an eine Reserveübung gegangen – aber durch bürokratische Hürden ernüchtert worden. Die Bundeswehr wäre im eigenen Interesse gut beraten, ihren Umgang mit „Fachleuten der Reserve“ zu überdenken. Ein Beitrag aus dem Magazin "loyal" von Daniel Furth.

Angriffe aus dem Cyberspace, softwaregesteuerte Waffensysteme und digitale Kommunikationsnetze machen sie für die moderne Kriegsführung unverzichtbar: IT-Spezialisten. Netzwerktechniker, Programmierer und Computerforensiker sind aus dem militärischen Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch genauso essentiell sind ihre Fähigkeiten für jeden Prozess der industriellen Welt. Der IT-Arbeitsmarkt ist zu einem Bewerbermarkt geworden, auf dem sich Fachkräfte aussuchen können, welches Jobangebot sie annehmen. Nur wenige entscheiden sich für die Bundeswehr, obwohl die Streitkräfte seit einem knappen Jahr mit zusätzlichen Verpflichtungsprämien in Höhe von 1.000 Euro pro Verpflichtungsjahr locken. Der Bereich IT steht dabei exemplarisch für weitere Fachgebiete, in denen ein stetig zunehmender Nachwuchsmangel herrscht. Könnten Reservisten mit den passenden zivilen Qualifikationen die Rekrutierungslücke füllen?

Spezialisten nicht ohne Bundeswehrausbildung einsetzbar
Nicht unbedingt, heißt es in der Bundeswehr. Im Bereich IT sei "die Aufgabenwahrnehmung auf einem vakanten Dienstposten durch einen Reservisten bei gleichzeitiger Verleihung eines angemessenen militärischen Dienstgrades nicht ohne Weiteres möglich", sagt ein Sprecher des Presseinformationszentrums Personal (PIZ Personal) auf Anfrage dieser Zeitschrift. Interessierte Reservisten, heißt es weiter, müssten erst eine umfangreiche Ausbildung in der Bundeswehr absolvieren, um die geforderten Qualifikationen zu erlangen. Seit Jahren zeigt sich, dass dies nur die wenigsten Freiwilligen neben ihrem zivilen Job leisten können. Ausnahmen bestätigen die Regel. Christian Pape hatte bereits die passende Qualifikation, als er seinen ersten Reservedienst in der Bundeswehr antrat. Der wissenschaftliche Mitarbeiter im Fachbereich angewandte Informatik an der Hochschule Fulda entwickelt am Systemunterstützungszentrum Führungsdienste der Luftwaffe in Erndtebrück Programme, welche die Zusammenarbeit zwischen Waffensystemen und Soldaten bei der Luftabwehr verbessern. Dafür hat ihn die Bundeswehr auf Grundlage seines Informatikdiploms direkt vom Obergefreiten zum Hauptmann der Reserve befördert.

Einsatz für die Luftwaffe ist Zufall
„Bundeswehrprogrammierer sind Geeks in Uniform (Anmerkung: Geek = Computerfreak), die auf hohem Niveau arbeiten. Für mich ist es spannend, abseits der akademischen Lehrarbeit reale Entwicklungsprozesse erleben zu können", sagt Pape. Dass er heute Software für die Luftwaffe entwickelt, ist allerdings Zufall. Gezielt rekrutiert hat ihn die Bundeswehr dafür nicht. Vielmehr hatte ihn sein Kollege Christoph Seifert nach jahrelanger Abstinenz zurück zur Truppe geholt. Auch Seifert, Oberstleutnant der Reserve, arbeitet im Fachbereich für angewandte Informatik der Hochschule Fulda. Bis vor Kurzem war er im Stab des Führungsunterstützungsbataillons 286 in Rotenburg an der Fulda beordert, das sich um den Betrieb operativer IT-Netze im Einsatz kümmert, wobei oft Technik des US-Unternehmens Cisco zum Einsatz kommt.

Von der Karteileiche zur nützlichen Fachkraft
Seifert ist Fachmann für Cisco-Systeme. Während eines Reservedienstes hatte er die Idee, eine Weiterbildung für die Unteroffiziere des Führungsunterstützungsbataillons zu organisieren. Weil dafür immer zwei Instruktoren benötigt werden, bat er seinen Kollegen Christian Pape um Hilfe. Er wusste, dass Pape vor geraumer Zeit seinen Grundwehrdienst geleistet hatte. Doch der Kollege bezweifelte, ob er als Obergefreiter gestandene Feldwebel unterrichten sollte. Der Kommandeur in Rotenburg empfahl ihm, sich für einen höheren Dienstgrad als Reserveoffizier zu bewerben. So wurde aus der Karteileiche eines ehemaligen Grundwehrdienstleistenden aus Zufall eine für die Bundeswehr nützliche Fachkraft.

Flexibilität stößt auf bürokratische Widerstände
Am Ende konnten die beiden Reservisten sieben Feldwebeln das Zertifikat zum „Cisco Certified Network Associate“ überreichen. Das ist das Positive an dieser Geschichte. Das Negative: Die Organisation der Weiterbildung ist ein Beispiel dafür, wie die Bundeswehr das Engagement von Reservisten ins Leere laufen lässt – selbst wenn die Verantwortlichen vor Ort hinter ihnen stehen. Es begann damit, dass das Bataillon in Rotenburg nicht genug Hardware bereitstellen konnte. Pape und Seifert organisierten kurzfristig älteres Equipment der Hochschule Fulda, das sie der Bundeswehr kostenfrei überlassen hätten. Doch die Bundeswehr wollte die Geräte nicht. Sie könnten nicht ordentlich inventarisiert und daher nicht dauerhaft genutzt werden, hieß es zur Begründung. Dann mangelte es an genügend Internetzugängen in der Kaserne. So konnte der Kurs aber die Online-Abschlussprüfung nicht ablegen. Sie wurde kurzerhand an die Hochschule in Fulda verlegt. Das wiederum brachte eine Truppenschule auf den Plan, die ähnliche Lehrgänge zentral durchführt und sich in ihrer Zuständigkeit übergangen fühlte. Dabei hatten Pape und Seifert mit ihrem Engagement nicht nur dafür gesorgt, dass Soldaten auf "kurzem Dienstweg" weitergebildet werden konnten, sondern sie hatten diesen Soldaten auch noch lange Dienstreisen, Abwesenheiten und der Bundeswehr Kosten erspart.

Nicht entmutigt, aber ernüchtert
Doch darauf scheint es nicht anzukommen. Mehr noch: Die Idee von Pape und Seifert bestand darin, die Ausbilder auszubilden. Die frisch geschulten Feldwebel sollten künftig wiederum ihre Kameraden auf Cisco-Systemen schulen können. Auch das hätte Zeit und Geld gespart. Daraus wird nun nichts. Das Projekt werde nicht mehr weiter verfolgt, konstatierten Pape und Seifert enttäuscht gegenüber "loyal". Dabei hatten sie erheblichen Aufwand investiert, um alle technischen und strukturellen Probleme aus dem Weg zu räumen und um den Kurs zu realisieren. Das, sagen die beiden Reservisten, entmutige sie zwar nicht, aber ernüchtert habe sie diese Erfahrung dann schon.

Bundeswehr setzt auf auscheidende Zeit- und Berufssoldaten
Fälle wie dieser schaden der Bundeswehr in Reservistenkreisen. Die Streitkräfte haben ohnehin das Problem, nichts über die zivilen Qualifikationen der meisten Reservisten zu wissen. Fachkräfte, die seit ihrem Wehrdienst keinen Kontakt mehr zur Truppe haben, führt die Bundeswehr auch nach Jahren noch als Obergefreite der Reserve und potenzielle Wachsoldaten – selbst wenn sie mittlerweile IT- oder Logistikabteilungen leiten. Die Bundeswehr wird aber künftig auf Empfehlungen aktiver und motivierter Reservisten wie Pape und Seifert angewiesen sein, um ihren Fachkräftebedarf zu decken. Das wird im Presseinformationszentrum Personal offenkundig nicht so gesehen. Gegenüber "loyal" hieß es, die Bundeswehr setze künftig eher auf in den kommenden Jahren ausscheidende Zeit- und Berufssoldaten mit IT-Fachkenntnissen anstatt auf originäre Reservisten, die sich IT-Spezialwissen in ihrem Zivilberuf erworben haben.

Reservisten nicht vergraulen
Eine Rechnung, die wohl kaum aufgehen dürfte. Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung werden in elf Jahren nur noch 1,5 Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos sein. Die Anzahl der dann auf dem Arbeitsmarkt verfügbaren Fachkräfte werde gen null gehen – ebenso wie die Bereitschaft der Arbeitgeber, diese Mitarbeiter für einen Reservedienst freizustellen. Die Bundeswehr täte gut daran, die Papes und Seiferts dieser Welt nicht noch weiter zu vergraulen.


Bild oben: Hauptmann der Reserve Christian Pape (rechts)
unterrichtet Soldaten in Rotenburg (Foto: Bundeswehr).

Bild Mitte: Studentern der Hochschule Fulda
(Foto: Hochschule Fulda).

Bild unten: Oberstleutnant der Reserve Christoph Seifert
ist nicht entmutigt, aber ernüchtert (Foto: privat, Seifert).

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