Gegen Verfall und Vergessen: Berliner Reservisten pflegen jüdische Gräber
Als sie den Friedhof betraten, sahen sie erst mal nur eines: sehr viele alte Grabsteine. Verfallen, verwahrlost, verwaist. Die Erde war von altem Laub bedeckt, keine Sonne durchdrang die geschlossene Decke des Blätterwaldes. Was aussah wie eine längst vergessene Ruhestätte irgendwo am Rande der Stadt ist ein Friedhof mitten in Berlin-Weißensee. Ein jüdischer Friedhof. "Das Bild, das sich uns bot, war erschreckend. Ich dachte: Das schaffen wir nie", sagt Domenico Schulze. Doch der freiwillig Wehrdienstleistende (FWDL) hat sich getäuscht. Sie haben es geschafft. Der jüdische Friedhof der Israelitischen Synagogengemeinde Adass Jisroel ist heute – zwei Wochen später – gepflegt und ordentlich.
Teil des Versöhnungsprozesses
Zu verdanken ist diese Veränderung insgesamt 17 Soldaten des Wachbataillons, des Feldjägerbataillons 350 und des Standortkommandos sowie Reservisten der Landesgruppe Berlin. Zwei Wochen lang haben sie ihre Zeit geopfert um zu harken, zu fegen und aufzuräumen. Doch eigentlich haben sie noch viel mehr getan. Ihre Arbeit hat einen besonderen Stellenwert: "Sie leisten einen sehr wichtigen Teil des Versöhnungsprozesses, den wir aufgrund unserer deutschen Vergangenheit zu bewältigen haben", erklärt der Wehrbeauftrage des Deutschen Bundestages Hellmut Königshaus. "Sie spüren ihre Verpflichtung. Sie kommen dieser nach. Darauf können sie stolz sein."
"Wir kommen wieder"
Es handelte sich bereits um den elften Arbeitseinsatz der Soldaten und Reservisten auf jüdischen Friedhöfen. Er wird organisiert und finanziert vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge. Und dessen Sonderbeauftragte Joachim Freund versichert: "Der Volksbund fühlt sich auch in Zukunft für diesen Friedhof verantwortlich. Wir kommen wieder."
Bild oben: Zwei Wochen lang haben 17 Soldaten und Reservisten des Standortkommandos Berlins die Gräber des Jüdischen Friedhofs Berlin-Weißensee auf Vodermann gebracht (Foto: cb).