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Haudegen und Multiplikator mit Fotokamera




Der 21. Dezember 2002 war ein Samstag. Ein ganz normaler Routinearbeitstag im Einsatz in Afghanistan. Ein technischer Fehler an einem Hubschrauber vom Typ Sikorsky CH-53 riss sieben deutsche Isaf-Soldaten in den Tod. "Kurz vor Weihnachten hat uns das besonders schwer getroffen", sagt Stabsfeldwebel der Reserve Wolfgang Minich. Er war damals Informationsfeldwebel im Presse- und Informationszentrum (PIZ) der Bundeswehr in Kabul. "Ursprünglich hätte ich mitfliegen sollen. Das beschäftigt mich auch heute noch immer wieder in meinen Gedanken und Gesprächen", so der heute 63 Jahre alte Reservist.

Erfahrung wichtig für Tätigkeit als Ausbilder
Seinerzeit hat er den Pressesprecher Oberstleutnant Paul-Georg Weber unterstützt. "Dieser Einsatz hat uns zusammengeschweißt", so Minich. Seitdem arbeiten die beiden immer wieder zusammen. Weber ist heute Fachbereichsleiter für die Ausbildung in der Informationsarbeit an der Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation (AIK) in Strausberg. Dorthin hat Weber den Reservisten Minich als Ausbilder geholt. Weber sagt: "Wolfgang Minich bringt viel Wissen und Erfahrung mit. Dieses Wissen bringt er äußerst menschlich und Kompetent rüber. Vom Schreiben, Fotografieren sowie von der Fotobearbeitung versteht er was. Und ein Presseoffizier muss sich auf seinen Info-Feldwebel blind verlassen können, denn in einem so kleinen Presse-Team muss jeder vor Journalisten aussagefähig sein. Stabsfeldwebel Minich bringt all das mit, um es an andere weiterzugeben."

Tugenden in der Krise: Offenheit, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit
Und tatsächlich begeistert Minich die Lehrgangsteilnehmer an der AIK. Er – der Reservist – betreut und schult seit sechs Jahren die meist aktiven Soldaten in den Informationsfeldwebellehrgängen der Bundeswehr. Gelegentlich ist auch mal ein beorderter Reservist unter den Lehrgangsteilnehmern. Die Bundeswehr will mit ihren Ausbildungsgängen an der AIK für einen modernen und offenen Umgang mit der Presse werben. Deshalb profitieren die gestandenen Portepeeunteroffiziere von den Situationen, die Minich erlebt und gut gemeistert hat. Sie alle trainieren vor und hinter der Kamera mit Journalisten. Diese Übungen sollen sie vor allem fit machen für mögliche Krisensituationen und die Beratung von Vorgesetzten. "Offenheit, Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit sind die Tugenden in der Krise. Eventuell gemachte Fehler sollen offen und wahrheitsgemäß eingeräumt werden. Daraus kann die Bundeswehr laufend lernen und immer besser werden in ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Das schafft Vertrauen und Anerkennung in der Bevölkerung", sagt Oberstleutnant Weber über die Ziele der Ausbildung. "Dieses Wissen zu vermitteln, geht nicht ohne eigene Einsatzerfahrungen."

Lehrgangsteilnehmer profitieren
Deshalb hat sich Weber den Reservisten an die AIK geholt. Etwa 180 Soldaten hat der Fallschirmjäger-Stabsfeldwebel Minich inzwischen ausgebildet. Im November vergangenen Jahres waren es elf Männer und eine Frau. Feldwebel Nurgün Ekmekcibasi (26) aus Köln war die einzige Frau und gleichzeitig die Jüngste unter den Teilnehmern. Sie sagt: "Wolfgang Minich ist dort, wo ich hinkommen will. Er hat so viel Einsatzerfahrung. Davon profitiere ich in den drei Wochen sehr.“ Hörsaalältester Jean Claude Braunshausen (44) aus Koblenz sagt: "Er ist ein Unikat, ein Haudegen mit Erfahrung. Wenn mir keiner gesagt hätte, dass er ein Reservist ist, hätte ich es nicht gemerkt."

Alltägliches Leben wird nach Einsatz anders wahrgenommen
Dass der hauptberufliche Fotojournalist Minich nicht als Reservist auffällt, liegt sicherlich an dem Einsatz, den Minich für die Bundeswehr aufbringt. 1.500 Wehrübungstage und unzählige Einsätze während sogenannter Dienstlicher Veranstaltungen (DVag) machen den Familienvater von zwei erwachsenen Töchtern zu einem kompetenten Multiplikator für die Bundeswehr. Acht Auslandseinsätze – einmal KFOR, einmal SFOR und sechsmal Afghanistan – haben ihn jedoch auch geprägt. "Wenn du mal einen ganzen Tag in einem Bunker sitzt und mitbekommst, wie es oben knallt, und nach Anschlägen oder bei schweren Unfällen fotografisch dokumentieren musst, dann wächst du mit den Kameraden zusammen. Dann nimmst du dein alltägliches Leben ganz anders wahr", sagt der Vollbärtige nach Feierabend nachdenklich bei einem Glas Rotwein. Überhaupt erzählt der 63-Jährige immer ruhig und sehr anschaulich von seinen Erfahrungen. Auch nach Dienst nutzt Minich jede Gelegenheit zum Austausch mit den Kameraden. Aus jedem Satz können die Zuhörer etwas für sich herausziehen. So berichtet er den Feldwebeln in einem über zweistündigen Bildvortrag über seine Einsätze am Hindukusch – anschaulich, emotional ergreifend, spannend. Bilder von glücklichen und traurigen Kindern, von Kriegsversehrten, Hungernden und Anschlägen sowie von Prominenten, denen es dort gut geht. Rote Mohnfelder zeugen vom Leid der Abhängigen in aller Welt. Nach dem Vortrag herrscht eine nachdenkliche Ruhe unter den Zuhörern, die Minich mit einem Witz wieder aufzulockern weiß. Dann kommen die Nachfragen. An der Bar der AIK wird es spät bei Wein, Mineralwasser, Bier und Salzstangen.

Zeit für dicke Zigarren und Gespräche mit Kameraden
An seiner Uniform prangen die Einsatzmedaillen. "Für die goldene Isaf-Medaille fehlen mir noch 20 Tage, glaube ich. Doch die werde ich wohl nicht mehr zusammenbekommen. Ich werde im Mai 2014 letztmalig die Uniform als Reservedienstleistender anziehen. Dann begleite ich noch einmal den Informationsfeldwebellehrgang und weise meinen Nachfolger ein", so Minich. Für die Zeit nach dem aktiven Reservistendienst hat er dennoch viel vor mit der Bundeswehr. Seit 2004 ist der Fallschirmjäger Mitglied im Reservistenverband. Beordert ist er beim Fallschirmjägerbataillon 261 im saarländischen Lebach. "Das Bataillon wird aufgelöst. Deshalb will ich bei der Erstellung einer Chronik helfen", sagt er wehmütig. Von solchen Chroniken hat Minich schon fünf für seine Fallschirmjäger gemacht – außerdem Kontingentbücher in den Einsätzen bei KFOR und Isaf. Damit hinterlässt er der Bundeswehr ein Stück Einsatzgeschichtsschreibung – authentisch mit Bildern dokumentiert, mit Freud und Leid in den Einsatzgebieten. "Das ist die Aufgabe eines Informationsfeldwebels: Dokumentieren für die Nachwelt, für die Bundeswehr. Außerdem helfen wir Journalisten, damit diese realitätsnah über das berichten können, was wirklich passiert in den Einsätzen", so Minich. Auf jeden Fall wolle er sich im Reservistenverband einbringen und Kontakte zu seinen Kameraden pflegen, so wie schon oft. "Dann rauchen wir schon mal dicke Zigarren und wir reden über alte Zeiten, von Übungen und Einsätzen". Und dazu gehört natürlich auch immer wieder der Hubschrauberabsturz von Kabul, die Traurigkeit und Hilflosigkeit eines ganzen Kontingents an Weihnachten und Silvester. Aber auch die vielen Fortschritte, die Minich in sechs Einsätzen am Hindukusch erleben und dokumentieren konnte.


Detlef Struckhof

Archivbild oben: Nach dem Absturz. Feuerwehrleute löschen
am 21. Dezember 2002 den in Kabul zerschellten Helikopter
vom Typ CH-53 (Foto: Bundeswehr, PIZ Kabul).

2. Bild: Stabsfeldwebel der Reserve Wolfgang Minich (links)
zeigt Generalleutnant Friedrich Riechmann (Mitte)
ein Poster mit der Ausrüstung der Isaf-Truppen.
Rechts: Oberstleutnant Paul-Georg Weber, damals Pressestabsoffizier
der Bundeswehr in Kabul (Foto: Bundeswehr, PIZ Kabul).

3. Bild: Stabsfeldwebel der Reserve Wolfgang Minich (rechts)
unterstützt Lehrgangsteilnehmer der AIK bei der Lösung
einer Krisen-Aufgabe im Lehrgang Informationsfeldwebel
(Foto: Detlef Struckhof).

4. Bild: Stabsfeldwebel der Reserve Wolfgang Minich
während eines Einsatzes in Afghanistan zwischen
einheimischen Kindern (Foto: privat).

5. Bild: Stabsfeldwebel der Reserve Wolfgang Minich als Pressefeldwebel
ausgerüstet mit seinen Fotokameras, die er gerne als die Waffen
des Pressefeldwebels bezeichnet (Foto: privat).

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