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Nächstes Ziel Kaukasus? Russland und seine südlichen Nachbarn

Die russische Invasion der Ukraine im Februar 2022 hat die sicherheitspolitische Lage in Europa erschüttert. Die Blicke der NATO und Europäischen Union konzentrieren sich vor allem auf die Mitgliedstaaten im Baltikum, die in direkter Nachbarschaft zu Russland liegen. Auch der Balkan steht wieder im politischen Fokus der EU. Eine andere Region in direkter Nachbarschaft Russlands wird gerne vergessen: der Kaukasus. Die an der Grenze zwischen Europa und Asien gelegene Region gilt als höchst fragil und zwischen „Ost“ und „West“ gespalten. Das politische und militärische Eingreifen Russlands im Bergkarabach-Krieg 2020 hat die Ambitionen von Kreml-Herrscher Wladimir Putin unterstrichen. Welche Auswirkungen hat der Krieg in der Ukraine auf den Kaukasus?

(Foto: Max071086 via Wikimedia Commons)

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Im November 2020 schickte Russland Soldaten zur Friedenssicherung in das Krisengebiet Bergkarabach. Die Region gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, wird aber von Armeniern bewohnt und regiert. Der Militäreinsatz war Teil des Waffenstillstandsabkommen zwischen Russland, Aserbaidschan und Armenien. Die russischen Streitkräfte sollen das umstrittene Gebiet bewachen und zur Deeskalation beitragen. Der Bergkarabach-Konflikt stellt jedoch lediglich einen Konflikt im Kaukasus dar, dessen Name sich vom gleichnamigen Gebirge ableitet.

Der Norden: fest in russischer Hand

Der nördliche Teil der Region gehört zur Russischen Föderation. Er zeichnet sich durch eine Vielzahl an ethnischen Gruppen islamischen Glaubens aus. Hierzu zählen die Tschetschenen, Avaren, Darginer, Kumyken, Tscherkessen, Inguschen und Lesgier. Die ebenfalls ansässigen Osseten hingegen sind überwiegend christlich-orthodox. Bezeichnend für den Nordkaukasus ist auch seine hohe sprachliche Diversität. Aufgrund der kulturellen Vielfalt haben die meisten Ethnien autonome Republiken innerhalb Russlands.

Islamistisch-separatistischen Gruppierungen reicht die bisherige Autonomie nicht aus. Die Zunahme an Selbstmordattentaten im Nordkaukasus und in russischen Großstädten seit der Jahrtausendwende wird zumeist auf Islamisten aus den Republiken Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien zurückgeführt. Eine wichtige Rolle nahm hierbei das dschihadistische Kaukasus-Emirat ein. Die Terror-Organisation ging 2015 in den regionalen Ableger des Islamischen Staates auf.

Tschetschenien und Ossetien: pro-russische Teilrepubliken

In Tschetschenien kam es nach dem Zerfall der Sowjetunion von 1994 bis 1996 und von 1999 bis 2009 zu zwei Unabhängigkeitskriegen. Die Kriege zeichneten sich durch massive Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten und eine hohe Anzahl an zivilen Opfern aus. Insbesondere bei der russischen Bombardierung von Wohnblöcken werden Parallelen zum Vorgehen im aktuellen Ukraine-Krieg offenbar. Seit dem Kriegsende wird Tschetschenien vom kremltreuen Warlord Ramsan Kadyrow mit harter Hand regiert. Die für ihre Brutalität berüchtigten Spezialtruppen Kadyrows beteiligen sich am russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Ein Sonderfall stellt die Situation der Osseten dar. Der nördliche Teil des Siedlungsgebiets ist eine Teilrepublik der Russischen Föderation. Südossetien hingegen gehört völkerrechtlich zu Georgien. Nach der Auflösung der Sowjetunion strebte die zuvor autonome Provinz im Süden nach Unabhängigkeit. Erst der Einmarsch russischer Streitkräfte 2008 ermöglichte die Abspaltung von Georgien. Seitdem ist die Provinz politisch und militärisch vom Kreml abhängig. Die Regierung Südossetiens befürwortet den russischen Militäreinsatz in der Ukraine und strebt den Beitritt zur Russischen Föderation an.

Politische Karte des Kaukasus. (Bild: Jeroencommons via Wikimedia Commons)

Georgien: Streben nach Europa und regionale Konflikte

Georgien ist geprägt von zwei regionalen Konflikten, in die Russland militärisch involviert ist. Neben Südossetien hat die georgische Regierung seit 2008 auch keine Kontrolle mehr über die Region Abchasien. Die Abchasen ähneln kulturell und sprachlich den Tscherkessen, sind aber meist orthodoxe Christen. Während Russland die Unabhängigkeit beider Regionen anerkennt, lehnen dies weltweit fast alle Staaten ab. Die georgische Regierung betrachtet Abchasien und Südossetien als von Russland militärisch besetzt. Ohne die beiden abtrünnigen Regionen weist das Land eine Bevölkerung von über 3,7 Millionen auf. Rund 87 Prozent sind christlich-orthodoxe Georgier.

Die Republik strebt nach Westen und wehrt sich gegen den destabilisierenden Einfluss Russlands. Alle Regierungen nach der Rosenrevolution 2003 haben die Aufnahme in die EU und NATO zum Ziel. Auf dem NATO-Gipfel 2008 erhielt Georgien die Perspektive für eine zukünftige Mitgliedschaft. Das Land verknüpft damit eine Stabilisierung der Region. Russland hingegen nahm dies zum Anlass militärisch im Land einzugreifen. Georgien hat auch die Beziehungen zur EU in den letzten Jahren vertieft. Den ursprünglich für 2024 geplanten Mitgliedschaftsantrag hat das Land unmittelbar nach der russischen Invasion der Ukraine eingereicht. Im Gegensatz zu den nahezu zeitgleichen Bewerbungen der Ukraine und Republik Moldau erhielt Georgien im Juni 2022 keinen EU-Kandidatenstatus.

Die georgische Regierung und Bevölkerung sind pro-europäisch eingestellt und solidarisieren sich mit der Ukraine. Viele fühlen sich an die russischen Militäroperationen im eigenen Land erinnert. Im April 2022 verkündete die Regierung, sich an den internationalen Sanktionen gegen Russland zu beteiligen. Die EU unterstützt das Land darin, energiewirtschaftlich unabhängiger von Russland zu werden.

Armenien: Isoliert und von Russland abhängig

Armenien hat eine Bevölkerung von knapp 3 Millionen Menschen, von denen 98 Prozent christlich-orthodoxe Armenier sind. Die Republik hat keinen Meereszugang und gilt als relativ arm. Aufgrund der schlechten Beziehungen zu den Nachbarstaaten Aserbaidschan und Türkei pflegt das Land enge sicherheitspolitische und wirtschaftliche Beziehungen zu Russland. So ist Armenien Mitglied im von Russland dominierten Verteidigungsbündnis „Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit“ (OVKS). Die 2002 gegründete Militärallianz gilt als Gegenstück zur NATO. Infolgedessen hat sich das Verhältnis zu Georgien deutlich abgekühlt.

Die enge Bindung an Russland belastet das Verhältnis des Westens zu Armenien. So haben die Vereinigten Staaten als traditionelle Unterstützer ihre Finanzhilfen stetig reduziert. Neben der Nähe zu Russland kritisieren die USA auch das gute Verhältnis Armeniens zum Iran. Eine NATO-Mitgliedschaft gilt als höchst unwahrscheinlich. Die Beziehungen zur EU hingegen sind gut und mündeten 2017 in einen Partnerschaftsvertrag. Aufgrund der Abhängigkeit von Russland hat Armenien den russischen Angriffskrieg in der Ukraine nicht verurteilt.

Aserbaidschan: Ölreichtum und außenpolitischer Spagat

Der wirtschaftliche stärkste, unabhängige Staat im Kaukasus ist Aserbaidschan. Dies ist vor allem auf die großen Ölvorkommen zurückzuführen. Die Republik wird seit 2003 vom autoritären Präsidenten Ilham Alijew regiert. Rund 92 Prozent der Bevölkerung sind muslimische Aserbaidschaner. Aufgrund ihrer sprachlichen und kulturellen Nähe zu den Türken gelten die Beziehungen zwischen beiden Ländern als eng. Trotz der guten wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland gilt das Verhältnis zu Georgien als freundschaftlich. Aserbaidschan erhält Rüstungsgüter aus Russland, ist aber nicht Mitglied im russischen Militärbündnis OVKS.

Das Streben nach außenpolitischer Unabhängigkeit zeigt sich auch beim Verhältnis zur NATO und EU. So wurde die Kooperation zwischen Aserbaidschan und der NATO in den letzten Jahren ausgebaut. Das Land beteiligte sich an Friedensmissionen im Kosovo, im Irak und in Afghanistan. Auch die Beziehungen zur EU haben sich auf politischer und wirtschaftlicher Ebene verbessert. Problematisch für den Westen sind die schlechte Menschenrechtslage, die guten Beziehungen zu Russland und der Bergkarabach-Konflikt.

Bergkarabach-Konflikt: russische Militärpräsenz im Süden

Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach eskalierte bereits 1988. Damals waren beide Staaten noch Teil der Sowjetunion. Das Ende des ersten Krieges 1994 führte zur Vertreibung der aserbaidschanischen Minderheit und Gründung einer de facto eigenständigen Republik. Die folgenden Jahre waren von einzelnen Zwischenfällen geprägt. Im September 2020 brach ein neuer Krieg aus, den Aserbaidschan auch dank Unterstützung der Türkei gewann. Mitentscheidend für den aserbaidschanischen Sieg war der großflächige Einsatz von Kampfdrohnen. Vor diesem Hintergrund sprachen Militärexperten auch vom ersten Drohnenkrieg.

Unter Vermittlung des russischen Präsidenten Putin unterzeichneten Armenien und Aserbaidschan im November 2020 ein Waffenstillstandsabkommen. Teile von Bergkarabach mussten von der armenischen Bevölkerung evakuiert und an Aserbaidschan abgetreten werden. Des Weiteren stimmten beide Staaten der Stationierung von 2.000 russischen Soldaten zur Friedenssicherung zu. Hierbei handelt es sich um die erste Stationierung russischer Streitkräfte im Südkaukasus nach der Auflösung der Sowjetunion.

Wladimir Putin und Ilham Alijew bei der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens. (Foto: The Presidential Press and Information Office’s of Azerbaijan via Wikimedia Commons)

Die Zwischenfälle nehmen seit Anfang 2022 wieder erheblich zu. Sicherheitsexperten vermuten, dass Russland militärische Einheiten aus Bergkarabach für den Krieg in der Ukraine abgezogen hat. Parallel finden Friedensverhandlungen unter Vermittlung Russlands und der EU zwischen Armenien und Aserbaidschan statt. Eine Einigung beider Länder ohne russische Beteiligung liegt nicht im Interesse von Kreml-Herrscher Putin und könnte für politischen Sprengstoff sorgen. Im September 2022 eskalierte der Konflikt erneut, nachdem Aserbaidschan Orte in Armenien angriff.

Was wird im Kaukasus geschehen?

Der russische Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 hinterlässt auch Spuren im Kaukasus. Dass Russland die Region als seine Einflusszone betrachtet, zeigt die Militärpräsenz in Bergkarabach und in den abtrünnigen georgischen Provinzen Abchasien und Südossetien. Der Norden des Kaukasus – von den russischen Teilrepubliken bis zu den abtrünnigen Provinzen – gilt als kremltreu und befürwortet die Invasion der Ukraine. Im Süden der Region gehen die Meinungen weit auseinander. Während sich das autoritär regierte Aserbaidschan als neutraler Vermittler anbietet, vermeidet das wirtschaftlich von Russland abhängige Armenien jegliche Kritik am Angriffskrieg.

Georgien hingegen orientiert sich seit der russischen Invasion der Ukraine noch stärker am Westen. So führte das Land nicht nur die Sanktionen gegen Russland ein, sondern stellte den Antrag auf eine EU-Mitgliedschaft. Die Ablehnung des EU-Kandidatenstatus änderte nichts an der pro-europäischen Haltung der georgischen Regierung und Zivilgesellschaft. Das bereits angespannte Verhältnis zu Moskau bleibt belastet und könnte durch einen offiziellen Beitritt Südossetiens zu Russland verschärft werden. Auch ein möglicher Vermittlungserfolg der EU zwischen Armenien und Aserbaidschan im Bergkarabach-Konflikt könnte für politische Turbulenzen sorgen. Sollten sich beide verfeindeten Staaten ohne Russland einigen und Georgiens politische Orientierung gen Westen folgen, wäre ein Konflikt mit Russland im Kaukasus faktisch vorprogrammiert.

 

Literaturtipps:


Dieser Text stammt aus dem Sicherheitspolitischen Newsletter des Sachgebietes Sicherheitspolitische Arbeit. Diesen können Sie hier abonnieren.

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