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Nahostkonflikt: Israelische „Gaza-Operation“ 2008/2009




UN-Untersuchungsbericht stellt Israel international an den Pranger Israels Gaza-Krieg von Dezember 2008/Januar 2009 scheint gut ein Jahr danach längst aus dem Bewusstsein der Weltöffentlichkeit gewichen zu sein, wäre da nicht der so genannte "Goldstone-Bericht" vom 15. September 2009 1). Die für den Bericht eingesetzte UN-Sonderkommission basiert auf folgendem Mandat des Präsidenten des UN-Menschenrechtrates an das Büro "Hoher Kommissar für Menschenrechte" – "Office of the UN High Commissioner für Human Rights" OHCHR – in Genf: "Alle vor, während und nach den Gaza-Militäroperationen vom 27. Dezember 2008 bis zum 18. Januar 2009 vermutlich begangenen Verletzungen des Internationalen Kriegsvölkerrechts und der Internationalen Menschenrechte sind zu untersuchen". Die Erstellung der fast 600 Seiten umfassenden offiziellen Dokumentation stand unter der Federführung des südafrikanischen Richters, Völkerrechtlers und ehemaligen UN-Chefanklägers Richard Goldstone.
Dem Berichtsvorgang lag folgende Vorgeschichte zugrunde: Als Reaktion auf den seit Jahren andauernden, nicht endenden Raketenbeschuss israelischen Territoriums durch die Hamas eröffnete Israel – unter einseitiger Aufhebung des bis dahin vereinbarten Waffenstillstandes – mit der Bezeichnung "Operation Cast Lead" ("Operation Gegossenes Blei") am 27. Dezember 2008 militärische Luftschläge mit anschließendem Einsatz von Bodentruppen gegen Hamas-Ziele im Gaza-Streifen. Erklärtes Ziel Israels war es, mit dem Waffengang und einer möglichen Besetzung des Gaza-Streifens "eine neue Abschreckungslage gegenüber Hamas zu schaffen und damit spätere diplomatische Verhandlungen auf eine
neue Grundlage zu stellen". Im Verlauf der Kampfoperation wurden auf Palästinenserseite rund 1 400 Zivilisten und auf Seiten der israelischen Streitkräfte dreizehn Soldaten getötet sowie in Gaza große materielle Zerstörungen verursacht.
Dabei – so die Verdächtigungen der UN-Seite, die sich in ihren Anklagen laut Bericht auf 188 Interviews, 10 000 Dokumente und 12 000 Fotos abstützte – sollen sich beide Seiten massiver Verletzungen des Kriegsvölkerrechtes und mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschenrechte schuldig gemacht haben. Nach Veröffentlichung des "Goldstone-Papiers" erging von der UNO an beide Kriegsparteien die Aufforderung, angesichts der laut Bericht zum Teil massiven Anschuldigungen – besonders gegenüber Israel, das damit gleichsam international an den Pranger gestellt wird – ihrerseits unabhängige Untersuchungen vorzunehmen oder zuzulassen. Als Frist wurde die Zeit bis zur nächsten UN-Generalversammlung am 5. Februar 2010 vorgegeben. Die palästinensische Hamas-Seite verwarf den UN-Bericht umgehend als "unfair, unausgewogen und wirklichkeitsfremd" und verwies auf den Hauptschuldigen Israel, dessen Verantwortliche vor einen internationalen Gerichtshof geladen werden müssten. In einer jüngst kurz vor Fristablauf bekannt gewordenen mehrseitigen internen Stellungnahme versuchte der offizielle Hamas-Beauftragte, Justizminister Faraj al-Ghoul, Hamas von den Goldstone-Vorwürfen rein zu waschen. Er behauptete, die palästinensischen Kassam-Raketen seien strikt auf militärische Ziele gerichtet und israelische zivile Opfer seien unbeabsichtigt gewesen. Dafür habe Hamas sich nicht zu entschuldigen.
Die Haltung Israels zum "Goldstone-Bericht" entlud sich zunächst in vielfältiger Empörung der Regierungsseite, der sich sogar Israels Staatspräsident Shimon Peres mit der Feststellung anschloss, "der Goldstone-Kommissionsbericht ist eine Verhöhnung der Geschichte. … Der Bericht legitimiert praktisch den Terrorismus und billigt vorsätzliches Schießen und Töten, ignoriert jedoch das Recht auf Selbstverteidigung eines Staates gemäß UN-Charta".
Das weitere Vorgehen der israelischen Führung manifestierte sich gleichsam in einer groß angelegten Widerspruchskampagne, die sich zwar eigenverantwortlich auf intensive Ermittlungs- und Untersuchungsmaßnahmen erstreckte, unabhängige Nachforschungen und Überprüfungen von außerhalb jedoch strikt ablehnte. So veröffentlichte das israelische Außenministerium mit zwei umfangreichen Dokumentationen ausführlich Israels Stellungnahme zum UN-Bericht und erläuterte die von der Regierung getroffenen Maßnahmen, um "die Gaza Operation in den richtigen Sach- und Rechtszusammenhang zu stellen". Dabei wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass "Israels Untersuchungsprozedere – wie das vieler Staaten – eine Reihe von gegenseitigen Kontrollen und vielfältige Schichten der Überprüfung enthält, um Unparteilichkeit und Unabhängigkeit zu gewährleisten".
Israel legt in seiner ersten Dokumentation (The Operation in Gaza – 7 December 2008-18 January 2009 – Factual and Legal Aspects, Juli 2009 ) 2) großen Wert auf die Feststellung, dass man mit der eingerichteten Rechtshierarchie in der Abstufung Militärgeneralanwalt – Generalstaatsanwalt – Oberster Gerichtshof in angemessener Weise den Forderungen der UN-Seite nach eigenverantwortlichen Untersuchungen entspreche. Dieser erste Bericht erlaube aufgrund des großen Umfangs an Überprüfungen und Nachforschungen noch keine abschließende Gesamtbeurteilung. Daher hat Israel Anfang Dezember 2009 – nach Beendigung der Prüfung von insgesamt 150 Vorfällen – von denen bislang 36 Fälle als "ernsthaftest" eingestuft zur Strafverfolgung abgegeben wurden, auf eine zweite Dokumentation hingewiesen (Gaza Operations Investigation: An Update) 3). Sie wurde am 1. Februar 2010 – rechtzeitig vor Ablauf der UN-Fristvorgabe – veröffentlicht und dem UN-Generalsekretär vorgelegt. Das israelische Außenministerium erläutert in diesem 45-seitigen Update-Bericht – neben dem aktuellen Sachstand seiner noch laufenden Untersuchungen – die grundsätzlichen Schwierigkeiten, in die heutzutage Rechtstaaten bei Konflikten mit Nicht-Regierungsgruppierungen wie Hamas geraten. In diesen so genannten asymmetrischen Konflikten, so die israelischen Ausführungen, stehe man einem Gegner gegenüber, der keinerlei Notwendigkeit für Bindungen an gesetzliche und humanitäre Normen und Pflichten für sich erkennt.
Israels bisherige Antworten auf den "Goldstone-Bericht" manifestieren sich in "hauseigenen" Untersuchungen. Noch ist unklar, wann und in welcher Form die UNO sich mit dem Problem "Gaza-Operation" befassen wird. Die ursprünglich für Anfang Februar angesetzte Behandlung im Rahmen einer UN-Generalversammlung wurde ausgesetzt. Der UN-Generalsekretär leitete die ihm offiziell vorgelegten Berichtspapiere zunächst dem höchsten Völkergremium zur Begutachtung weiter. Es bleibt abzuwarten, ob man sich in UNO-Kreisen mit den Reaktionen und Maßnahmen der beiden Kriegsparteien begnügen wird oder ob weitergehende Untersuchungen durch eine Internationale Gerichtsbarkeit zu fordern sind. Was Israel betrifft, das von Richter Goldstone als "Hauptangeklagter" eingestuft wurde, so wird es den Aufklärungsprozess zum "Fall Gaza" zu instrumentalisieren versuchen, um mit interner staatlich-autorisierter Rechtfertigung in der weiteren Behandlung des Nahost-Konfliktes für sich politisches Kapital zu schlagen. (hem)
1) http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrcouncil/specialsession/9/docs/UNFFMGC_Report.pdf
2) http://www.humansecuritygateway.com/showRecord.php?RecordId=31961
3) http://www.humansecuritygateway.com/showRecord.php?RecordId=31962

(Quelle: Siak – 02/2010)
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