Neue Bekleidung unter Extrembedingungen getestet
"Etwa im Rhythmus von 15 bis 20 Jahren ist – das gilt auch für andere Nato-Länder – eine neue Uniform für die Soldaten fällig: Erhöhte Waffenwirkung, technologische Veränderungen im Textilsektor und, nicht zu vergessen, neuartige Tragegewohnheiten und wechselnder Modegeschmack spielen eine Rolle. Auch der Bundeswehr laufen derzeit neue Bekleidungsstücke zu. Die Soldaten sind dann atmungsaktiv getarnt."
Als die Kleidung laufen lernte
So beginnt ein Beitrag im sicherheitspolitischen Magazin "loyal" (Ausgabe 12/93). Damals stellte die Redaktion die noch heute weitgehend aktuelle Kleidung vor. Sie war die Antwort auf die Forderungen nach einem in sich geschlossenen Bekleidungssystem, nachdem in den 1980er Jahren die Unzulänglichkeiten von "Oliv" aufgedeckt worden waren. "Atmungsaktiv getarnt" waren die Soldaten, verrät der Titel. Und der Einstiegstext offenbart sogar, dass das "Bekleidungssystem 90" nicht nur trocken hielt, sondern sogar selbstständig zur Bundeswehr laufen konnte. So multifunktional war noch keine Armee-Kluft! Da kann sich die neue "Kampfbekleidung Einsatz/Übung" mal eine Scheibe von abschneiden, denn die läuft der Bundeswehr nicht zu, sondern lässt sich tragen.
Und wie sich das für die Soldaten anfühlt, wird derzeit unter extremen Bedingungen getestet: im österreichischen Gebirge, in Französisch Guayana, in Texas und in Schweden. Die Bundeswehr hat die Tests in einer Bildergalerie festgehalten.
Jeder Stoff ist auf die anderen Materialien abgestimmt
Dabei fielen den Testern nur Kleinigkeiten negativ auf. "Anfangs waren einige Reißverschlüsse zu klein. Wenn Schmutz in die Teile kam, funktionierten sie nicht mehr richtig. Das Problem kenne ich auch aus dem zivilen Outdoor-Bereich. Die Verbesserung der Lüftungsmöglichkeiten war auch so ein Thema, das ganz schnell auffiel, sobald man ins Schwitzen kam", sagte Hauptmann Christian Stahl von der 3. Kompanie des Luftlandeunterstützungsbataillons 262 im Interview mit bundeswehr.de. Insgesamt 14 Soldaten dieser Einheit bildeten den Kern der Erprobung.
Die eigentliche Innovation liegt darin, jeden Stoff exakt auf die anderen Materialien abzustimmen, um so ein leistungsfähiges Gesamtsystem zu schaffen. Dabei wird die über die Haut abgegebene Feuchtigkeit vom Gewebe der Unterwäsche vollständig aufgenommen und gleichmäßig nach außen abgegeben, erklärt die Bundeswehr. Zudem werde der Körper durch weitere Schichten vor Kälte und Nässe von außen geschützt. Das verhindert, dass Schweiß auf der Haut den Körper zu stark auskühlt.
Nässeschutz zum Drunterziehen
Im Einzelnen besteht das neue System aus kurzen und langen Unterwäsche-Varianten, aus einem leichten Unterzieh-Kälteschutzanzug, einem Nässe- und Windschutz-Unterziehanzug und aus einem körpernahen Kampfanzug. Als Ergänzung des Systems wurde zusätzlich eine neue Fleecejacke entwickelt, die sich ebenfalls durch eine flammhemmende Funktion auszeichnet und die beispielsweise im Lager getragen werden kann. Erprobungen haben gezeigt, dass Schutzkleidung zum Unterziehen funktionaler ist als über dem Kampfanzug getragene. Außerdem kann der Soldat problemlos so sämtliche Taschen seines Kampfanzuges erreichen. Der Nässeschutz ist besonders leichtgewichtig und hat ein kleines Packvolumen. Für einen Soldaten im Einsatz ist beides wichtig.
Die umfangreichen Tests, verbunden mit einer präzisen Analyse der Ergebnisse, lieferten schließlich die Ergebnisse für den "letzten Schliff" der Prototypen, bevor die Industrie – nach detaillierten Vorgaben der Bundeswehr – mit der Fertigung beauftragt werden soll.
Bild oben:
Einfacher Seilsteg: Auf der Hindernisbahn in
Französisch Guayana wird die Bekleidung auf
jede einzelne Naht überprüft.
(Foto: Bundeswehr/Eve)
Zweites Bild:
"loyal"-Ausgabe aus dem Dezember 1993. Damals
wurde das "Bekleidungssystem 90" vorgestellt.
(Foto: Reservistenverband)
Drittes Foto:
Blick in die Geschichte der Bundeswehr-Uniform:
Generalmajor Wolf Stefan Traugott Graf von Baudissin
im "frühen Flecktarn" und Soldaten bei der Übung
"Winterschild II" im Februar 1961. Wer erkennt den Promi?
(Fotos: NatoPhoto, Archiv Bundeswehr)
Bild unten:
Der "Regenmacher" testet, ob der Nässeschutz
dicht hält. (Foto: Bundeswehr/Heinz Hecht)