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Die Reserve

Neue Wege für die Reserve im Heer

Generalleutnant Johann Langenegger ist Beauftragter für Reservistenangelegenheiten des Heeres. In einem Gastbeitrag skizziert er drei Maßnahmenpakete für einen attraktiven Reservistendienst.

Soldaten verteidigen ihren Gefechtsstand mit Hilfe einer Panzerfaust bei der multinationalen Übung Allied Spirit 2022 in Hohenfels.

Foto: Bundeswehr/Baehr

heerreserve

Eine starke Reserve verhält sich zum übrigen Heer, wie die Sehnen und Bänder zum menschlichen Körper. Die Muskeln können noch so stark, die Knochen noch so fest und das Gehirn noch so leistungsfähig sein – ohne ebenso belastbare wie flexible Bänder, die alles zusammen halten, ist der Körper matt, die Leistungsfähigkeit gering. Dass unsere Reserve im Heer belastbar und flexibel ist und damit die Handlungsfähigkeit des Heeres entscheidend fördert, hat sie in den vergangenen Dekaden immer wieder eindrucksvoll nachgewiesen. Die Reservisten sind untrennbarer Teil des Deutschen Heeres. Ob als erfahrene Ausbilder in der Grundausbildung, als Kompetenzträger im Einsatz oder Fachexpertise in den Kommandos und Stäben, Reservisten unterstützen an vielen Stellen. Die teilweise aus dem zivilen Umfeld mitgebrachten Fähigkeiten unserer Reservisten stellen auch im Einsatz einen signifikanten Mehrwert dar. Ob in der zivilmilitärischen Zusammenarbeit, als IT-Fachleute oder in der Logistik – um nur einige Aufgabenfelder zu nennen – Reservisten im Einsatz stärkten und stärken das Heer dort, wo es Auftrag und Personallage erfordern. Dabei sind sie nach Aussetzen der Wehrpflicht Träger und Verstärker der Einbindung der Truppe in unsere Gesellschaft.

Wie unverzichtbar eine einsatzbereite, motivierte und schnell verfügbare Reserve für unvorhergesehene Ereignisse und Bedrohungen ist, haben die vergangenen Jahre in deutlicher Dringlichkeit vor Augen geführt. Viele unserer Reservisten waren es, die in Aufnahmezentren die Registrierung von Kriegsvertriebenen aus Syrien, Afghanistan, dem Irak oder dem afrikanischen Kontinent übernahmen. Als die weltweite Corona Pandemie Deutschland stilllegte, unterstützten unsere Reservisten in der Kontaktnachverfolgung, bei den Massentests und in den Impfzentren. Als das Ahrtal katastrophal verwüstet wurde, standen Reservisten und Aktive Seite an Seite, um der Bevölkerung vor Ort zu helfen. Hätte das Heer all dies ohne Reserve leisten müssen, wäre an Übung, Ausbildung und Aufrechterhaltung des Grundbetriebes nicht zu denken gewesen – diese umfassende Form der Hilfeleistung hätte gar nicht bewerkstellig werden können. Und auch heute unterstützt die Reserve wieder bei der Aufnahme der vor Krieg und Gewalt flüchtenden Ukrainer an unseren Grenzen und in unseren Städten und Gemeinden.

Multiplikator des Wehrwillens der Bevölkerung

Generalleutnant Johann Langenegger.

Doch wie sich der Blickwinkel vom internationalen Krisenmanagement in den Auslandseinsätzen und der Katastrophenhilfe hin zur Landes- und Bündnisverteidigung gewandelt hat, so muss sich auch der Fokus der Reserve wandeln. Der russische Krieg gegen die Ukraine, der 2014 mit der Annexion der Krim seinen Anfang nahm und seit Februar dieses Jahrs offen die Ukraine zerstört und unermessliches Leid über die Bevölkerung bringt, hat die Notwendigkeit kriegstüchtiger Landstreitkräfte für die Souveränität einer Nation ebenso offensichtlich werden lassen, wie die Bedeutung des Wehrwillens der Bevölkerung. Nach dem Entschluss der ukrainischen Regierung, alle männlichen Erwachsenen zum Dienst an der Waffe zu verpflichten, blieben die Versuche, sich dem Wehrdienst zu entziehen, weitestgehend aus. Im Gegenteil: Frauen und Männer leisteten und leisten in den urbanen Zentren erbitterten Widerstand gegen die Invasoren. Nicht zuletzt ihnen ist es zu verdanken, dass der beabsichtige russische Enthauptungsschlag gegen Kiew bereits in den Randbezirken abgewehrt werden konnte.

Reservisten, als Scharnier zwischen Bundeswehr und Zivilgesellschaft, sind Multiplikator des Wehrwillens der deutschen Bevölkerung und Träger der Wehrbefähigung Deutschlands. Indem sie am eigenen Beispiel die Vereinbarkeit von ziviler Erwerbstätigkeit und wertebasierter Einsatzbereitschaft demonstrieren, entwickeln sie Vorbildwirkung in unserer Bevölkerung. Diesen Beitrag sichtbar zu machen und weitere zu motivieren, dem Beispiel zu folgen sollte unser aller Ziel sein. Doch geht die Bedeutung der Reserve deutlich über die Steigerung des Wehrwillens hinaus. 20.000 Dienstposten sind für die Verstärkungsreserve vorgesehen. Reservisten stellen somit ein Viertel der Gesamtstärke des Heeres. Damit ist eine tiefe Integration unserer Reservedienstleistenden von grundlegender Bedeutung für kriegstüchtige deutsche Landstreitkräfte. Die Strategie der Reserve sowie das Konzept „Reserve im Heer“ bauen darauf auf. Auch die Überlegungen für die zukünftige Ausrichtung des Heeres, die (vorläufigen) operativen Leitlinien des Heeres, unterstreichen die Notwendigkeit einer leistungsstarken Reserve. Sie geben die Zielrichtung für die Entwicklung deutscher Landstreitkräfte in die Jahre nach 2030 vor. Die Anforderungen an die Reserve sind darin ebenso klar formuliert, wie der Schwerpunktwechsel vom Einsatz im Internationalen Krisenmanagement hin zur Landes- und Bündnisverteidigung. Damit ist der Grundstein gelegt für eine schnelle Aufwuchs-, Mobilmachungs- und Feldersatzfähigkeit.

Drei Maßnahmenpakte für die Reserve der (nahen) Zukunft

Die zunehmende Komplexität moderner Waffensysteme sowie die fortschreitende Digitalisierung auch landbasierter Operationen fordert eine intensive Ausbildung und Beübung eines jeden Einzelnen im Heer. Der Soldat ist, aufbauend auf seiner verteidigungsrelevanten Kernausbildung, zunehmend zu einem Spezialisten in seinem Aufgabengebiet geworden. Durch materielle Vollausstattung, Anpassung in der Binnenstruktur und Verbesserungen in der Ausbildung und Übung, werden wir im Heer bis 2025 eine kohäsive, kaltstartfähige und damit kriegstüchtige Division 2025 aufstellen. Bis 2030 sollen eine weitere schwere und eine leichte Division folgen. Auch die nichtaktiven Verbände werden mit kriegstauglichem Material ertüchtigt. Zunächst stehen für die kurzfristige Erhöhung der Einsatzbereitschaft des Heeres jedoch drei aktive Brigaden im Mittelpunkt, um den materiellen Fokus auf die Division 2025, zu lenken. Mit unserem Pilotprojekt „Ausbildungsstützpunkt gepanzerte Kampftruppen“ im Verantwortungsbereich der 1.  Panzerdivision untersuchen wir, wie es gelingen kann, die nichtaktiven Truppenteile zielgerichtet an den Hauptwaffensystemen der Truppengattung auszubilden. Nach Abschluss des Projekts im März kommenden Jahres werden wir entscheiden, ob und wie das Konzept der Ausbildungsstützpunkte auch außerhalb der gepanzerten Kampftruppen zielführend fortgeführt werden kann. Die Überlegungen reichen dabei von der Einbindung zusätzlich nichtaktiver Verbände bis zur Aufstellung weiterer Ausbildungsstützpunkte.

Reservisten des schweren Pionierbataillons 901 trainieren bei der Übung Schwarzer Keiler die Räumung von Sperren. (Foto: Bundeswehr/Schulze)

Zur Sicherstellung der Einsatzbereitschaft der Division 2025 ist die Reserve ein wichtiger Mosaikstein im Gesamtbild. Die aktiven Verbände des Heeres werden ausgebildet und beübt, um im Gefecht der verbundenen Waffen gegen einen mindestens gleichwertigen Gegner bestehen zu können. Eine einheitliche Führung aus den Gefechtsständen der Bataillone, Brigaden und Divisionen ist dazu Grundvoraussetzung. Diese bedarf ebenso wie weitere neuralgische Punkte im rückwärtigen Raum der Sicherung. Hier setzen die Sicherungskräfte an. Indem sie die Divisions-, Brigade- und Bataillonsgefechtsstände sichern, werden beispielsweise die schweren Kräfte des Heeres – unsere Panzer und Panzergrenadiere – für ihren Kernauftrag verfügbar gehalten und können im Gefecht ihren höchsten Einsatzwert entfalten. Die Sicherungskräfte erhöhen somit die Kampfkraft des Deutschen Heeres. Dazu werden im Heer für die Divisionen je ein nichtaktives Sicherungsbataillon, für die Brigaden je eine Sicherungskompanie und für die Bataillone je ein Sicherungszug ausgeplant. Beginnen werden wir damit in der 10. Panzerdivision mit einem nichtaktiven Sicherungsbataillon. In der Panzerbrigade 21 stellen wir die erste nichtaktive Sicherungskompanie auf und der erste Sicherungszug wird in einem Verband der Panzerlehrbrigade 9 seine militärische Heimat finden. Die Aufstellung der Sicherungskräfte richtet sich in erster Linie an die Kameraden der Grundbeorderung, denen neben den Stammtruppenteilen, in denen sie dienten, eine Alternative einer militärischen Heimat für einen wichtigen Dienst in den Landstreitkräften geboten wird. Das Ableisten des Reservedienstes während der sechsjährigen Grundbeorderung im Anschluss an die aktive Dienstzeit bleibt unverändert freiwillig – sie stellt keine generelle Anordnung dar. Reservisten bleibt es freigestellt, wo sie ihre militärische Heimat finden werden. Es wird daher absehbar noch besser möglich sein, nahe am zivilen Lebensmittelpunkt seinen Reservedienst zu verrichten.

Nur wer seine militärische Heimat kennt, Erfahrungen in Ausbildung und Übung mit seinen Kameraden gesammelt hat, entwickelt Vertrauen untereinander. Und nur jene, die sich in jeder Situation vertrauen, werden auch erfolgreich gemeinsam kämpfen können. Kohäsion kennzeichnet kriegstaugliche Streitkräfte von der Korpsebene bis zum Trupp. Gleiches gilt selbstverständlich auch für die Reservestrukturen im Heer. Tiefe Integration kann nicht von oben befohlen werden, sie muss wachsen. Beorderte haben ihren Zugführer, Spieß, Chef und Kommandeur – und damit auch ihre festen Ansprechpartner, Ausbilder und Erzieher mit klarer Verantwortlichkeit. Hier steht die Reserve der aktiven Truppe in nichts nach.

Reservisten und Aktive – ein Heer!

Die drei hier skizzierten Maßnahmenpakete des Heeres, die Verstärkung der aktiven Truppenteile durch die Grundbeorderung, das Pilotprojekt „Ausbildungsstützpunkt gepKpfTr“ und die Aufstellung von Sicherungskräften, bietet unseren Reservisten neue und attraktive Möglichkeiten, weiterhin einen wichtigen Beitrag für die Sicherheit unseres Landes zu leisten. Wir werden gemeinsam mit den anderen Teilstreitkräften und Organisationsbereichen nach Möglichkeiten suchen, den Beitrag der Reserve noch dichter in die Strukturen zu verweben und die materielle Ausstattung zu verbessern – denn eines ist klar: ohne die Reservistinnen und Reservisten werden wir weder unsere eigenen, nationalen Ambitionen noch unsere Zusagen an die NATO erfüllen können. Die Weiterentwicklung der Reserve über 2025 hinaus ist daher eng mit der Entwicklung der aktiven Strukturen verbunden.

Reserve ist und war noch nie die bloße Urlaubsvertretung oder die Übernahme unliebsamer Aufgaben – und ein Reservist ist schon gar nicht ein Soldat zweiter Klasse! Das haben die vergangenen Jahre im Zeichen der weltweiten Einsätze und der Katastrophenhilfe gezeigt. Für das Heer ist Reservistendienst – und damit jede oder jeder, der sich nach seiner aktiven Dienstzeit bereit erklärt, nicht nur während der Grundbeorderung, sondern langfristig Reservistendienst zu leisten – von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit. Ich möchte Sie daher persönlich dazu ermuntern, sich aktiv weiter einzubringen und unsere Konzepte mit Leben zu füllen. Ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihr Einsatzwille sind das was uns stark macht – Wir sind das Heer – Ich zähle auf Sie!

Der Autor

Generalleutnant Johann Langenegger ist stellvertretender Inspekteur des Heeres und Kommandeur Einsatz im Kommando Heer in Strausberg. Er ist der Beauftragte für Reservistenangelegenheiten des Heeres.

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