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Reservisten erfahren im Auslandseinsatz Anerkennung




Trotz aller Widrigkeiten während der Vorausbildung oder des Ärgers mit Arbeitgebern und Behörden kehren viele Reservisten immer wieder in die Einsatzgebiete der Bundeswehr zurück. Die Gründe: Kameradschaftserlebnisse, sinnvolle Aufgaben und weil die Arbeit dort Spaß macht. Die Bundeswehr kann auf die Spezialisten nicht verzichten, stellt sich jedoch zu wenig auf die individuellen Belange der Reservisten ein. Ein aktueller Lagebericht aus der Republik Kosovo von Detlef Struckhof.

Lešak liegt im Norden der Republik Kosovo. Nur etwa zehn Kilometer trennen die Bewohner von der Grenze zu Serbien. Die Einwohner des kleinen Ortes fühlen sich Serbien zugehörig. An jedem zweiten Strommast hängen serbische Fähnchen. Es gibt Kontrollpunkte an den Straßen. Dort sitzen serbische Männer, die ihre freie Zeit als Arbeitslose damit verbringen, die Autos der KFOR-Truppe oder Fahrzeuge der kosovarischen Polizei zu zählen und via Mobiltelefon an eine nur ihnen bekannte Stelle weiterzumelden. Immer wieder demonstrieren diese Männer ihre scheinbare Macht und blockieren die Straße für ungeliebte EULEX-Fahrzeuge. EULEX ist die Rechtsstaatlichkeitskommission der Europäischen Union. Die EULEX-Richter, -Polizisten und -Verwaltungsbeamten sollen gegen Korruption ankämpfen und für rechtsstaatliche Prinzipien nach EU-Standard sorgen.

Serben beherrschen Flashmob-Mobilisierung hervorragend
Damit solche Blockaden wieder beseitigt werden, sind die KFOR-Soldaten im Norden des Landes stationiert. Während die Sicherheitslage in der Mitte und im Süden der Republik Kosovo weitgehend als ruhig und stabil eingeschätzt wird, so gilt die Bedrohungslage hier im Norden als noch ruhig, aber nicht stabil. Ein Bundeswehrstabsoffizier erläutert das Kontrollpunkte-System der Serben. "Sie beobachten genau, was in ihrem Gebiet passiert, melden das weiter und beherrschen die Flashmob-Mobilisierung hervorragend. Binnen Minuten können sie mehrere Dutzend Leute an einem Ort zusammenziehen und unseren Auftrag stören." Deshalb hat Deutschland eine Einsatzkompanie in der Nähe von Lešak stationiert. Die 108 Männer und eine Frau – eine Oberstabsärztin – leben dort unter spartanischen Bedingungen in Zelten und Containern. Das vorgelagerte Feldlager nennt sich "Gate One". "Wir sollen hier für ein sicheres Umfeld sorgen und Bewegungsfreiheit gewährleisten", sagt Hauptmann Martin P. Der 33 Jahre alte Kompaniechef ist mit seinen Soldaten für eine Fläche von zirka 70 mal 70 Kilometer zuständig – also ein Gebiet größer als das Saarland. Dabei müssen die Soldaten mit Fingerspitzengefühl, diplomatischem Geschick und notfalls mit polizeilichen Mitteln vorgehen. Und sie dürfen sich nicht provozieren lassen.

Deutsche werden im Nordkosovo als Besatzer beschimpft
Während einer Fuß-Patrouille durch den kleinen Ort Lešak kommt es zu einer der üblichen Beschimpfungen. Ein Mann – um die 60 Jahre alt – geht aufgeregt auf die deutschen Soldaten zu, die mit umgehängtem Sturmgewehr vom Typ G36 nach allen Seiten sichernd die Hauptstraße entlang gehen. Er spuckt aus und ruft: "Mein Sohn ist von Euch umgebracht worden. Wir gehören zu Serbien. Ihr seid Faschisten und Besatzer", schimpft er auf Serbisch. Die Sprachmittlerin der deutschen Soldaten übersetzt es. Die Soldaten reagieren darauf nicht – gehen weiter. Der Grund für diesen Fußmarsch ist der Besuch des Bundestagsabgeordneten Rainer Erdel. Mit dabei auch Prof. Ulli Arnold vom Beirat Innere Führung beim Bundesminister der Verteidigung. Beide wollen sich ein aktuelles Bild von der Lage im Kosovo machen. Immerhin soll Erdel im Bundestag über mögliche Verlängerungen des KFOR-Mandats entscheiden. Er ist zum dritten Mal im Land und besucht Anfang Juli vor allem Soldaten aus seinem Wahlkreis sowie die Reservisten. Unter den 736 deutschen Soldaten sind 73 Reservistinnen und Reservisten. Mit einer Quote von zehn Prozent ist das absoluter Rekord in den Einsatzgebieten der Bundeswehr.

Die Truppe kann auf die Spezialisten der Reserve nicht verzichten, will sie ihren Auftrag erfüllen. Deshalb liegen Erdel die Reservisten bei seinem Besuch besonders am Herzen, ist er doch auch einer der beiden Stellvertreter des Präsidenten des Reservistenverbandes.

Heimweh belastet – Aufgabe macht Spaß
Unter den Soldaten, die durch  Lešak gehen, ist auch Ruth W. Sie ist Stabsunteroffizier der Reserve und in der Wehrverwaltung im Feldlager Prizren eingesetzt. Dort ist sie für Ausschreibungen von Aufträgen der Bundeswehr zuständig. Die Frau über 50 sagt: "Ich verstehe kein Serbisch, aber am Tonfall des Mannes habe ich gemerkt, dass er nichts Gutes gesagt hat. Ich bin auch noch nie bespuckt worden. Das ist schon eine nicht sehr schöne Situation hier. Vor allem das Elend, das ich hier sehe, ist für mich bedrückend. Zuhause in Deutschland wird mir dann nach Rückkehr immer wieder bewusst, dass man eigentlich gar nicht alles braucht, was wir so für wichtig halten." W. stammt aus Roth in Franken und hat seit 2009 inzwischen 500 Einsatztage im Kosovo verbracht. Oft rausgekommen aus dem Feldlager Prizren ist sie bisher nicht. Aufgrund des Besuchs von Rainer Erdel bekam sie die Möglichkeit, mit zum "Gate One" zu fliegen – mit einem slowenischen Militärhubschrauber vom Typ Super Puma. "Manchmal habe ich Heimweh nach meinem erwachsenen Sohn, und es ist nicht wirklich prickelnd, wenn man mehrere Monate das Zimmer mit einer fremden Frau teilen muss", fasst sie die Unannehmlichkeiten eines solchen Einsatzes zusammen. Sie atmet durch, ist sichtlich emotional berührt. Dann legt sie nach: "Mein Sohn ist so weit weg. Wir telefonieren, wenn uns danach ist." Und warum geht Ruth W. immer wieder in den Einsatz? "Weil es spannend ist und auch Spaß macht. Außerdem sehe ich hier immer wieder, wie gut es uns geht und wie klein doch viele unserer Sorgen sind. Das nehme ich immer wieder nach Deutschland mit.“

Anerkennung für die Arbeit
Ähnliche Dinge sagen auch andere Reservisten, die sich im Feldlager Prizren mit Rainer Erdel und Prof. Ulli Arnold unterhalten. Insgesamt 16 sprachen zwei Stunden lang über Freuden, Sorgen und Nöte. Sie werden im Einsatzland überwiegend in der Verwaltung, bei der Feldpost, in der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (Cimic) oder im Sanitätsdienst eingesetzt. Ohne Reservisten könnten die Wehrverwaltung und die Feldpost ihren Auftrag nicht erfüllen – dort versehen ausschließlich Reservisten ihren wichtigen Dienst. "Das größte Problem ist die Trennung von der Familie", sagen alle übereinstimmend. Aber eben auch, dass ein solcher Einsatz Spaß macht, dass dort noch Kameradschaft zu erleben sei. Das alles tröstet sie über Unbequemes hinweg.

Stabsfeldwebel Andreas M. (55) sagt: "Hier bekomme ich Anerkennung für meine Arbeit in der Feldpoststelle. Bei der Post in Deutschland bin ich nur eine Nummer". Allgemein gibt's jedoch immer wiederkehrende Probleme mit der Bundeswehr. Wer mehrmals im Einsatz ist, wie Andreas M., bringt es auf den Punkt: "Die Leitverbände wechseln. Es gibt deshalb immer wieder neue und unerfahrene Personalplaner. Ich musste meinem Leitverband erzählen, welche Vordrucke ich brauche." Oberstabsgefreiter Ralf K., ebenfalls bei der Feldpost, hat Probleme mit der Unterhaltssicherungsbehörde. "Um an das mir zustehende Geld für den Lebensunterhalt während einer Reservistendienstleistung zu kommen, ist viel bürokratischer Aufwand nötig", sagt der 45-Jährige, der erstmals im Einsatz ist.

Hauptfeldwebel Andree F. (44) sagt: "Ohne Eigeninitiative geht es nicht. Zum Beispiel die Terminierung für die Vorausbildung gelingt nur über private Kontakte aus vorherigen Einsätzen. Da tun sich Leute schwer, die noch nie im Einsatz waren. Die haben solche Kontakte ja noch nicht."

Neues Schießkonzept macht's Reservisten schwer
Sorgen machen sich alle wegen der Umsetzung des neuen Schießkonzeptes, denn Reservisten können diese fordernden Schießübungen in ihrer Freizeit nicht trainieren. Die Übungen werden von den Landeskommandos bisher nicht an Wochenenden angeboten. "Das kann uns Probleme für künftige Einsätze bringen", sagt Oberstabsfeldwebel Christian D. (54). Reservisten aus der Wehrverwaltung machen Erdel auf ein grundsätzliches Problem aufmerksam: "Wer in den Einsatz gehen will und das jetzt während der Umstrukturierung der Wehrverwaltung offen sagt, hat Schwierigkeiten, eine adäquate Stelle in Deutschland zu finden." Dieses Problems nimmt sich Erdel derzeit an, stellt entsprechende Anfragen. "Reservisten sind wichtig für die Einsätze der Bundeswehr", sagt der Bundestagsabgeordnete. "Da kann es nicht sein, dass ausgerechnet der Arbeitgeber Bundeswehrverwaltung Steine in den Weg legt oder offen Nachteile bei der Karriere in Aussicht stellt."

Zu einem Interview mit Prof. Dr. Dr. h.c. Ulli Arnold, Mitglied im Beirat Innere Führung beim Bundesminister der Verteidigung, geht es hier.

Über den Besuch im Feldlager „Gate One“ berichteten wir bereits im Internet.

Zu einem Interview mit dem Kommandeur des deutschen Einsatzkontingents KFOR, Oberst Hartwig Stork – ebenfalls Reservist – geht es hier.

Allgemeine Informationen der Bundeswehr über den KFOR-Einsatz finden sich hier.

Informationen zur Zivil-Militärischen Zusammenarbeit im Ausland (Cimic) gibt es hier.


Der Autor ist verantwortlicher Online-Redakteur
des Reservistenverbandes

Bild oben: Im Kosovo leben die deutschen Soldaten in
Feldlagern – so wie hier an der serbischen Grenze im Lager
"Gate One". Von den über 700 deutschen KFOR-Soldaten kommen
die Wenigsten mal aus dem Lager heraus, um Land und Leute zu sehen.
Der Kontakt mit der serbischen Minderheit in Nordkosovo ist nicht
immer erfreulich (Foto: Detlef Struckhof).

2. Bild: Rainer Erdel (vorne rechts), Bundestagsabgeordneter und
einer der beiden Stellvertreter des Präsidenten des Reservistenverbandes,
unterhält sich während eines Rundgangs durch das nordkosovarische
Lešak mit Stabsunteroffizier Ruth W. Sie ist Angestellte in der Wehrverwaltung
im fränkischen Roth und im Kosovo als Reservistin für Ausschreibungen
der Bundeswehr zuständig (Foto: Detlef Struckhof).

3. Bild: Die Feldpoststellen – wie die im deutschen Feldlager Prizren –
werden ausschließlich von Reservisten betrieben.
Oberstabsgefreiter Ralf K. berät einen Soldaten, der sich über
Portokosten informieren will (Foto: Detlef Struckhof).

4. Bild: Rainer Erdel (hinten 2. von rechts) und
Prof. Dr. Dr. h.c. Ulli Arnold (hinten rechts) sprachen
im deutschen Feldlager Prizren im Kosovo zwei Stunden lang
mit den Reservisten (Foto: Detlef Struckhof).

5. Bild: Stabsfeldwebel Andreas M. erfährt im
Einsatz Anerkennung (Foto: Detlef Struckhof).

6. Bild: Hauptfeldwebel Andree F. meistert Probleme in der
Vorausbildung mit Kontakten aus vorherigen Einsätzen
(Foto: Detlef Struckhof).

7. Bild: Oberstabsfeldwebel Christian D. macht sich Sorgen.
Reservisten könnten es schwer haben, die Bedingungen des
neuen Schießkonzepts der Bundeswehr zu erfüllen
(Foto: Detlef Struckhof).

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