Rezension: Stille auf der Bühne
Das olivgrüne Buch schweigt den Leser an. Es liegt da, in sich gekehrt und abweisend. Seitenzahlen: Fehlanzeige. Stattdessen ist jede der Seiten in vier gleichgroße Felder unterteilt, die fortlaufend durchnummeriert sind. Auf ihnen werden Textbausteine und Fotos arrangiert. Dabei kann die Größe der Fotos von einer viertel Seite bis hin zum doppelseitigen Großformat variieren.
Der Sturm im Kopf
Das viele unbedruckte Weiß der Seiten zwingt den Leser – oder treffender: den Betrachter – zu Gedankengängen. Da sich Fotos und nächstplatzierte Textbausteine selten ergänzen, lässt er sich von den visuellen Eindrücken der Fotos leiten. Durch diese Gestaltung gleicht das Buch einer Mindmap, entstanden nach einem wüsten Brainstorming. Sie scheint Einblick zu gewähren in eine Gedankenwelt, in der bildhafte Eindrücke und textliche Schilderungen einander ablösen, ohne jemals feste Assoziationsketten zu bilden.
Hort der Ruhe
Das Buch reizt dabei durch seine Unaufgeregtheit im Umgang mit dem Thema Auslandseinsatz der Bundeswehr. Die Autoren richten ihren Blick neben das große Geschehen der Weltpolitik. Die Motive der Fotos bestechen durch die Abwesenheit des Krieges in einem Kriegsgebiet. Das Feldlager wird zu einem Hort der Ruhe stilisiert, den Gefahren der Außenwelt entrückt. Dieser Effekt wird vor allem durch das Fehlen dynamischer Fotomotive hervorgerufen. Die Stillleben bilden viele kleine Szenen ab, in denen der Leser vor seinem inneren Auge die Handlung ergänzen muss. So machen die Autoren auf berückende Weise ihre Eindrücke erlebbar.
Papierenes Kunstwerk
Mit "Das Theater des Krieges" haben Roman Ehrlich und Michael Disqué mehr papierenes Kunstwerk als Buch geschaffen. Durch seine unkonventionelle, geradezu sperrige Gestaltung lädt das Buch den Leser zu Deutungsversuchen ein. Um einen Zugang zu finden, muss dieser aber bereit sein, Kopfarbeit zu leisten und die Fantasie spielen zu lassen. Für Ungeduldige hält es weder Bedienungsanleitung noch Lektüreschlüssel bereit. Die Neugierigen werden dafür mit besonderen Eindrücken von den stillen Momenten im Feldlager belohnt.
Die Stärke des Buches liegt darin, dem Feldlager als Heimat auf Zeit der Soldatinnen und Soldaten einen privaten Charakter zu geben. Der Eindruck bleibt. Dafür einen leisen Applaus!
Roman Ehrlich und Michael Disqué
Spector Books
ISBN: 9783959051019
Preis: 28 €
Julian Hückelheim
Bild oben: Buchrücken von "Das Theater des Krieges" von Spector Books.
(Foto: Julian Hückelheim)
Bild unten: Redaktionsmaskottchen General d.R. Rudi Rumpel liest "Das Theater des Krieges".
(Foto: Julian Hückelheim)