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Soldatenmutti Kuhlmann: Ich habe sie alle adoptiert




Sigrid Kuhlmann, seit zwanzig Jahren als Mutter der Infanterie bekannt, im Interview mit dem Reservistenverband.

Sigrid Kuhlmann – Freunde nennen sie Sigi – lebt seit zwanzig Jahren für ihre Soldatinnen und Soldaten – ein unglaublicher privater Einsatz, für den sie in diesem Jahr das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold erhalten hat. Zurzeit plant Sigrid Kuhlmann zusammen mit dem Reservistenverband und dem Bund Deutscher Infanterie eine Veranstaltung der besonderen Art: Ein Benefiz-Abend zugunsten traumatisierter Soldaten im Jahr 2011. Der Erlös des Abends kommt dem Zentrum für Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) des Bundeswehrkrankenhauses Berlin zu Gute.

reservistenverband.de: Sigi, woher kommt die Leidenschaft für die Bundeswehr, für Deine Jungs oder Deine Kinder, wie Du die Soldatinnen und Soldaten nennst?

Sigrid Kuhlmann: Ich bin der Meinung, dass man der Bundeswehr und den Soldaten zu wenig Beachtung schenkt. Vor rund 20 Jahren war ich auf einem Tag der offenen Tür in der Paracelsius-Kaserne in Aalen. Mein Sohn war zu dieser Zeit im Wehrdienst. Ich sah, wie die Soldatinnen und Soldaten versuchten, das Interesse der Öffentlichkeit zu wecken. Die Sanitäter wollten den Bürgern etwas von ihrer Arbeit, von ihrem Engagement im Einsatz zeigen – das können wir, das machen wir. Die Resonanz war leider sehr mager.

reservistenverband.de: Und dann hast Du die Ärmel hochgekrempelt.

Kuhlmann: Richtig. Ich habe mir gesagt, das kann doch nicht sein. Die haben hier wochenlang organisiert und einen wunderschönen Tag der offenen Tür gestaltet und es tat mir im Herzen weh, dass so wenig zivile Bevölkerung da war. Da habe ich angefangen, Kontakte zu knüpfen und mir überlegt, womit man den Soldatinnen und Soldaten eine Freude machen könnte. Zum Beispiel, gemeinsam das Oktoberfest zu besuchen. Das mache ich jetzt seit zwölf Jahren und es gibt eine große Resonanz darauf. Bevor die Soldaten in den Einsatz gehen, rufen sie mich an und sagen "Sigi, reservier‘ uns Plätze!" In diesem Jahr habe ich 1.200 Anmeldungen erhalten. Auch Soldaten aus Österreich, Schweden, Dänemark oder Finnland begleiten mich oft und unterstützen meine verrückten Ideen. Von Frankreich habe ich eine Medaille für deutsch-französische Freundschaft bekommen.

reservistenverband.de: Kannst Du Dich an Dein erstes Projekt erinnern?

Kuhlmann: Ja, das war in der Infanterie-Schule in Hammelburg. Da habe ich mich am Stand des Bundes Deutscher Infanterie und des Bundes Deutscher Fallschirmjäger an der Mitgliederwerbung beteiligt. Kurz darauf habe ich Aktive und Reservisten zu verschiedenen Übungen eingeladen, zum Beispiel zu einer Schießübung nach Österreich. Ich habe mir alles ganz allein aufgebaut und versuche seither, vielfältige Kontakte zu knüpfen. Das Netzwerk hilft mir, etwas Gutes für meine Soldatinnen und Soldaten tun zu können. Sie leisten eine fantastische Arbeit im Auslandseinsatz und hier vor Ort. Den Rückhalt aus der Bevölkerung haben sie verdient.

reservistenverband.de: Wer hat dich getauft?

Kuhlmann: Den Namen Mutti der Infanterie hat mir die Infanterieschule in Hammelburg gegeben, weil ich mich um die privaten Belange der Soldaten gekümmert habe. Hauptmann Michael Greb ist sozusagen mein Taufpate, der mir mit diesem Titel für mein Engagement danken wollte. Das war vor circa 16 Jahren. Seitdem bekomme ich waschkörbeweise Pakete und Briefe. Darunter sind teilweise auch Anfragen und Bitten.

reservistenverband.de: Du bewältigst diese enorme Korrespondenz allein?

Kuhlmann: Ich beantworte alles, trotz der großen Mengen, denn es ist immer so lieb, was die Soldaten und Soldatinnen mir schreiben, da kann ich gar nicht anders, als die Nächte durchzumachen um zu antworten.

reservistenverband.de: Du hast Deinen Mann früh verloren, musstest zwei kleine Kinder allein großziehen. Inzwischen bist Du 63 Jahre und strahlst eine unglaubliche Energie aus.

Kuhlmann: Das hast Du nett gesagt. Was ich mache, das läuft auf einer eigenen Schiene. Mein Sohn lässt mich machen, wundert sich aber, für wie viele Menschen ich inzwischen die Mutter bin. Meine Kinder warnen mich manchmal, ich solle an mein schwaches Herz denken. Das, was ich mache, ist Stress pur. Wenn man aber so viel Gegenliebe von den Soldaten bekommt, dann entschädigt das voll und ganz für jeglichen Stress.

reservistenverband.de: Wie sieht das Leben als sogenannte Soldatenmutti aus – Du bist sicher rund um die Uhr das ganze Jahr hindurch aktiv? Und Du investierst für die Reisen und Events ausschließlich Dein privates Geld.

Kuhlmann: Ich habe die Bahn. Ich habe die Kasernen. Und meinen Trolley. Ich gebe zu, manchmal vergesse ich sogar zu essen. Oder sitze nach einem gelungenen Abend mit meiner Großfamilie nachts auf dem Bahnsteig und warte, bis der Zug am nächsten Morgen kommt. Meine Reisen mache ich ausschließlich für die Bundeswehr und meine Jungs. Die Bundeswehr ist mein Leben. Ob Heer, Luftwaffe, Marine oder zivile Angestellte – ich habe sie alle adoptiert!

reservistenverband.de: Und Du hast oft große Reservistengruppen im Gepäck.

Kuhlmann: Mit Reservisten reise ich zum Beispiel nach Potsdam und Berlin, aber auch ins Ausland, nach Wien, Toulouse oder Montpellier, wo ich Kontakte zur französischen Infanterieschule habe. Alles, wofür sich die Reservisten interessieren, bauen wir ins Programm ein. Ich betrachte es als eine Hauptaufgabe, den Reservisten, Soldaten und Soldatinnen zu ermöglichen, bei solchen Ausflügen die Seele baumeln zu lassen. Die Reservisten sind das Rückgrat der Truppe. Egal, welche Reservistenkameradschaft etwas auf dem Herzen hat, wo sie gern einmal hin möchte: Sie kann mich gern jederzeit anrufen.

reservistenverband.de: Du setzt Dich nicht nur für die Bundeswehr ein, sondern auch in zivilen Bereichen.

Kuhlmann: Ich tanze auf vielen Hochzeiten. Ich arbeite für ein Hospiz, sammle Gelder für herzkranke Kinder in der Uni Münster, unterstütze die Aktion Klinikclown bei uns in Hamm. Dann arbeite ich für die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger und das Soldatenhilfswerk und bin zweite stellvertretende Vorsitzende des Vereins Cash. Dieser Verein sammelt Spenden für Kinder in Kriegs- und Krisengebieten. Ich bemühe mich, Cash weiter bekannt zu machen und ihre Projekte zu unterstützen.

reservistenverband.de: Das Thema PTBS ist eine neue Aufgabe für Dich, seit wann?

Kuhlmann: Seit eineinhalb Monaten. General Günter Engel hat im Juli bei einem Kameradschaftsabend am Tag der Infanterie in Hammelburg angekündigt, dass die Soldatenmutti rund geht, um für das Trauma-Zentrum des Bundeswehrkrankenhauses in Berlin zu sammeln. Allerliebst fand ich, dass auch ganz junge Soldaten, die wenig Geld haben, etwas gespendet haben. An diesem Abend sind 1.165 Euro zusammengekommen. Das Geld hat der Schatzmeister des Bundes Deutscher Infanterie gezählt und ich bin von Hammelburg sofort nach Berlin gefahren, um Oberstarzt Dr. Peter Zimmermann, dem medizinischen Leiter für posttraumatische Belastungsstörungen, die Spende zu übergeben. Von dem Geld konnten fünf neue Geräte für die Augendiagnostik angeschafft werden, die für die Trauma-Bewältigung von entscheidender Bedeutung sind. Vom restlichen Geld wird ein Ruheraum für die Soldaten im Bundeswehrkrankenhaus in Berlin eingerichtet.

reservistenverband.de: Was wünscht Du Dir für die Zukunft?

Kuhlmann: Das Thema Bundeswehr tritt in der breiten Öffentlichkeit immer mehr in den Hintergrund. Ich wünsche mir, dass die Bevölkerung mehr hinter der Truppe steht und nicht nur mit freundlichem Desinteresse. Für die nahe Zukunft wünsche ich mir natürlich eine erfolgreiche, gut besuchte Benefiz-Veranstaltung in Berlin. Ich möchte allen, die mir jahrelang die Treue halten und mich tatkräftig unterstützen, etwas zurückgeben.

Kontakt:
Sigrid Kuhlmann
Stockumer Straße 6
59075 Hamm
Telefon: 0 23 81 – 7 17 20


Das Interview führte Barbara Damm

Bild: Sigrid Kuhlmann (Foto: Barbara Damm)

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