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Vermittler zwischen Marine und Handelsschifffahrt




Der Kapitän schaut ins Fernglas. Er verzieht die Miene. Zwei Motorboote nähern sich seinem Schiff. Sie rasen auf den voll beladenen Containerfrachter zu. Der Kapitän befiehlt, die Wasserschläuche aufzudrehen. Doch die harten Wasserstrahlen halten die Piraten nicht auf. Sie klettern eine Enterleiter die Schiffswand hoch. Mit Gewehr im Anschlag erstürmen sie das Deck. Die Szenen aus dem Hollywoodfilm „Captain Philipps“ haben ein reales Vorbild: der Piratenüberfall auf die „Maersk Alabama“ im April 2009 im Golf von Aden. Damals meldete das Piracy Reporting Center des Internationalen Maritimen Büros 217 Übergriffe von Piraten am Horn von Afrika. Im Jahr 2015 wurden erstmals keine Vorfälle verzeichnet. Einen Anteil an diesem Erfolg trägt die Marineschifffahrtleitung. Ihre Aufgabe besteht darin, mithilfe von fundierten Informationen zur Sicherheit von Handelsschiffen auf gefährlichen Seewegen beizutragen. Dabei spielen Reservisten eine besondere Rolle.

„Unsere Experten sind 150 Reservisten, die bei uns beordert sind“, sagte Fregattenkapitän Kai-Michael Knafla. Er hat vor fünf Jahren das Dezernat aufgebaut, das zur Abteilung Einsatz des Marinekommandos gehört. In der Marineschifffahrtleitung arbeiten acht aktive Soldaten und vier zivile Mitarbeiter(innen). Die Reservisten sind häufig ehemalige Marinesoldaten oder Kameraden mit beruflicher Erfahrung aus der Handelsschifffahrt, darunter Kapitäne, Lotsen, Mitarbeiter von Reedereien, junge Nautiker und Angestellte in maritimen Sicherheitsbehörden. Vom Obermaat bis zum Kapitän zur See sind sämtliche Dienstgrade vertreten. Die Marine benötigt ihre Expertise.

Zahlen, die geschützt werden müssen
Die deutsche Containerschiffsflotte ist die größte der Welt. Zu Beginn des Jahres 2017 umfasste sie 1.351 Containerschiffe mit über 1.000 Bruttoraumzahl (früher Bruttoregistertonne). Deutsche Reeder verfügen mit 58,6 Mio. dwt (deadweight tonnage / Menge an Gütern, die auf Schiffen geladen werden kann) und 4,7 Mio. TEU (Twenty Foot Equivalent Unit / Standardcontainer) über ein Viertel der weltweiten Containerstellplatzkapazitäten. Würde diese Menge an Container aufeinander gestapelt, ergäbe dies einen Turm mit einer Höhe von 12.178 Kilometern. Der Anteil des Seeverkehrs an der Beförderung des deutschen Außenhandels lag im Jahr 2016 mit 457 Mrd. EUR bei 21 %. Dabei wurden 238 Mio. t an Gütern über den Seeweg transportiert. Die Gewässer in Südostasien, am Horn von Afrika und vor den Küsten Westafrikas gelten als die meist befahrenen Schiffsrouten und zählen zugleich zu den gefährlichsten. Sie sind umringt von instabilen politischen Systemen und Krisenregionen und ein bevorzugtes Gebiet für Piraten.

Wie können sich die Schiffe deutscher Reeder vor Angriffen und Überfällen schützen?
Die Deutsche Marine beteiligt sich seit 2008 an der Operation Atalanta am Horn von Afrika. Zudem halten sich weitere Nato-Streitkräfte in der Region auf. Im Einsatzgebiet können Handelsschiffe Kontakt zur Naval Co-Operation And Guidance for Shipping-Organisation halten. Die NCAGS-Operation – in Deutschland nimmt diese Aufgabe die Marineschifffahrtleitung wahr – tauscht sich mit Handelsschiffen über Informationen wie Positionen und Schiffsrouten aus. Für Handelsschiffe, die z.B. im Golf von Aden unterwegs sind, bieten die Marineschiffe eine Beratung und Anleitung. Den Kapitänen wird empfohlen, ihr Schiff durch einen International Recommended Transit Corridor (IRTC) zu lenken. Innerhalb dieses Korridors operieren Kriegsschiffe zum Schutz der Handelsschiffe. „Es wird ein group-transit geplottet“, erläutert Fregattenkapitän Kai-Michael Knafla. Eine Gruppe Handelsschiffe trifft sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Punkt und passiert den Korridor. „Die Praxis eines IRTC hat sich bewährt. Die Piratenangriffe am Horn von Afrika sind deutlich zurückgegangen“, so Fregattenkapitän Knafla.

Der Erfolg resultiert aus einer Vielzahl von Maßnahmen. Sämtliche Informationen laufen im Maritime Security Center – Horn of Africa (MSCHOA) zusammen. Diese helfen dem Befehlshaber für die Operationsführung, eine Lage zu bewerten. Die Erfahrungen, die im Maritime Security Center gesammelt werden, fließen in Verhaltensregeln für Kapitäne und Reeder ein, die ihre Schiffe regelmäßig durch den Hotspot Golf von Aden manövrieren. Das Handbuch Best Management Practices for Protection Against Somalia Based Piracy gibt nützliche Hinweise. Dazu zählt das Prozedere eines Notrufes, aber auch Hinweise, wie gefährliche Situationen vermieden werden können. Die Experten der Marineschifffahrtleitung und des Maritime Security Center beobachten den täglichen Schiffsverkehr. Wer fährt wo? Wo fahren Fähren? Wo sind Fischer unterwegs? „Wenn wir wissen, wie der normale Seeverkehr läuft, können wir Situationen bewerten, die nicht normal sind und von Gefährdern ausgenutzt werden können“, erläutert Fregattenkapitän Knafla. „Ein Indiz ist z.B., wenn Fähren nicht wie gewöhnlich auslaufen, auf einer Nebenroute fahren oder wenn Fischer plötzlich in einem Gebiet auftauchen, wo sie eigentlich nicht hingehören.“

Üben für die eigene Sicherheit
Best Management Practices und Verhalten in Seegebieten, in denen Piraten kreuzen können, werden bei jährlichen Übungen wie Obangame Express vor der Küste Westafrikas oder der International Maritime Exercise (IMX) im Arabischen Golf vertieft. An solchen Übungen nehmen Reservisten der Marineschifffahrtleitung teil. Eine Fähigkeit dieser Experten, die auch bei Übungen zum Tragen kommt, ist die Bewertung eines Hafens für militärische Operationen. Das kann im Vorgriff einer Evakuierung notwendig werden. Wie sieht die Infrastruktur eines Hafens aus? Wie lang ist die Pier? Gibt es Lotsen? Wie ist es um die Sicherheit des Hafens bestellt? Wie ist die Anbindung zu Krankenhäusern, Verkehrswegen, Landeplätzen für Hubschrauber? Diese Fragen spielen bei der Bewertung eines Hafens eine Rolle. „Wir müssen uns mit der Thematik der Hafenbewertung aus Vorsorgegründen beschäftigen“, sagte Fregattenkapitän Kai-Michael Knafla. „Die Handelsschifffahrt profitiert vom Schutz der Marine am Horn von Afrika (Luftaufklärung auf See) und anderen Seegebieten durch Informationsaustausch und Lagebilder“, sagte Christof Schwaner, Sprecher des Verbands Deutscher Reeder.

Viele Kapitäne sind Reserveoffiziere und üben regelmäßig bei der Marine. Andersherum üben Boarding-Teams der Marine auf Handelsschiffen, um ihre Kenntnisse vom Inneren eines Handelsschiffs zu vertiefen und im Falle einer Kaperung durch Piraten optimal auf das Boarding vorbereitet zu sein. Ein intensiver Austausch findet ebenfalls während der Lehrgänge statt. Die Marineschifffahrtleitung bietet regelmäßig Seminare zur „Maritimen Sicherheit für Handelsschiffe“ für Marinesoldaten an und arbeitet darüber hinaus auch mit Polizei- und Zollbehörden zusammen. Speziell für die Marinesoldaten gehört die Ausbildung von Soldaten und Reservisten als Embargo Control Liaison Officer dazu.

Maritime Abhängigkeit dokumentiert!
Eine weitere Dienstleistung der Marineschifffahrtleitung ist der jährlich erscheinende Bericht des Marinekommandos zur maritimen Abhängigkeit Deutschlands. Er dokumentiert alle Facetten der maritimen Wirtschaft und ist „…der Bestseller der Marine“, sagte Fregattenkapitän Knafla.

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