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Noch immer fehlt vielen Menschen eine Vorstellung davon, was sich hinter dem Phänomen der sogenannten Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) verbirgt, welche gesellschaftlichen Gruppen besonders häufig betroffen sind und welche Hilfe nötig ist. Das Schicksal Andrea Beljos, der Witwe eines gefallenen Soldaten, beleuchtet eine andere Facette von traumatischen Erfahrungen und Tod im Einsatz – und verdeutlicht, wo Hilfe ebenfalls ansetzen muss. Die vom Reservistenverband neu gegründete Arbeitsgemeinschaft "PTBS und Familienbetreuung" entwickelt dazu neue Ansätze.

Andrea Beljo hatte in ihrem Leben schon viele Fernsehbeiträge über Selbstmordattentäter im fernen Osten gesehen – bis ihr Mann am 7. Juni 2003 bei einem Selbstmordattentat auf einen Bus der Bundeswehr im afghanischen Kundus fällt. Ab dann wird alles für sie anders.

Noch im Oktober erwirkt die zweifache Mutter gegen zahlreiche Widerstände die Genehmigung zu einer Reise an den Ort, an dem ihr Mann getötet wurde. "Ich musste einfach dorthin und mir ein Bild machen, um zu verstehen, was passiert ist."

Zunächst wehrt sie sich dagegen zu akzeptieren, dass ihr Mann nicht zurückkommen wird. Lange fühlt sich ihr Leben an wie ein Alptraum, aus dem sie erwachen will – und nicht kann.

Selbst ihr Körper reagiert. Ihre Ohren verschließen sich – ihr Hörvermögen fällt aus, in einer Weigerung, noch mehr Schreckliches zu hören, Rücken und Nacken versteifen sich, sie schläft nicht mehr und selbst ihre Haut reagiert mit Reizungen – als Antwort auf das Schreckliche, das so tief unter die Haut geht. Lange bringt sie die gesundheitlichen Ausfälle jedoch nicht einmal damit in Verbindung, dass ihre Psyche sich wehrt. Erst durch eine Psychotherapie, die sie zwei Jahre später beginnt, wird ihr Vieles klar. "In der ersten Zeit haben mich viele Dinge traumatisiert, selbst Trommeln kann ich seither nicht mehr unbelastet hören – ich hörte den Klang auf der Trauerfeier zum Tod meines Mannes."

Seither hat Andrea Beljo häufig Kontakt zu PTBS-geschädigten Soldaten gehabt. Männer, die mit ähnlichen und auch anderen Symptomen aus dem Einsatz heimgekommen sind, denen schlimme Bilder, "Kriegszittern", Furcht vor dem Schlaf und andere Ängste beschert haben. Sie steht ihnen näher als andere. Doch auch von ihnen hört sie: "Du warst nicht dabei, du weißt nicht, wie es war."

Erst fünf Jahre nach dem Tod ihres Mannes, im Zuge eines Fernsehinterviews, das sie gibt, stößt sie auf eine Leidensgenossin, die "weiß, wie es war", die sie ohne Worte versteht – ebenfalls eine Witwe, die ihren Mann in Afghanistan verloren hat. Aus dem Kontakt wird eine tiefe Freundschaft. Und aus der Freundschaft erblüht die Idee, auch andere zusammenzuführen, die sich in ihrem Leid gegenseitig stützen können. Über die Internetseite www.du-bist-nicht-allein.net führen die beiden Frauen Hinterbliebene zusammen.

Heute führt Andrea Beljo wieder ein zufriedenes Leben. Sie ist glücklich mit ihrem neuen Lebensgefährten, liebt ihre zwei Kinder. Und dennoch leben sie alle auch mit Andrejas Beljo weiter – dem Ehemann und Vater, der nicht wiederkommen wird, auch wenn seine Witwe alles dafür täte. Der Beruf ihres Lebensgefährten? Soldat – der zuweilen ausgerechnet in Afghanistan eingesetzt wird. Ob dies Schicksal ist? "Am Anfang habe ich nicht über seinen Beruf nachgedacht, ich war froh, wieder etwas zu fühlen", antwortet Andrea Beljo. "Er verstand mich."

Und Verstehen ist viel wert. Darum setzt sich die 35-Jährige auch weiterhin für geschädigte Soldaten und ihre Hinterbliebenen ein. Darum ist sie auch Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft (AG) "PTBS und Familienbetreuung" des Reservistenverbands.

In der ersten Sitzung, die vergangenen Montag stattgefunden hat, sind die Leitlinien beschlossen worden: Dass durch Selbsthilfegruppen und Betreuung durch Kameradschaften den Betroffenen zwischenmenschliche Hilfe zuteil werden soll. Dass Sozialdienste der Bundeswehr besser zugänglich gemacht werden und dass Psychologen der Reserve auch erste Hilfe leisten sollen. Alles Dinge, mit denen das bestehende psychosoziale Netzwerk der Bundeswehr ergänzt werden soll.

Reservisten sind überall in Deutschland organisiert. Darum sollen Kameradschaften motiviert werden, Familien von Soldaten zu betreuen und sie im Alltag zu entlasten. "Außerdem sind Veteranentreffen geplant", so Professor Horst Schuh, der Leiter der AG, "in denen erfahrene Reservisten von ihren Erfahrungen sprechen. Die Einsatzvorbereitung ist wichtig, weil Erfahrungswissen auch sensibilisiert und ein Stück weit immun macht."

Außerdem plant die AG, Reservisten als sogenannte Peers von der Bundeswehr ausbilden zu lassen. In einer zweiwöchigen Vorbereitung sollen sie lernen, betroffenen Soldaten als Paten zur Seite zu stehen. Überhaupt soll es leichter werden, Ansprechpartner zu finden. Zu diesem Zweck ist eine Informationsbroschüre geplant und informierende Beiträge in der Verbandszeitschrift Loyal sollen veröffentlicht werden.

"Damit", so Burkhart Ehrlich, der zuständige Vizepräsident für Betreuung im Reservistenverband, "wollen wir mit unseren Mitteln die Bundeswehr unterstützen, die die Wichtigkeit des Themas erkannt hat und auf Generalsebene bereits einen Beauftragten für PTBS eingesetzt hat." Das nächste Treffen ist bereits im März 2011 geplant.
 

Eva Jakubowski

Bild 1: Die erste Sitzung der Arbeitsgemeinschaft
"PTBS und Familienbetreuung"
(Foto: Eckhard Schwabe)

Bild 2: Andrea Beljo (Foto: Eckhard Schwabe)

Bild 3: Professor Horst Schuh, Leiter der AG (Foto: Eckhard Schwabe)

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