„Wir bewegen uns in einem Spannungsfeld“
Differenziert und aufschlussreich informierten sie am vergangenen Wochenende in der Julius-Leber-Kaserne über die Chancen und Risiken von globaler Migration. Die Heranbildung von interkultureller Kompetenz deutscher Soldaten, der demographische Wandel, illegale Einwanderer und Menschenhandel sind dabei nur einige Stichworte, die in Berlin lebhaft diskutiert wurden .
Die Integration von Migranten innerhalb der Bundeswehr ist schon lange selbstverständlich und sendet ein wichtiges gesellschaftliches Signal. Respekt und Toleranz muss vorgelebt werden. Ein weiterer positiver Effekt: Bundeswehrangehörige mit Migrationshintergrund stehen als Berater und Sprachmittler zur Verfügung. Sie tragen dazu bei, dass deutsche Soldaten in Auslandseinsätzen qualifizierter und erfolgreicher auftreten können im Umgang mit Angehörigen einer fremden Kultur und anderer religiöser Ausrichtung.
Tragweite globaler Migration noch nicht absehbar
"Globale Migration bietet Chancen, aber sie birgt auch Risiken. Dies gilt besonders aus deutscher Sicht", sagt Christian Faul, Vizepräsident des Reservistenverbandes für sicherheitspolitische Bildung. "Die Möglichkeiten, die die globale Migration für die demographische Entwicklung in Deutschland bietet, sind mannigfaltig. Man denke zum Beispiel an den seit langem diskutierten Bedarf an fachlich qualifizierten Arbeitskräften und Wissenschaftlern. Andererseits stellen Wanderungsbewegungen großen Ausmaßes für den gesamten europäischen Raum eine Bedrohung dar. Schon jetzt sprechen Experten von Personenzahlen zwischen 500.000 und einer Million, die sich illegal in der Bundesrepublik aufhalten. Wenn eine unüberschaubare Anzahl an Flüchtlingen ungeplant in die Europäische Union einreist, hat das sowohl im Hinblick auf die Kriminalität als auch für die sozialen Systeme erhebliche Auswirkungen, deren Tragweite wir heute noch gar nicht einschätzen können."
"Müssen familienfreundlicher werden"
General a.D. Harald Kujat ordnete die interessanten Darstellungen seiner Vorredner in den größeren Kontext der Bundeswehrreform ein. Die Truppe werde sich ohne die Wehrpflicht stark verändern: "Bisher haben wir 50 bis 60 Prozent des Freiwilligenaufkommens aus den Wehrpflichtigen bezogen. Dies fällt nun weg. Dennoch müssen wir – trotz starker Reduzierung des Personals bei gleichbleibenden und sogar wachsenden Aufgaben – die Durchhaltefähigkeit der Bundeswehr gewährleisten. Wir müssen andererseits die soziale Verträglichkeit verbessern und familienfreundlicher werden. Wenn beispielsweise ein Soldat junger Familienvater ist, kann er die Entwicklung seines Kindes nur miterleben, wenn wir die Einsätze verkürzen oder die Zeitspanne zwischen zwei Einsätzen verlängern. Das ist das Spannungsfeld, in dem sich die Bundeswehr im Moment bewegt."
Radikale Islamisten haben Hausverbot in Moschee
Besonders beeindruckt waren die Tagungsgäste von der Führung durch die Omar Ibn Al-Khattab-Moschee in Berlin-Kreuzberg und von der offenen Art der türkischen Gastgeber. Birol Ucan, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Moschee, fand klare Worte: "Wir leisten Aufklärungsarbeit und wenden uns massiv gegen die radikal islamistische Bewegung. Bei uns genießen Islamisten keinen Schutz. Sie haben Hausverbot, denn sie sind eine Gefahr für Muslime und Nicht-Muslime."
Vielleicht kehrt das Döllner-Seminar im nächsten Jahr zu seinen Wurzeln zurück. Vizepräsident Faul würde die Teilnehmer gern nach Remagen einladen. Dort lebte Herbert Döllner, der inzwischen verstorbene Initiator der sicherheitspolitischen Veranstaltung.
Handbuch zum Thema "Globale Migration"
Doch bis es soweit ist, gibt es noch viel zu tun: Das aktuelle Handbuch, das der Reservistenverband zum Thema "Globale Migration" herausgibt, wird im Sommer 2012 in Berlin vorgestellt und anschließend flächendeckend verteilt. Besonders praktisch: Es enthält einen Anhang mit Kurzlagen, die schnell und effektiv informieren.
Referenten waren unter anderem Professor Dr. Joachim Kersten, Fachgebietsleiter für allgemeine Polizeiwissenschaft an der Hochschule der Polizei in Münster, und Oberstleutnant Dr. Uwe Ulrich vom Zentrum Innere Führung in Koblenz. Sie sprachen über die Förderung der interkulturellen Kompetenz in der Bundeswehr und bei der Polizei in Deutschland. Dr. Aschot Manutscharjan, Experte für internationale Ostpolitik, richtete den Blick auf andere Staaten und deren sicherheitspolitischen Umgang mit Demographie und Migration.
Die Teilnehmer des Herbert-Döllner-Seminars nehmen ihre Funktion als Multiplikatoren sehr ernst. Sie werden ihr Wissen und die neu gewonnenen Erkenntnisse als Landesinternetbeauftragte oder Landespressereferenten an Kreisgruppen und Reservistenkameradschaften weitergeben. Ein Teilnehmer brachte es treffend auf den Punkt: "Ich finde das Herbert-Döllner-Seminar inspirierend für meine eigenen Vorträge. Ich sauge sozusagen meinen Honig daraus."
Bild oben:
Was hat eine in Marokko geborene Asienwissenschaftlerin, die in Köln studiert hat,
Arabisch, Französisch, Englisch, Persisch und alle arabischen Dialekte spricht,
mit einem Hauptfeldwebel tunesischer Abstammung gemeinsam,
der sowohl Englisch, Französisch als auch alle nordafrikanischen Dialekte
der arabischen Sprache beherrscht?
Beide waren während des "Pegasus"-Einsatzes, der Operation zur Evakuierung
deutscher und europäischer Bürger aus Libyen, auf Kreta als Sprachmittler eingesetzt.
(Foto: Bundeswehr/PIZ EinsFüKdo via flickr.com)
Bild zwei:
Der Reservistenverband begrüßte zehn referenten und 25 Gäste
zum Herbert-Döllner-Seminar in der Berliner Julius-Leber-Kaserne.
Bild drei:
Freude über einen interessanten und inspirierenden Vortrag:
Christian Faul, Vizepräsident des Reservistenverbandes für sicherheitspolitische Bildung,
bedankt sich bei General a.D. Harald Kujat, dem ehemaligen Vorsitzenden
des einflussreichen Nato-Militärausschusses
Bild vier:
Birol Ucan, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Omar Ibn Al-Khattab-Moschee,
erklärt den Tagungsteilnehmern die Glaubensgrundlagen des Islam.
Bild unten:
Es gibt rund 100 kleinere Moscheen in Berlin.
Doch nur die vier Großen sind auch von der
äußeren Architektur als Moscheen zu erkennen,
wie hier die Sehitlik-Moschee.
(Fotos (4): Barbara Damm)