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Afghanistan: Der Rückfall nach dem Rückzug

Die Bundeswehr ist bereits aus Afghanistan abgezogen, die Amerikaner planen zwei Wochen vor dem ursprünglich anvisierten Termin im September das Land zu verlassen. Doch schon jetzt fällt das Land zurück in die Zeit vor Beginn des internationalen Einsatzes im Jahr 2001. Der Vormarsch der Taliban geht unerbittlich voran. Und China steht für sie als künftiger Partner bereit. Peking will massiv in das Land investieren. Das Beispiel Afghanistan zeigt: Der Westen vermag zwar Regime zu stürzen. Eine sich selbst tragende demokratische Ordnung muss nicht zwangsläufig daraus hervorgehen.

Symbolbild. Die westlichen Truppen beim Abzug aus Afghanistan.

Foto: Bundeswehr/Kraatz

Afghanistanchinaloyaltaliban

Hibatullah Achundsada ist ein Name, den sich die Welt künftig wird merken müssen. Der Anführer der radikalislamischen Taliban macht sich auf, zum neuen starken Mann – besser gesagt: zum Diktator – Afghanistans zu werden. Die Bundeswehr hat soeben das Land verlassen, die Amerikaner sind nur noch bis auf wenige Einheiten im Land. Die Religionskrieger hingegen sind unaufhörlich auf dem Vormarsch. Von 407 Distrikten sind bereits rund die Hälfte fest in der Hand der Taliban – darunter ehemalige Standorte der Bundeswehr: Kundus, Faisabad, Masar-i-Scharif und Taloqan. Nur zwei Tage nach Abzug der Amerikaner von ihrem wichtigen Stützpunkt Bagram fiel kürzlich der Distrikt Panjwai in die Hände der Kämpfer um Hibatullah Achundsada. Und von dort aus ist es nicht mehr weit bis nach Kabul.

Erste Auflösungserscheinungen

Die Tage der bisherigen afghanischen Regierung unter Präsident Aschraf Ghani scheinen gezählt zu sein. Es gibt Auflösungserscheinungen. Mehr als tausend Soldaten der Afghanischen Nationalarmee sind kürzlich aus Angst vor den Taliban ins Nachbarland Tadschikistan geflohen, während an anderer Stelle die Religionskrieger den wichtigen Grenzübergang Islam Qala zum Iran erobert haben.

Taliban-Chef Achundsada gilt als Hardliner, der keine Kompromisse eingeht. Viel ist über den vermutlich 1981 in der afghanischen Provinz Kandahar geborenen Religionsführer nicht bekannt. Er soll Oberster Richter der Taliban gewesen sein, der unter anderem mitverantwortlich war für die Zerstörung der Buddha-Statuen von Bamiyan im Jahr 2001. Achundsada leitete die ideologische Schulung der Kämpfer und gilt als Zögling des langjährigen, 2013 verstorbenen Talibanführer Mohammad Omar. An die Spitze der Bewegung rückte er, nachdem Taliban-Chef Achtar Mansur bei einem amerikanischen Drohnenangriff ums Leben kam.

China steht bereit

Wann die Radikalislamisten das ganze Land beherrschen und ihren Gottesstaat, das Emirat, errichten werden, wird eher in Wochen als in Monaten vorausgesagt. Es hängt davon ab, wie lange die Afghanische Nationalarmee hinhaltenden Widerstand leisten kann. Danach dürfte das Land in den Zustand von vor 2001 zurückfallen, als ein archaisch-fundamentalistisches Regime jeglichen Fortschritt unterband, die ohnehin kleine Gruppe von Akademikern vernichtet und Frauen jegliche Rechte nahm.

Einen bedeutenden Unterschied zu der Zeit vor 2001 gibt es diesmal allerdings: Die Volksrepublik China steht bereit, den Taliban massiv unter die Arme zu greifen. Es soll bereits Gespräche zwischen den Taliban und chinesischen Regierungsvertretern geben. 62 Milliarden Dollar will Peking in Afghanistan investieren, meldete das amerikanische Nachrichtenportal „Daily Beast“. Für China ist das Land am Hindukusch ein wichtiger Meilenstein im Rahmen des Projekts Neue Seidenstraße, mit dem die KP Chinas ihre Macht bis nach Europa projiziert, indem sie eine Kette von finanziell abhängigen Vasallenstaaten schafft. In Afghanistan will China im eigenen Interesse massiv in den Ausbau von Straßen, der Eisenbahn und Pipelines investieren. Im Gegensatz zum Westen sind Peking dabei Menschenrechte egal, und auch der Islam interessiert die chinesische Führung nicht, solange es nicht um das eigene Land geht wie etwa bei den unterdrückten moslemischen Uiguren.

Scheitern zeichnete sich lange ab

Mit dem ISAF-Einsatz ab 2001 hatte der Westen zumindest das Ziel erreicht, Afghanistan als ein Nest des internationalen Terrorismus auszuschalten. Höhepunkt in diesem Kampf war die Tötung des Drahtziehers der Anschläge vom 11. September 2001, Osama bin-Laden, im Jahr 2011 durch US Navy-Seals. Doch die NATO-Nachfolgemission Resolute Support geriet am Hindukusch immer mehr in Bedrängnis. Die fremden Truppen wurden vielfach als Besatzer empfunden. Wie schon zuvor im Irak ist es dem Westen nicht gelungen, ein sich selbst tragendes und selbst verteidigendes demokratisches System in Afghanistan aufzubauen. Das Scheitern zeigt sich nicht nur in der jetzt immer schneller voranschreitenden Rückereroberung des Landes durch die Taliban, sondern es zeichnete sich schon vor Jahren ab: Lange bevor Amerikaner, Deutsche, Briten, Kanadier, Polen, Dänen und die anderen westlichen Truppensteller abzogen, hatten sie sich innerhalb des Afghanistans eingegraben, sich hinter Betonwällen verschanzt und möglichst jeden Kontakt zu einer immer feindseliger werdenden Umgebung vermieden. Das Scheitern war also schon lange sichtbar – allein, keine westliche Regierung wollte sich das eingestehen.

Hibatullah Achundsada hat schon jetzt in der islamischen Welt den Ruf, den Westen besiegt zu haben. Mit ihm werden die brutale Unterdrückung der Menschen – vor allem von Frauen und Mädchen –, die Zerstörung nicht-islamischer Kulturgüter und die radikale Auslegung der Scharia zurückkehren. China wäre dabei ein starker Unterstützer, der als Gegenleistung für seine Hilfe nur eines verlangt: Ruhe im Land – die Ruhe einer Diktatur. Dem Westen dürfte nichts übrig bleiben, als diesem Treiben zuzusehen.

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