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Ende offen in Afghanistan – Der Truppenabzug wird riskant




Symbolbild: Ein Soldat der Bundeswehr in Afghanistan. Die NATO-Mission "Resolute Support" sollte eigentlich in diesem Frühjahr beendet werden - und geht nun doch erst einmal weiter.

Foto: Bundeswehr/Dana Kazda

AfghanistannatoUSA

Der NATO-Einsatz „Resolute Support“ in Afghanistan sollte eigentlich in diesem Frühjahr zu Ende gehen. So sah es die alte US-Regierung unter Präsident Donald Trump vor. Nach dem Machtwechsel im Weißen Haus wurde der Abzug dann zunächst verschoben – weshalb die Bundeswehr nach dem Willen der Bundesregierung auch erst einmal bleiben soll. Der neue amerikanische Außenminister Anthony Blinken hat nun dieser Tage in einem Brief an die afghanische Führung einen Friedensplan vorgeschlagen, der eine neue Verfassung, Wahlen und eine Übergangsregierung vorsieht. Die Amerikaner sind sauer wegen der festgefahrenen Friedensgespräche mit den Taliban und wollen Bewegung in die Afghanistan-Frage bringen.

Blinken droht „ungewöhnlich unverblümt“, wie die New York Times schreibt, mit dem Abzug der US-Truppen noch in diesem Frühjahr. Alle Optionen seien auf dem Tisch, so Blinken in einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen US-Fernsehsender PBS. Die afghanische Regierung zeigte sich verärgert über die Amerikaner und spricht bereits von einem „diktierten Frieden“. Eines ist klar: Das Hin und Her macht die Planbarkeit für die Bundeswehr unmöglich.

NATO in der Zwickmühle

Die NATO ist in einer Zwickmühle: Zieht sie ab, drohen die Erfolge des 20-jährigen Einsatzes in sich zusammenzufallen. Bleibt sie länger als von Trump seinerzeit angekündigt, könnten ihre Truppen zur Zielscheibe der Taliban zu werden. Vieles deutet darauf hin, dass der Abzug – wenn er später als von Trump seinerzeit zugesagt kommt – in einem feindlichen Umfeld stattfinden wird.

Für das Angebot Trumps, bis zum 1. Mai die Truppen abzuziehen, hatten sich die Islamisten im Gegenzug zu Friedensgesprächen mit der Regierung in Kabul verpflichtet, die auf neutralem Boden in Doha geführt werden. Doch da geht es momentan nicht mehr voran. Präsident Biden sucht nach einer Lösung, damit die Gotteskrieger nicht alles ruinieren, was die internationale Gemeinschaft in 20 Jahren aufgebaut hat. Afghanistan soll auf keinen Fall wieder zu dem werden, weshalb man nach den Anschlägen vom 11. September 2001 überhaupt erst ins Land gekommen war: zu einem Hort des internationalen Terrorismus. Die staatlichen Strukturen sind schwach, und die afghanische Armee wäre offenkundig nicht in der Lage, die Machtübernahme durch die Islamisten zu verhindern. Ob eine neue Verfassung und Neuwahlen, wie jetzt von Blinken angekündigt, diese Lösung sein könnte, bleibt abzuwarten.

Komplizierte Lage

„Unsere Kämpfer werden niemals einer Verlängerung der Stationierung von US-Truppen zustimmen“, hatte jedenfalls Taliban-Sprecher Sabiullah Mujahid bereits zuvor erklärt. Amerikaner und alle ihre Verbündeten, auch die Deutschen, müssen sich daher auf eine Zuspitzung der Situation in den nächsten Wochen und Monaten einstellen. Es drohen Anschläge und offene militärische Auseinandersetzungen. Sollte es zu einem Abzug nach dem Mai 2021 kommen, müsste dieser womöglich unter feindlichem Feuer stattfinden. Die Lage könnte nicht komplizierter sein.
Alle bereiten sich auf das Schlimmste vor. Die USA haben Deutschland zugesagt, Apache-Kampfhubschrauber und bewaffnete Predator-Drohnen bereit zu halten, die auch die Bundeswehr anfordern könnte, wenn es brenzlig wird. Bekanntlich verfügt die Bundeswehr selbst nicht über ein derartiges Waffensystem. Die Niederlande, die neben den Deutschen in Masar-i-Scharif mit 150 Mann stationiert sind, halten in der Heimat 80 Soldaten in Alarmbereitschaft, um notfalls eingreifen zu können. Bei der Bundeswehr sind es eine Kompanie der Division Schnelle Kräfte und ein Mörserzug, die rasch nach Afghanistan verlegt werden könnten, sollte die Situation heikel werden.

Eine weitere Sicherheitsreserve für die Deutschen könnte allerdings eine Kompanie des Kommandos Spezialkräfte sein, das jedoch momentan mit ganz anderen Problemen zu kämpfen hat – rechtsextremistische Umtriebe, fragwürdige Nebentätigkeiten einiger Soldaten, verschwundene Munition, eine befremdliche Amnestie-Aktion des KSK-Kommandeurs Brigadegeneral Markus Kreitmayr. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hängt das KSK wie ein Mühlstein am Hals, aber sie könnte seine Unterstützung demnächst in Afghanistan bitter nötig haben.

Diplomatisch schwierige Herausforderung

Auch diplomatisch wird der Abzug der NATO-Truppen die wohl heikelste Herausforderung dieser Art für den Westen seit dem Ende des Vietnam-Kriegs, soviel ist jetzt schon klar. Gesichtswahrend rauszukommen, die Erzählung von einem erfolgreichen Einsatz über 20 Jahre nicht zu beschädigen und das Land nicht in die Steinzeit zurückfallen lassen. Darum geht es. Im Fall von Vietnam war es Anfang der 1970er Jahre ein zermürbender Machtpoker in 45 Runden zwischen dem amerikanischen Unterhändler Henry Kissinger und seinem vietnamesischen Gegenüber Le Duc Tho. Auch damals hatten die USA und ihre Verbündeten ihre Ziele in dem Land nicht erreicht; am Ende ging es nur noch darum, den Schaden zu begrenzen, die weiteren eigenen Verluste zu minimieren. So wie übrigens auch beim Abzug der Sowjets aus Afghanistan 1989. Geschichte wiederholt sich nicht. Aber manchmal sind sich ihre Episoden schon recht ähnlich. Ob Blinken der neue Kissinger wird – in Afghanistan ist derzeit alles offen.

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