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Kein Blick fürs große Ganze

Deutschlands Rüstung könnte kaum schlechter organisiert sein. Das muss sich ändern, wenn die Bundeswehr zu einer Streitkraft umgebaut werden soll, die künftigen Aufgaben gerecht wird.

Ein zentrales Rüstungsvorhaben für das Konzept Rahmennationenarmee Bundeswehr: der Schützenpanzer Puma.

Foto: Bundeswehr/Daniel Dinnebier

Beschaffungrüstung

Die Ausrüstung von Streitkräften ist eine politische Königsdisziplin. Zahllose Interessen müssen koordiniert und ebenso viele Zielkonflikte gelöst werden – innerhalb der Armee, der Industrie mitsamt Gewerkschaften, in der Politik und zwischen allen dreien. Gerade komplexe Waffensysteme wie Kampfflugzeuge laufen über eine Dekade und länger, was das Kurshalten weiter erschwert. Im Kalten Krieg schuf sich die Bundesrepublik dafür ein leidlich funktionierendes Beschaffungswesen. Denn die Bundeswehr hatte das überschaubare Fähigkeitsprofil einer Panzerarmee mit kleiner Luftwaffe und Marine zur Unterstützung. Als Eichmaß für die Rüstung gab es den technischen Stand der Sowjettruppen. Danach bauten Panzerschmieden, Werften und Zulieferer im Mittelstand gediegenes Kriegsgerät wie den Leopard-Panzer und anderes Wehrgerät: solide und in stetigen Stückzahlen. „Qualitätsrüstung“ nannte sich das. Ein stabiles System. Als Sahnehäubchen gab es für die Industrie Exporte und für die Politik multinationale Vorhaben zum Beweis deutscher Verlässlichkeit.

Doch inzwischen funktioniert das etablierte System immer schlechter. Die Anforderungen an das Rüstungswesen sind komplexer geworden. Heute will die Politik eine Armee, mit der sich Deutschland global engagieren kann. Daneben soll die Bundeswehr wieder den Großkampf gegen Russland leisten können. Das heutige Kriegsgerät ist wegen digitaler Komponenten aufwendiger zu konzipieren. Diese müssen zudem in raschen Zyklen erneuert werden. Daneben braucht es für Auslandseinsätze eine pragmatische und zeitnahe Beschaffung. Europäisch zu rüsten wird immer drängender. Nur so lassen sich Hauptwaffensysteme überhaupt noch zu annehmbaren Konditionen finanzieren, lässt sich ernstzunehmende militärische Schlagkraft aufbauen. Die Koordination all dessen ist schwierig und kostet Zeit, viel Zeit. Die Vielfalt der Anforderungen ist ebenfalls kostenintensiv. Die Bundeswehr soll deshalb alle Aufgaben über ein „Single Set of Forces“ abdecken – zu Deutsch: einen Werkzeugsatz militärischer Fähigkeiten.

Konzept der Rahmennationenarmee

Dieser Werkzeugsatz soll das 2018 beschlossene Fähigkeitsprofil für eine „Rahmennationenarmee“ werden, an die kleinere europäische Partnerarmeen andocken können. Dazu soll die Armee über die laufende Dekade bis 2032 passend ausgerüstet werden. Mit Blick auf das Heer heißt das beispielsweise die Ertüchtigung der drei Divisionen mit neuen Schützenpanzern, Flugabwehr und die Auffüllung der über Jahre ausgedünnten Munitionsbestände. 130 Milliarden Euro Rüstungsinvestitionen veranschlagt das Verteidigungsministerium für das Konzept der Rahmennationenarmee. Zu deren Unterhalt soll der Wehretat auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anwachsen, so das Versprechen der jetzigen Regierung. Doch schon der erste Meilenstein im Fahrplan, die vollständige Ausrüstung einer Heeres-Brigade zur VJTF 2023, wird nicht erreicht, gab der Inspekteur des Heeres Generalleutnant Alfons Mais zum Jahresauftakt bekannt.

Die Großprojekte im Rüstungsbericht des Wehrressorts kennen praktisch nur eine Konstante: Verzögerung. Sie bewegt sich seit 2015 um die 50 Monate. Künftig dürfte die Rüstungsmisere noch drastischer werden. Denn die Schwächen des deutschen Beschaffungswesens lassen sich kaum beseitigen.

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Ein Blick in die Herzkammer der Bundeswehr-Rüstung, ins Beschaffungsamt in Koblenz – kurz BAAIN, wo das Projektmanagement zu allen Rüstungsvorhaben erfolgt: Das Amt arbeitet die Forderungen zur Rahmennationenarmee stetig ab – steht dabei aber unter dauernder Volllast. Eine Beschleunigung ist nicht in Sicht. Der Grund: Bei Gründung des BAAIN im Jahr 2012 galt für Politik und Militärplaner das Effizienzparadigma „Mehr aus Weniger“. Dazu wurde die gesamte Rüstung auf das BAAIN zentralisiert. Dem Amt wurde von den Teilstreitkräften sogar die aufwendige Übernahme von Waffensystemen in die Nutzung der Truppe übertragen. Damals hatte der Bereich BAAIN 11.300 Dienstposten, die auf 9.600 abgeschmolzen werden sollten – viel zu wenig Stellen für die umfangreichen Aufgaben. Die Zielstruktur im jüngsten Rüstungsbericht sieht nun wieder 11.300 Dienstposten vor. Bis 2027 sollen es knapp unter 12.000 werden, so ein Sprecher des BAAIN zu loyal. Die Rekrutierung des zusätzlichen Personals läuft zäh, wie die Rüstungsberichte zeigen. Außerdem sind Dienstposten ein teurer Faktor im Wehretat, um die alle Organisationbereiche der Bundeswehr erbittert konkurrieren. Als fixe Kosten absorbieren sie zudem, was für Rüstungsinvestitionen im Etat vorgesehen ist, wenn dieser nicht entsprechend mit aufwächst.

Ausbau von Inhouse-Gesellschaften eine Lösung?

Überzeugende Lösungsansätze für das Personalproblem haben weder Regierungskoalition noch Opposition erarbeitet. Die exzessive Nutzung externer Berater zur Entlastung musste beendet werden, da der Verdacht von Korruption und Rechtsverstößen aufkam. Zur Zeit lässt Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer einen Katalog von 58 Einzelmaßnahmen prüfen und umsetzen – beispielsweise den Versuch, mehr Seiteneinsteiger zu rekrutieren. Entscheidende Fortschritte dürfte das nicht bringen. Der Branchendienst Griephan veröffentlichte vor kurzem eine Denkschrift der BAAIN-Präsidentin Gabriele Korb zur weiteren Reform des Beschaffungsamts unter dem Titel „Zeughaus 2.0“. Darin heißt es: „Die eigenen Ressourcen halten nicht mit den Aufträgen und Ansprüchen Schritt.“ Aus Korbs Sicht wird das auch so bleiben, unter anderem wegen des zunehmenden Fachkräftemangels. Ein entscheidender Hebel für die BAAIN-Präsidentin wäre der Ausbau von Inhouse-Gesellschaften wie der BW-Consulting, um von dort mehr Berater zur Unterstützung zu bekommen. Zudem regt Korb an, die Einführung der Waffensysteme in die Truppe, die Projektmitarbeiter lange bindet, wieder den Teilstreitkräften zu überlassen. Eine Absicht, die auch das Eckpunktepapier „Bundeswehr der Zukunft“ von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer von Ende Mai postuliert. Das laufende „Nachsteuern“ des Rüstungsprozesses, wie es auf Technokraten-Deutsch heißt, geht wieder zu mehr Dezentralisierung.Bereits 2017 ging die IT-Beschaffung an den Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr. Die Marine will ihre Sofortinstandsetzung zurück.

Wer analysiert, darf nicht bieten

Zu dem überlasteten Rüstprozess kommen überzogene Vorstellungen, was ein effektiveres Zusammenspiel von Bundeswehr und Industrie angeht. Schon im Jahr 2000 empfahl die Weizsäcker-Kommission als Hauptmaßnahme, die Industrie früh in Projektteams mit Militär und Beschaffungsamt zu holen. Die gemeinsame Analyse sollte technologische Umsetzung und Kostenplanung von Groß-Waffensystemen verbessern. Das Regelwerk zum Beschaffungsprozess sieht inzwischen integrierte Teams mit der Industrie vor, allerdings nur, „wenn rechtlich möglich“. Das Vergaberecht regelt es so: Unternehmen, die sich in der Analysephase beteiligen, können nicht bei der Ausschreibung mitmachen. Das wäre Wettbewerbsverzerrung. Es sei denn, die Bundeswehr kauft das eingebrachte Wissen, um es allen Mitbewerbern zugänglich zu machen, was unrealistisch teuer wäre. Ausnahmen berät der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Lieferungen und Dienstleistungen – kurz DVAL. Das ist ein typisch deutsches Paritätsgremium, in dem sich von Gewerkschaften über Behörden bis zur Industrie alle Akteure des Wirtschaftslebens versammeln. Die Wehrindustrie wird durch den BDI vertreten. „Breite Zustimmung für ausgewogene Regelungen“ ist der Entscheidungsmaßstab. Es gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Das ist die perfekte Todeszone für jeden Versuch, Ausnahmen im Sinne der Bundeswehr durchzusetzen. Beistand vom Hüter des Vergaberechts, dem Bundeswirtschaftsministerium, ist nicht zu erwarten. Das hat die Hege und Pflege des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Blick, und dafür ist gleicher Wettbewerb für alle Trumpf.

Generell gilt in Deutschland, dass ökonomische Interessen stets die militärischen überformen. Beispiel ist das Forderungscontrolling für kommendes Gerät, das Generalinspekteur Zorn zum entscheidenden Hebel der Streitkräfte erklärt hat, um zügiger und günstiger über Standardprodukte zu rüsten, weniger mit aufwändigen Entwicklungsprojekten. Doch genau darauf ist die deutsche Wehrindustrie mit ihrem hochwertigen Kriegsgerät ausgelegt. Viele Unternehmen wie Rheinmetall und TKMS sind so genannte „Systemhäuser“, die für ihre Kunden ein maßgeschneidertes Produkt entwickeln. Waren von der Stange sind in ihrem Geschäftskonzept nicht vorgesehen. Die Große Koalition hat dafür gesorgt, dass die Bundeswehr die großen Rüstungsunternehmen kaum umgehen kann, indem sie nahezu alle Bereiche der Wehrindustrie zu Schlüsseltechnologien erklärte. Das heißt, sie sind vom europäischen Wettbewerb ausgenommen. Dadurch soll die Branche im Verdrängungswettbewerb der nationalen Rüstungsindustrien Europas bestehen können.

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Um diese massiven Zielkonflikte in den Griff zu bekommen, müsste es eine entscheidungsfreudige politische Koordination geben. Doch die fehlt in Deutschland. Das Wehrressort plant zwar die Rüstung, doch viele andere sprechen mit: das Auswärtige Amt beim Export, das Finanzministerium bei den Investitionen. Alle Vorhaben ab 25 Millionen Euro prüft der Rechnungshof und müssen vom Haushaltsausschuss des Bundestages genehmigt werden. Eine Rüstungsstrategie, die Interessen und Handeln aller Beteiligten abstimmt, gibt es nicht. Im Ergebnis werden Beschaffungen regelmäßig in Sackgassen gesteuert. So wie der schwere Transporthubschrauber. Für diesen stehen zwei Modelle von US-amerikanischen Herstellern zur Wahl. Der Preis wurde nach den Basismodellen der Anbieter kalkuliert. Unberücksichtigt blieben die technischen Sonderwünsche sowie ein stets teurer Ankauf von Rechten zu Wartung und Weiterentwicklung für die deutsche Industrie – eine Vorgabe des Haushaltsausschusses. Die Beschaffung wurde folglich zu teuer und musste abgebrochen werden. Die Beteiligung der deutschen Industrie an der Wertschöpfung ist ein legitimes Interesse; allerdings hätte das Vorhaben dann mit mehr Mitteln unterfüttert werden müssen. Eine sinnvolle Abstimmung der Akteure funktionierte offensichtlich nicht.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer würde gerne den Bundessicherheitsrat zum Koordinationsgremium der Rüstung zwischen den Ministerien aufwerten. Bis jetzt kümmert er sich vor allem um Waffenexportfragen. Ein solcher „Nationaler Sicherheitsrat“ bräuchte dann in der Logik einen gewissen bürokratischen Unterbau mit einem Staatsminister an der Spitze. Eine große jährliche Debattenwoche zur Sicherheitspolitik soll zudem die Einbindung des Bundestages verbessern, so Kramp-Karrenbauer in einem Positionspapier zum Jahresanfang. Ein weiteres Konzept, das sich die Verteidigungsministerin zu eigen gemacht hat, ist die Forderung nach einem Planungsgesetz, das die mehrjährige Rüstungsfinanzierung verbessern soll. Einen Vorschlag zur genaueren Ausgestaltung eines solchen Gesetzes hat sie allerdings nicht in die Debatte eingebracht.

Wie machen es die anderen?

Frankreich, der wichtigste Partner Deutschlands für strategische Rüstvorhaben, arbeitet seit den 1960er Jahren mit einem Planungsgesetz. Die französische Variante sieht eine Finanzplanung für sechs Jahre vor, direkt verbunden mit einem Rüstprogramm für das Fähigkeitsprofil der Streitkräfte, das aus der französischen Sicherheitsstrategie abgeleitet wird. Wird diese erneuert, wird auch das Planungsgesetz angepasst. Dabei bindet das „Loi de programmation militaire“ keine Finanzmittel. Die veranschlagten Gelder müssen jedes Jahr vom Parlament über den Haushalt bewilligt werden. Dafür zieht die Nationalversammlung einen jährlichen Performance-Bericht heran, der bis ins Detail den Stand der Rüstungsvorhaben und der aufgewandten Mittel zeigt. Bei Defiziten oder Etatkürzungen, gibt es für Anpassungen und die Debatte darüber ein klares Zielbild. Experten bescheinigen diesem Ansatz hohe Effizienz. Eine Analyse für das britische Verteidigungsministerium von 2009 bescheinigte Rüstungsvorhaben im französischen Beschaffungssystem eine Durchschnittsverzögerung von nur 1,5 Monaten.
Deutschlands Beschaffungsverfahren verlaufen dagegen ohne Blick auf das große Ganze.

Da Rüstung immer kostenintensiver wird, steigt die Zahl der 25-Millionen-Vorlagen im Bundestag stetig. Zurzeit drücken circa 50 Vorhaben durch den Flaschenhals Parlament, folgt man der Projektliste des Wehrressorts vom Jahresanfang. Das Gesamtbild Rahmennationenarmee wird hierbei nie sichtbar. Die Rüstung dafür degeneriert zur „Wunschliste“ der Bundeswehr, mit dem Tunnelblick auf Einzelprojekte. Haben die Parlamentarier anderweitige Interessen, werden bereits durchgeplante Vorhaben der Militärs einfach versenkt. So wie 2009 die dringende Beschaffung von Patrouillenfahrzeugen für Afghanistan von einem US-Unternehmen. Im Haushalts- und im Verteidigungsausschuss wurde das Projekt so lange von der Tagesordnung genommen, bis die deutsche Rüstungsindustrie liefern konnte, die das neue Marktsegment verschlafen hatte. Parlamentarische Befassung ist teils auch problematische Einflussnahme, statt sinnvolle Defizitkontrolle exekutiven Handelns.

Finanzplanung ist eine Kernschwäche

Eine Kernschwäche der Rüstung Deutschlands ist zudem die Finanzplanung. Werden die Eckwerte des Wehretats vom Finanzministerium abgesenkt, entstehen sofort riesige Lücken bei den Rüstungsinvestitionen, was vor allem Großvorhaben versacken lässt. Der Lehrstuhl für Militärökonomie der Bundeswehr-Universität München hat errechnet, dass bei einer Entwicklung nach den jetzigen Eckwerten bis 2030 rund 40 Prozent der Investitionssumme fehlen werden. Das strategische Ziel einer Rahmennationenarmee lässt sich so nicht umsetzen, selbst wenn das Wehrbudget pro Jahr höher verhandelt würde. Für die politisch gewünschte Koalitionsrüstung in Europa müssen die Planer der Bundeswehr belastbar wissen, was sie in fünf Jahren investieren können. Das Verteidigungsministerium hat zwar eine jährliche 500 Millionen-Euro-Rücklage und kann bestimmte Budgettitel in andere verschieben. Allerdings besteht dann die Gefahr, dass bereits eingeleitete Vorhaben abrupt auf Sparflamme gesetzt und ihre Mittel in andere Projekte geleitet werden, wenn die Planer den Eindruck gewinnen, hier einen Schritt weiterzukommen. Rüstung in Deutschland ist wie stockender Verkehr. Autos fahren in die nächstbeste Lücke. Hauptsache es geht irgendwie voran.

Ebenfalls ein Rüstungsvorhaben für das Konzept der Rahmennationenarmee: ein neuer schwerer Transporthubschrauber. Hier ein Kandidat – der CH-47 Chinook von Boeing. (Foto: UK MOD/Crown)

So zerfasert wie die Bundeswehr-Beschaffung, so uneinheitlich sind auch die Positionen aus den Bundestagsfraktionen dazu. Der präziseste Vorschlag kommt vom verteidigungspolitischen Sprecher der Grünen, Tobias Lindner. Seine Planungsgesetz-Idee hat wegen der Pandemie-Folgen ein sinkendes Wehrbudget im Blick. Statt auf eine volle Umsetzung des Fähigkeitsprofils zu setzen, sollten die zehn bis 15 wichtigsten Rüstvorhaben in diesem Gesetz definiert werden samt dem jeweiligen Kostenrahmen. Die Gelder pro Vorhaben würden über zehn Jahren verfügbar gemacht, beispielsweise als Sondervermögen. Lindner gegenüber loyal: „Das gibt den Projekten politischen Rückhalt und stellt eine transparente Debatte im Bundestag sicher.“

Auch Rüdiger Lucassen, verteidigungspolitischer Sprecher der AfD, befürwortet ein solches Planungsgesetz auf loyal-Anfrage. Ferner würde er das Grundgesetz ändern, um die Trennung zwischen ziviler Wehrverwaltung und Truppe aufzuheben. „Eine tiefe Integration von Bedarfsträger und Bedarfsdecker ist für eine leistungsfähige Rüstungsbeschaffung unabdingbar.“

Auf Seiten der CDU/CSU haben die Verteidigungspolitiker ein Positionspapier mit Blick auf die Bundestagswahl erarbeitet, das loyal vorliegt. Ihr zentraler Lösungsvorschlag für eine bessere Rüstung ist die Umwandlung des Beschaffungsamts in eine Agentur. Der Ansatz zielt darauf ab, flexibler Personal einstellen zu können und über Zielvereinbarungen und Prämien eine schnellere Abarbeitung von Projekten zu erreichen. Als Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer ihr Amt antrat, schloss sie diesen Ansatz aus – allerdings nur vorläufig. Die Unions-Verteidigungspolitiker schlagen zudem die „Prüfung“ der Anhebung der 25-Millionen-Euro-Grenze bei Vorlagen vor, um die Mitgestaltung des Parlaments auf die wirklich großen Rüstungsvorhaben zu begrenzen. Sie sind die einzigen, die eine solche Selbstbeschränkung in Betracht ziehen. Der Ansatz Planungsgesetz der Verteidigungsministerin aus den eigenen Reihen, fehlt dagegen im Papier. Von der FDP-Bundestagsfraktion gibt es einen ganzen Ideen-Katalog „Beschaffungsprozess der Bundeswehr reformieren“ mit 37 Punkten. In der Masse handelt es sich aber um kleinteilige technische Maßnahmen, die schon seit Jahren Teil laufender Effizienzverbesserungsprogramme im Beschaffungsamt sind, wie „stärkere Nutzung von Rahmen- und Standardverträgen“. Die Liberalen fordern als einzige Fraktion eine Rüstungsstrategie. Das 25-Millionen-Vorlagen-Mikromanagement soll nicht eingegrenzt, sondern für die Parlamentarier optimiert werden, indem ihnen zusammenhängende Beschaffungsvorhaben in einer Vorlage aufbereitet werden. Auf Seiten der Linkspartei verlangt deren verteidigungspolitischer Sprecher Tobias Pflüger ein effizienteres Forderungscontrolling samt Vertragsmanagement von den Streitkräften. „Die Bundeswehr muss endlich lernen, mit dem vom Steuerzahler bereitgestellten Geld effizient zu wirtschaften“, so Pflüger zu loyal. Ein Planungsgesetz lehnt er als „Schattenhaushalt“ ab. Die Sozialdemokraten stoßen in dasselbe Horn. Ein Planungsgesetz das überjährig Gelder bindet, lehnt die SPD ab, so deren verteidigungspolitische Sprecherin Siemtje Möller auf loyal-Anfrage. „Wenn eine hochbezahlte Ministerialbürokratie nicht in der Lage ist, die Mittel vernünftig abfließen zu lassen, ist das nicht ein Problem des Parlaments.“ Einer Rüstungsreform, die daür sorgt, dass Haushaltmittel schneller umgesetzt und effizient ausgegeben werden, würde sich die SPD nicht verschließen, so Möller weiter.

Dass mögliche Reformen nach der Bundestagswahl konsequent genug wären, ist bei allen Vorschlägen kaum zu erwarten. Um den komplexen Rüstungsprozess zu glätten, müssten Reformen parallel in drei Bereichen erfolgen: Formulierung einer Rüstungsstrategie samt Aufbau einer wertigen politischen Koordinierung, überjährige Finanzplanung und eine sinnvollere Parlamentskontrolle.

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