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„Solche Äußerungen eines Generals sind inakzeptabel“

Was dürfen Soldaten im und nach Dienst politisch äußern? Ist es mit ihrem Selbstverständnis vereinbar, Mitglied der AfD zu sein? Ein loyal-Gespräch mit General a.D. Wolfgang Schneiderhan und dem früheren Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise.

Frank-Jürgen Weise (r.) und Wolfgang Schneiderhan im Gespräch mit Marco Seliger.

Foto: Jonas Ratermann

  • Von Marco Seliger (Interview) und Jonas Ratermann (Fotos)
  • 15.01.2020
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Herr Schneiderhan, Herr Weise, Sie sind beide Mitglied im Freundeskreis des Zentrums Innere Führung in Koblenz. Im vergangenen Sommer hat der Kommandeur des Zentrums, Generalmajor Reinhardt Zudrop, in einer internen Veranstaltung geäußert, solange eindeutig extremistische Positionen Teil der AfD seien, könne er diese Partei nicht wählen. Daraufhin wurden disziplinarische Vorermittlungen gegen ihn eingeleitet, weil ein Vorgesetzter ihm untergebene Soldaten nicht politisch beeinflussen darf. Was haben Sie gedacht, als Sie davon hörten?

Wolfgang Schneiderhan: Politische Bildung ist eine ständige Aufgabe militärischer Vorgesetzter. Das Soldatengesetz gibt den rechtlichen Rahmen dafür. Darüber hinaus aber existieren Bereiche, in denen sich militärische Vorgesetzte geradezu äußern und positionieren müssen. Ich will mich hier nicht zu dem konkreten Fall äußern. Aber gerade das Zentrum Innere Führung ist der Raum, in dem wir uns mit politischen Entwicklungen auseinandersetzen müssen. Dort muss man offen reden können. Daraus darf keine Beeinflussung im Sinne von Verboten entstehen. Aber jeder von uns muss zu den politischen Entwicklungen und dem damit verbundenen Erstarken rechter Tendenzen in der Gesellschaft Position beziehen.

Frank-Jürgen Weise: In unserer Armee mit ihrem Prinzip der Inneren Führung kann und darf man völlig offen reden. Wäre diese Äußerung des Kommandeurs in der Lehre gefallen, dann hätte ich Bedenken, keine rechtlichen, sondern eher hinsichtlich der politischen Auseinandersetzung. Aber in einem internen Kreis ist es legitim, eine persönliche Meinung in dieser Form zu äußern. Ich würde allerdings in einem solchen Moment eher von Extremismus sprechen, den ich ablehne, statt von einer bestimmten Partei. Eine Aussage gegen eine bestimmte Partei, die im Bundestag vertreten ist – da sollte man angesichts des Soldatengesetzes eher vorsichtig sein.

Schneiderhan: Das sehe ich auch so. Man muss sich im Dienst nicht mit einer einzelnen Partei als solcher beschäftigen, sondern mit extremistischen Positionen, mit den Denkkategorien, die im gesamten Extremismus-Spektrum vorhanden sind. Damit meine ich links- wie rechtsextrem. Beides geht für Soldaten nicht.

Wie bewerten Sie es, dass disziplinare Vorermittlungen gegen Generalmajor Zudrop aufgenommen wurden?

Weise: Es ist gut, dass es in unserem Land möglich ist, solche Vorwürfe sachlich zu klären. Denn es könnte dabei ja auch herauskommen, dass Zudrop vollkommen richtig gehandelt hat. Dass dabei die Anmutung entstanden ist, dass jemand, der seine Meinung sagt, mit disziplinaren Folgen rechnen muss, finde ich allerdings sehr bedauerlich.

Schneiderhan: Ich habe vor Kurzem am Zentrum Innere Führung einen Vortrag gehalten. Mein Leitgedanke darin lautete „Mut“. Es ging um den mangelnden Mut in der Weimarer Republik, rechtzeitig „Halt“ zu sagen. Außerem ging es um den Mut der Verzweifelten vom 20. Juli 1944 und schließlich um den heutigen Mut zum Frieden, zur Versöhnung und zur Demokratie. Ja, dafür braucht es heute wieder Mut. Und das besorgt mich. Wenn Zudrops Äußerungen eine Diskussion darüber auslösen, dann waren sie sehr wichtig.

General a.D. Wolfgang Schneiderhan

Im Soldatengesetz heißt es, ein Vorgesetzter dürfe seine Untergebenen nicht für oder gegen eine politische Meinung beeinflussen. Aber müssen Soldaten bei Positionen des rechten Rands der AfD, Stichwort Verharmlosung des Holocaust, oder Gaulands „Fliegenschiss der Geschichte“ nicht widersprechen? Sind Offiziere in einer Armee wie der Bundeswehr mit dieser Vorgeschichte dazu nicht geradezu verpflichtet?

Weise: In punkto Holocaust gibt es da überhaupt keine Frage. Die Leugnung steht unter Strafe.

Schneiderhan: Vorgesetzte müssen ganz klar Position beziehen, wenn es um Dinge geht, die sich gegen unsere demokratische Ordnung und moralischen Werte wenden. Dazu dürfen sie keine Diskussion mit Untergebenen scheuen.

Weise: Als Jugendoffizier in den 1970er Jahren hat mich begeistert, dass man in der Bundeswehr offen und kontrovers politisch diskutieren konnte. Es gab damals nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch unter Soldaten ein ziemlich linkes Spektrum. Die Debatten waren heftig, aber von Respekt und Kameradschaft geprägt. Ich möchte am Zentrum Innere Führung kein Klima haben, in dem man dem Andersdenkenden gleich mit dem Gesetzbuch kommt, sondern in dem offen diskutiert werden kann. Ausnahme ist die Holocaust-Leugnung.

Schneiderhan: Soldaten brauchen Orientierung. Die Ausdeutung der Tradition und des Selbstverständnisses der Bundeswehr als integrierter Faktor in einem demokratischen Staat kann man nicht jedem Individuum allein überlassen. Der Soldat muss angeleitet werden, gerade bei der Traditionspflege. Es kann nicht jeder für sich entscheiden, wie er das verstehen will. Da braucht es Führung. Vorgesetzte müssen sich hinstellen und sagen, was sie für richtig und für falsch halten. Und dann müssen sie es begründen.

Die AfD ist eine Partei mit rechtsextremistischen Tendenzen, von denen sich die Parteiführung nicht eindeutig distanziert. Was sagt das über die Bundeswehr aus, dass es viele Soldaten und Offiziere sind, die für diese Partei in Parlamenten und anderen Funktionen tätig sind?

Schneiderhan: Es beschäftigt mich sehr, dass es Soldaten gibt, die es bis zum Oberst oder noch höher geschafft haben, und die plötzlich feststellen, dass die Fundamente, auf denen unsere Bundeswehr basiert, nicht ihren Vorstellungen entsprechen. Ich frage mich, was die 40 Jahre lang in ihrem Berufsleben gemacht haben, wie sie Loyalität, Pflicht und Gehorsam mit sich vereinbart haben. Waren sie in der inneren Migration?

Sie heben darauf ab, dass die AfD in ihren Vorstellungen zur Bundeswehr von einer Reform an Haupt und Gliedern der Streitkräfte spricht, von Ehre, Ruhm und Stolz.

Schneiderhan: Andererseits verfolgt die AfD in Bezug auf die Bundeswehr eine Politik der gesellschaftlichen Anerkennung für die Soldaten. Und das ist natürlich verlockend, denn da setzt die AfD einen Punkt. Da gibt es tatsächlich ein Vakuum. Wir, die politische und militärische Führung sowie die Gesellschaft, dachten offensichtlich, der Staatsbürger in Uniform brauche keine Anerkennung, das würde schon irgendwie laufen. Nein, tut es nicht. Unsere Soldaten fühlen sich öffentlich nicht wirklich wahrgenommen. Sie werden beschimpft, müssen sich als Mörder titulieren lassen, ohne dass es dagegen einen politischen und gesellschaftlichen Aufschrei gibt. Das hat Spuren hinterlassen. Und die AfD versucht, daraus jetzt Nutzen zu schlagen.

Weise: Ich kenne die Wirtschaft, ich kenne Stiftungen, öffentliche Einrichtungen, ich weiß, wie dort geredet wird. Und da kann ich nur sagen: Nirgends konnte offener und kontroverser diskutiert werden als in der Bundeswehr. Da wird Demokratie noch wirklich gelebt. Ich kann in der Bundeswehr keine extremistischen Erscheinungen, links wie rechts, sehen. Aber es kann durchaus sein, dass es Soldaten gibt, die mit der AfD sympathisieren, weil sie meinen, diese Partei vertrete konservative Ansichten.

Frank-Jürgen Weise

Sie, Herr Weise, sind seit 45 Jahren Mitglied der CDU. Muss sich Ihre Partei, die mit CSU und SPD seit vielen Jahren regiert, nicht den Vorwurf gefallen lassen, mit ihrer Politik dafür gesorgt zu haben, dass sich viele Soldaten heute zu einer Partei wie der AfD hingezogen fühlen?

Weise: Ja, in der Tat. Aber das hat sich einfach über die Jahre ergeben. Mauerfall, Wiederaufbau Ostdeutschlands, wirtschaftlicher Aufschwung, Finanzkrise und Zuwanderung haben die Politik der vergangenen Jahrzehnte beschäftigt. Das ist kein Urteil über irgendwen, sondern nur eine Feststellung. Wichtig ist, dass wir heute, auch bedingt durch die politischen Entwicklungen, wieder über unsere Werte und den Zustand unserer Demokratie debattieren.

Schneiderhan: Ich habe mich immer gefragt, was es eigentlich heißt, wenn wir von der Bundeswehr als Parlamentsarmee reden. Heißt das, der Bundestag beschließt das Mandat für den Einsatz und damit hat es sich? Oder heißt das, der Bundestag erteilt Mandate und begleitet die Soldaten dabei, was er ihnen auferlegt hat, auch wenn sie zurückkommen? Ich meine, es ist Letzteres. Und da ist ein Defizit entstanden. Denn die Zumutungen an die Soldaten sind heute andere als früher. Es geht nun wirklich um die scharfe Seite des Berufes, um Leben und Tod. Eine Partei, die Soldaten als Mörder beschimpft, wird unter Soldaten keine Anhänger finden. Aber eine Partei, die sagt, Soldaten müssten wieder geehrt werden, die hat Zuckerwatte in der Hand. Das ist verführerisch und gefährlich.

Weise: Ein klares Bekenntnis zu den Einsätzen, eine kritische Diskussion darüber, hat es in der Mitte unseres Parteienspektrums nicht wirklich gegeben. Ich kann verstehen, dass sich da Soldaten auf der Suche nach dem Sinn ihres Tuns, auch nach Wertschätzung für ihre Arbeit, von der Politik und der Gesellschaft alleingelassen fühlen. Und da kommt jetzt die AfD mit Slogans in denen Begriffe vorkommen wie Ehre, Ruhm und Stolz. Das kann verlockend sein.

Schneiderhan: Die Bundeswehr hat zum Beispiel großartige Arbeit bei der Befriedung von Bosnien-Herzegowina geleistet. Sang- und klanglos hat die Bundesregierung vor einigen Jahren die Soldaten dort abgezogen. Warum so lautlos? Dieser Einsatz ist eine Erfolgsgeschichte, Zehntausende Soldaten sind davon geprägt worden. Man hätte ihre Geschichte erzählen und sich bei ihnen bedanken können. Das ist leider nicht geschehen.

Nach seiner Pensionierung im Herbst 2018 hat der Generalleutnant Joachim Wundrak für die AfD bei der OB-Wahl in Hannover kandidiert. Dabei äußerte er unter anderem, Bundeskanzlerin Angela Merkel sei aufgrund ihrer Entscheidungen im Krisenjahr 2015 „antideutsch“. Wie deckt sich das mit dem Soldatengesetz, wonach ein Offizier „auch nach seinem Ausscheiden der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die für seine Wiederverwendung in seinem Dienstgrad erforderlich sind“?

Weise: Ein General, der während seiner Dienstzeit eine Haltung, eine Position und Kontur eingenommen hat, von dem erwarte ich, dass er sie auch nach seiner Pensionierung genauso vertritt. Dazu ist er gegenüber den Soldaten, die er früher geführt hat, geradezu verpflichtet. Insofern ist eine solche Äußerung über Bundeskanzlerin Merkel inakzeptabel.

Schneiderhan: Mich haben diese Aussagen sehr getroffen, und das hat auch damit zu tun, dass ich Herrn Wundrak gut zu kennen glaubte. Wir haben früher eng zusammengearbeitet. Solche Äußerungen eines ehemaligen Generals gehen gar nicht. Diese Verächtlichmachung, die darin steckt, muss uns historisch alarmieren. Denn über die Verächtlichmachung von Demokratie, von ihren mitunter langen Prozessen und von ihren politischen Führungspersonen sind wir in der Weimarer Republik nicht nur in eine Schieflage geraten, sondern abgestürzt. Der Weg von verletzender und gewalttätiger Sprache zu Gewalt ist sehr kurz. Das kann eine sehr gefährliche Rutschbahn werden. Und das muss ein General, selbst wenn er sich im Ruhestand befindet, reflektieren. Außer er will mit der Verletzung des Soldatengesetzes bewusst provozieren.

Herr Wundrak war schon während seiner aktiven Zeit Mitglied der AfD, hat sich dazu aber nach eigener Aussage nicht bekannt, weil er mit Repressalien hätte rechnen müssen. Welche Repressalien wären das denn gewesen?

Schneiderhan: Das weiß ich nicht. Diese Begründung wäre armselig und muss nicht kommentiert werden.

Weise: Ich hatte während meiner Bundeswehrzeit nie die Sorge, an Meinungen zu bestimmten Sachverhalten scheitern zu können. Gegensätzlichen Auffassungen wurde immer mit Anstand und Respekt begegnet. In der Wirtschaft findet man das nicht immer. Ich kann es daher nicht akzeptieren, wenn ein früherer Kommandeur sagt, er habe Angst vor Repressalien gehabt.

Meine Herren, danke für das Gespräch!

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