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Reserve und Demokratie: Ein starkes Zeichen gegen Antisemitismus Kopieren

Das Konzentrationslager (KZ) Auschwitz ist Sinnbild für die Verbrechen des NS-Regimes. Seine Befreiung jährt sich zum 75. Mal. Tief erschüttert und bewegt haben Teilnehmende der Landesgruppe Niedersachsen nebst Gästen an einem Mehrtagesseminar zum Thema Antisemitismus und Holocaust im Rahmen der Kampagne „Reserve und Demokratie – Wir gegen Extremismus“ teilgenommen.

Dr. Eva Umlauf hat das Konzentrationslager Ausschwitz überlebt. Über eine Videoleinwand zugeschaltet, las sie aus ihrem Buch vor, in dem sie ihre Lebensgeschichte aufgeschrieben hat. Links: Oberst d.R. Manfred Schreiber, Vorsitzender der Landesgruppe Niedersachsen.

Foto: Johannes Schwarz

reserve und demokratie

Besonders berührend war die Online-Lesung von Dr. Eva Umlauf, die als Kleinkind das KZ Auschwitz überlebt hat. Die Zeitzeugin stellte den Reservistinnen und Reservisten – sowie zwei Zuhörern von der Universität München – ihr 2016 erschienenes Buch „Die Nummer auf deinem Unterarm ist blau wie deine Augen“ über das tragische Schicksal ihrer Familie vor. Die Referentin wurde 1942 im Arbeitslager Nováky in der Slowakei geboren und 1944 mit ihrer schwangeren Mutter in das Vernichtungslager Auschwitz in Polen deportiert. Dort angekommen hat auch die Zweijährige nach der körperlichen Inspektion und Desinfektion die Tätowierung einer Häftlingsnummer erhalten. Ihre Kennnummer trägt sie bis heute auf dem Unterarm: A26959. Umlauf führte aus, dass sie und ihre Mutter nur dank der Verspätung des Zuges, der jüdische Häftlinge aus der Slowakei nach Auschwitz transportierte, der Vernichtung entgangen sind. Ihr Vater starb im österreichischen KZ Melk an einer Blutvergiftung, wie sie nach Recherchen später herausfand.

Während einer Exkursion nach Leipzig erfuhr die Gruppe, dass vor der massenhaften Verfolgung und Ermordung durch das NS-Regime die sächsische Metropole Heimat einer der größten jüdischen Gemeinden Deutschlands war. In einem Stadtrundgang lernten die Reservistinnen und Reservisten die Geschichte der jüdischen Gemeinschaft kennen und besichtigten die restaurierte Brodyer Synagoge. Für einige Teilnehmenden war dies nicht nur der erste Besuch eines jüdischen Gotteshauses, sondern auch der erste Kontakt zu einem Rabbiner. An die während der Novemberpogrome 1938 zerstörte Große Gemeindesynagoge erinnert seit 2001 ein großes Mahnmal bestehend aus 140 Bronzestühlen. Die Stadtführerin, selbst jüdischen Glaubens, vermittelte anhand von Beispielen eindrucksvoll, dass das offene Ausleben des Judentums leider wieder mit Einschränkungen und Gefahren verbunden sei. Mit diesem beunruhigenden Gefühl und dem Wissen, eine multikulturelle und prosperierende Stadt wie Leipzig mit ganz anderen Augen gesehen zu haben, endete die Tagesfahrt.

Auch die Führung durch das KZ Buchenwald nahe der thüringischen Stadt Weimar war für alle Teilnehmenden sehr emotional. Bereits auf der Fahrt zur Gedenkstätte verstummten die Gespräche im Bus, als dieser über die von Häftlingen ausgebaute Zufahrtsstraße zum Lager, die sogenannte „Blutstraße“, fuhr. Auf der „Blutstraße” trieben die Nazis die neu ankommenden Gefangenen vom Weimarer Bahnhof in das KZ, In dem Lager starben mehr als 56.000 Menschen durch Folter, Kräfteverfall oder Erschießungen. In einem Rundgang durch den Lagerkomplex wurden den Reservistinnen und Reservisten das Wach- und Kommandogebäude, die Barracken, das Abteil für medizinische Experimente und das Krematorium mit Verbrennungsöfen gezeigt. Bemerkenswert empfanden viele der Teilnehmenden die ausgewogene Darstellung und den dezidierten Umgang mit den Opfern und Tätern. Nachmittags besichtigte die Gruppe in Erfurt die Neue und die Alte Synagoge, die die älteste erhaltene Synagoge Mitteleuropas darstellt.

An der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen in Sachsen-Anhalt erfuhren die Teilnehmenden von einem Massaker an 1.016 KZ-Häftlingen durch Soldaten der Wehrmacht und SS im Jahr 1945. Auf Anordnung des NSDAP-Kreisleiters Gerhard Thiele wurden die Gefangenen in die Scheune eingesperrt und das Gebäude anschließend in Brand gesteckt. Fast alle Opfer verbrannten bei lebendigem Leib. Die meisten Häftlinge, die fliehen konnten, wurden erschossen. Nur etwa 25 Gefangene überlebten das Kriegsverbrechen. „Dieses Ausmaß an Grausamkeit ist einfach schockierend. So etwas darf sich nie wiederholen“, fasste ein Teilnehmer den allgemeinen Tenor zusammen. Das neue Dokumentationszentrum der Gedenkstätte haben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Ministerpräsident Reiner Haseloff am 15. September 2020 anlässlich des Internationalen Tages der Demokratie feierlich eröffnet. Die Reservistinnen und Reservisten zählten somit zu den ersten Besuchern und erhielten nach einem Rundgang über den Friedhof mit seinen unzähligen namenlosen Gräbern eine Präsentation zu Täterbiografien.

„Das Trauma der Vergangenheit holt einen immer wieder ein, aber es verheilt auch mit den Narben“, sagte die Auschwitz-Überlebende Umlauf. Vor einigen Jahren hat sie begonnen, ein Buch über ihre Lebensgeschichte zu schreiben. Sie bekräftigte ihren Wunsch, dass das Geschehene verarbeitet werde und sich nie wiederholen dürfe. Der Anschlag auf die Synagoge in Halle am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur vor einem Jahr habe sie entsetzt. Auch die aktuellen Rechtsextremismus-Vorfälle in der Bundeswehr, Reserve und Polizei haben sie erschüttert und bereiteten ihr große Sorgen. Umso mehr habe sie sich gefreut, zum ersten Mal ehemaligen Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ihre Erlebnisse vorzustellen. „Ein Antisemitismusbeauftragter für den Bund und jedes Land reichen nicht aus, wir brauchen Überzeugungen durch Lesungen“, stellte sie fest. Ihre Schilderungen führte den Teilnehmenden vor Augen, dass es eines persönlichen Einsatzes gegen Extremismus und Antisemitismus bedarf.

Die sicherheitspolitische Veranstaltung fand vom 20. bis 26. Oktober 2020 in Kooperation mit der Politischen Bildungsstätte Helmstedt unter Leitung von Oberstleutnant d.R. André Lindner und dem Vorsitzenden der Landesgruppe Niedersachsen, Oberst d.R. Manfred Schreiber, statt. Neben Exkursionen erhielten die 25 Teilnehmenden in Vorträgen und Filmbeiträgen Einblicke in die Geschichte des Nationalsozialismus, den Holocaust und die Entwicklung des Antisemitismus bis heute.

„Bei diesem Seminar konnte man fürs Leben lernen. Die Exkursionen zu Synagogen und Orten des Verbrechens sowie die Lesung der Zeitzeugin waren eindrucksvoll“, fasste Michael Tiede aus Wolfsburg die Reaktionen zusammen. Dass das Seminar mehr als eine sicherheitspolitische Reise war, zeigten die bewegten Reaktionen der Reservistinnen und Reservisten. Ihnen wurde deutlich aufgezeigt, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist, sondern auch vom beständigen Engagement aller Staatsbürgern – mit und ohne Uniform – abhängt.

Broschüre zur Kampagne „Reserve und Demokratie“

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