Spannende Blicke hinter die Kulissen des Projekts „Soldat der Reserve“ in Nienburg
Das Stichwort Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle in der Ausbildung zu Soldaten der Reserve durch das Landeskommando Niedersachsen in engem Zusammenwirken mit dem Reservistenverband in Niedersachsen. „Dieser hohe Stellenwert war mir von Anfang an äußerst wichtig“, betont der Ausbildungsleiter Oberstleutnant Jörg Otte. Er, Otte, ist mit einem weiteren Stabsbootsmann der einzige aktive Soldat im Team der fast zwanzigköpfigen Projekt- und Vorbereitungsgruppe. Hier wird der Slogan „Reservisten bilden Reservisten aus“ mehr als gelebt.
Tatsächlich begegnet man dem Begriff der Nachhaltigkeit in vielfachem Zusammenhang immer wieder, wenn man sich mit der neuen Aufgabe zur Gewinnung neuer, fundiert ausgebildeter Soldaten einmal intensiver beschäftigt. Angesiedelt ist das Vorhaben in der Nienburger Clausewitz-Kaserne. Natürlich sollen den Teilnehmern die vielfältigen Ausbildungsinhalte möglichst intensiv und nachhaltig vermittelt werden. Im Besonderen wird auch großer Wert darauf gelegt, das Prozedere möglichst dauerhaft anzulegen. In den 164 Stunden, die im Rahmen des drei Module umfassenden Projekts „Soldat der Reserve“ zur Verfügung stehen, findet ein erheblicher Teil in Form von elektronischem Lernen (eLernen) statt.
Die entsprechenden Tools („Moodle“ und „Big Blue Button“), die hierfür zur Verfügung stehen, nutzt das Ausbilder-Team intensiv aus, um grundlegende Themen in ebenso ansprechender, pädagogisch fundiert geplanter, wie auch bedienerfreundlicher Art und Weise aufzubereiten und den künftigen Soldatinnen und Soldaten der Reserve für das Lernen am heimischen Schreibtisch zur Verfügung zu stellen. Die Beteiligten machen sich stets bewusst, dass man sich dabei mitten im anspruchsvollen Feld der Erwachsenenbildung befindet, die in vielerlei Hinsicht anderen Gesetzen folgt als der klassische Schulunterricht.
Oberstleutnant Andreas Keßler, stellvertretender Ausbildungsleiter und verantwortlich für das eLernen, fasst zusammen: „Viele Themen der grundlegenden militärischen Ausbildung werden in einer guten, allgemeingültigen Form bearbeitet und stehen künftig auch in anderen Bereichen der Reserve zur Verfügung“. Als eine der Synergien, die die Projektverantwortlichen im Zusammenhang mit dem erheblichen Aufwand sehen, der hierfür getrieben werden muss, ist also ganz klar die mögliche Nutzung des gezielt modifizierten E-Learnings beispielsweise bei den künftigen Heimatschutzkompanien, der Aus- und Weiterbildung der Verbindungskommandos der territorialen Reserve und der beorderungsunabhängigen Reservistenarbeit. „Die Kameraden Schreiber und Otte agieren von Anfang an vorausschauend und visionär. Das zur Verfügung stehende Potenzial wurde vollumfänglich erfasst. Im Kern geht es darum, zentrale Inhalte, die die grundlegende Ausbildung von Soldaten betreffen, auch für die Zukunft bereit zu stellen“, sagt Keßler weiter. Oberst d.R. Manfred Schreiber als Vorsitzender der Landesgruppe Niedersachsen des Reservistenverbandes stellt mit seinem Team dabei die entscheidende Schnittstelle zwischen Landeskommando und Reservistenverband dar. „Wir stellen mit unseren digitalen Möglichkeiten die Basis für die außerdienstliche Ausbildung der Teilnehmer. Wir sind dabei in der Lage auch kurzfristig auf die Bedürfnisse und Anfragen der Projektgruppe zu reagieren und diese umzusetzen. Wenn man es nüchtern betrachtet, machen wir genau das, was der stellvertretende Generalinspekteur in seiner Weisung 2020-2022 gefordert hat“, so Schreiber, dessen Stolz und Begeisterung über die gemeinsame Arbeit man in jedem Satz spürt.
Gemeinsam treibt man aber nicht nur die Ausbildung der Soldaten der Reserve voran. „Bei der besonderen Klientel, der Altersgruppe und dem großen persönlichen Erfahrungsschatz unserer Rekruten, kommt es jedoch auch darauf an, dass die Ausbilder vorbildlich und top fit sind“, so betont Otte, die umfangreichen Aktivitäten zur „Ausbildung der Ausbilder“. So widmete man sich kürzlich einem Seminar mit vielfältigen Themen. Angefangen von zeitgemäßer Menschenführung, der sicheren Anwendung der Vorgesetztenverordnung und dem -in jeglicher Hinsicht- Vorbild sein. Über mehrere Tage stellten die Teilnehmer wichtige Aspekte der Inneren Führung in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Auch hier klang mehrfach an, dass es bei künftigen Vorhaben dieser Art angesagt sei, eine Vielzahl an Themenbereichen aus der eigentlichen Ausbildung zu extrahieren und in Online-Formaten zu positionieren. Gerade die aktuelle Situation vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie macht klar, dass derartige Formate durchaus geeignet sind, große Wissensbereiche wirkungsvoll und gezielt zu transferieren. Die sehr guten Ergebnisse der Lernzielkontrollen am Ende der einzelnen Einheiten, die den Ausbildern laut Keßler einen guten Überblick über die Effektivität des Lernvorgangs vermitteln, sprechen eine deutliche Sprache.
NACHGEFRAGT
Auch Oliver Brandes, einer der Ausbilder, sieht in dieser Art des Vorgehens große Vorteile: „Es ist eine absolute Bereicherung, dass viel theoretisches Vorwissen auf diese Weise vermittelt wird. Das unterstützt uns und ermöglicht es, dass wir sehr schnell mit der Praxis starten können.“ Als künftiger Zugführer weiß der 47-Jährige, wovon er spricht. Man sei sofort handlungsfähig, was sehr wichtig sei. Schließlich ist der Zeitrahmen, in denen den Rekruten, die bisher in der Regel nur wenig Kenntnisse von Bundeswehr-Ausbildungsinhalten haben, begrenzt. Brandes: „In allen Bereichen dieses Vorhabens ist ein hohes Maß an Motivation und Eigeninitiative von allen Beteiligten spürbar. Dies ist eine besondere Stärke, die dieses Projekt hat. So macht Ausbilden mehr als Spaß“.
Markus Schwänen, der künftig als Gruppenführer im Projekt Soldat der Reserve verantwortlich sein wird, sieht das ähnlich: „Das Team ist sehr motiviert und durchweg von hoher gegenseitiger Hilfsbereitschaft geprägt. Die Rekruten sind sehr wissbegierig und ebenfalls motiviert. In vielerlei Hinsicht ist eine große berufliche Bandbreite vertreten, was es noch einmal zusätzlich reizvoll macht. Man merkt, dass die Rekruten wollen. Am Ende ist wichtig, dass die Energie, die in das Projekt fließt, Früchte trägt.“ Schwänen wünscht sich beispielsweise, dass möglichst viele der fertig ausgebildeten Rekruten, später als Reservisten ihre festen Plätze in RSU-Kompanien finden mögen.