Volkstrauer im Zeichen des Krieges
Europa-Abgeordneter McAllister: „Russische Föderation attackiert den gesamten europäischen Kontinent frontal“
VON WIEBKE KRAMP
Wingst. Fallendes Herbstlaub, nachdenklich machende Worte, gedämpfte Musik und Gebete: Auf der Volkstrauertag-Gedenkfeier auf dem Ehrenhain in Ellerbruch wurde angesichts des Ukraine-Krieges vor Augen geführt, welche Bedeutung Frieden und Freiheit besitzen. Deutliche Worte fand dazu Europa-Abgeordneter David McAllister (CDU) in seiner Ansprache. Zu der Gedenkveranstaltung konnten die Soldentenkameradschaft Wingst mit Rolf Koenig und Rolf Lewerenz von der Reservistenkameradschaft Wingst zahlreiche Abordnungen aus Schützenvereinen, Feuerwehr, Bundeswehr und DRK begrüßen. Begleitet wurden sie von den Klängen des Blasmusikzugs Wingst. Für angemessene musikalische Begleitung sorgte zudem der kirchliche Posaunenchor. Die Gedenkveranstaltung erinnerte würdevoll an die Opfer von Krieg, Gewalt und Terrorherrschaft – und dies vor aktuellem Hintergrund. Kriegsgewalt und ihre Auswirkungen haben mit dem russischen Angriff auf die Ukraine wieder Europa erreicht. Gefallene Zivilisten und Soldaten zählen seitdem zur traurigen Realität. Zahlreiche Geflüchtete finden gegenwärtig auch in unserer Region Schutz und Zuflucht vor den Bomben.
Europa-Abgeordneter David McAllister, der dem Auswärtigen Ausschuss im EU-Parlament vorsitzt, war prominenter Redner der Gedenkfeier auf der Gedenkstätte in Wingst-Ellerbruch. Er unterstrich, dass es gemeinsame Aufgabe sein müsse, der Geschichte in die Augen zu sehen, die Erinnerung an die Opfer wach zu halten und daraus Lehren zu ziehen, McAllister erinnerte zunächst an die Gräuel des 1. Weltkriegs, deren Menschenverachtung Erich Maria Remarque eindringlich in seinem Roman „Im Westen nichts Neues“ beschrieben hatte. Vereintes Europa ringt nach friedlichen Lösungen Genau 104 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg und 77 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg müsse laut McAllister festgestellt werden: „Die europäische Einigung ist die Lehre aus den verheerenden Fehlern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das vereinte Europa ist die Antwort für die großen Herausforderungen im 21. Jahrhundert.“ Europas zivilisatorische Leistung liege darin, dass heute 27 Mitgliedsstaaten friedlich um gemeinsame Lösungen ringen.
Dieser Volkstrauertag stehe allerdings unter dem Eindruck des Ukrainekrieges. Eindringlich machte McAllister deutlich: „Der brutale russische Angriffskrieg hat nicht nur Auswirkungen auf die Menschen vor Ort in der Ukraine, sondern auf ganz Europa. Denn die Russische Föderation attackiert nicht nur die territoriale Integrität und Souveränität eines Staates, sie attackiert den gesamten europäischen Kontinent frontal – unsere Freiheit, unsere Werte, unsere Sicherheit, unsere Wirtschaft und unsere Energieversorgung.“ Der Europa-Politiker schilderte, dass die Ukrainer für ihre Glauben an Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte kämpfen – und sterben. Die Ehrfurcht vor diesem unfreiwilligen Opfer könne nicht hoch genug sein. Die EU gemeinsam mit ihren internationalen Partnern müsse alle mögliche Unterstützung bereitstellen, damit der Krieg beendet werde. Und McAllister erinnerte an Worte Jean Claude Junckers. Vor 14 Jahren hatte der frühere luxemburgische Präsident und EU-Kommissionsvorsitzende am Volkstrauertag vor dem Bundestag gesagt: „Wer an Europa zweifelt, wer an Europa verzweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen. Nirgendwo besser, nirgendwo eindringlicher, nirgendwo bewegender ist zu spüren, was das europäische Gegeneinander am Schlimmsten bewirken kann.
“ Die Schrecken des Ukraine Krieges fanden in Andacht und Ansprache von Pastor Bert Hitzegrad Ausdruck – sowie in den Fürbitten, die der Priester Aleksandr Synytsyn auf ukrainisch hielt.
Pastor Hitzegrad sprach sich für Visionen der Hoffnung auf Solidarität und für ein friedvolles Miteinander aus, in dem aus Schwertern Pflugscharen werden. In diesem Zusammenhang erinnerte er an das so bezeichnete Geschenk der damaligen Sowjetunion an die UNO, das einen Schmied in solcher Aktion zeige. Der Cadenberger Pastor brachte seine Hoffnung für viele Hammerschläge für den Frieden zum Ausdruck. „Visionen geben Ziel und Richtung und bringen uns dem Frieden ein Stück näher.“
Nach der Gedenkfeier wurde zu einer Kaffeetafel bei „Lütt Mandus“ eingeladen. Dort wurde der neue Bildband „100 Jahre Kriegsgräberstätte und Ehrenhain Ellerbruch“ der Öffentlichkeit präsentiert.
Gedenkstätte
Auf der Kriegsgräberstätte hinter dem „Ehrenhain“ ruhen insgesamt 53 deutsche Soldaten des Zweiten Weltkrieges. Diese 1954 eingeweihte Kriegsgräberstätte besteht aus einer inneren und einer äußeren Gräberreihe. In der äußeren Reihe ruhen 31 Soldaten, die von verschiedenen Friedhöfen des ehemaligen Kreises Land Hadeln umgebettet wurden. In der inneren Reihe ist die letzte Ruhestätte für 22 meist sehr jungen deutsche Kriegsgefangene Soldaten. Sie verloren am 17. Mai 1945 beim Räumen eines Munitionslagers in der Portland-Zementfabrik Hemmoor durch ein Explosionsunglück ihr Leben.