Nachdem Corona das Verbandsleben bei der RAG Senior Soldiers lange blockiert hatte, trafen sich die Ü65-Reservisten der Kreisgruppe Rheinhessen am 14. Oktober 2022 wieder im „Alten Fritz“ in Wörrstadt.
Als Programmpunkt hatte Stabsunteroffizier d. R. Michael Beier einen militärhistorischen Vortrag aufgenommen: Dazu sprach Oberstabsgefreiter d. R. Tobias S. Schmuck zu Feldverpflegung und Nachschub während des deutsch-französischen Kriegs am regional relevanten Beispiel Bingen. Wenn diese Stadt auch nie eine deutsche Garnisonsstadt wurde, stand sie als Eisenbahnknoten auf dem linken Rheinufer von Beginn an im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Dazu kommen zwei Überlieferungszufälle: Zum einen hat der Offizier der Pioniertruppe, der am Rheinufer die Bäckerei errichtet hatte, einen Erlebnisbericht veröffentlicht; zum anderen hat der Frankfurter Künstler W. A. Beer während des Kriegs Bingen besucht und Zeichnungen für die Publikation in Wochenzeitungen angefertigt.
Die Feldbäckerei war vorschriftsmäßig in vier Hallen mit je fünf Öfen untergebracht, die gewissermaßen in modularer Bauweise errichtet wurden. Dass vom Befehl in Hannover bis zum vollen Betrieb von 20 Öfen in Bingen insgesamt nur zehn Tage vergingen, beeindruckt auch nach 150 Jahren. Auch der Einsatz eines Dampfbaggers, der Sand und Kies für die Fundamente aus dem Rhein hob, taugt für eine historische Leistungsschau. Indes hatte Premierleutnant Bertram ernsthafte Schwierigkeiten, zeitgleich zur Mobilmachung noch Bauhandwerker in ausreichender Zahl zu gewinnen – fündig wurde er im Odenwald und in Hannover. Neben der Bäckerei war zeitgleich eine Schlachterei auf der Nahespitze eingerichtet worden. Dass beide Einrichtungen schnell in Vergessenheit gerieten, liegt auch daran, dass sie im Kriegsverlauf schnell ihre Funktion verloren und ihr Rückbau erfolgte: Während der Brotvorrat für maximal drei Tage ausgegeben wurde, sollten die Bäckereien dem Heer geographisch in einem Abstand von höchstens fünf Tagesmärschen folgen. Durch den Kriegsverlauf mit schnellem Vormarsch auf Metz entfiel die Relevanz des Standorts Bingen sogar sehr früh.
Nach einer historischen Fragerunde ging der Abend in den kameradschaftlich-gemütlichen Teil über. Für die RAG bedankte sich Michael Beier beim Vortragenden mit einem „rheinhessischen Blumenstrauß“ (Riesling Spätlese).
Fotos: Helmut Schweickard, sowie eine historische Innenaufnahme (Zeichnung, eigene Sammlung)