Bevor die beiden Hauptakteure mit ihren Vorträgen starteten, gab es noch eine Premiere zu feiern. Zum ersten Mal wurde diese Veranstaltung gemeinsam mit der Landesgruppe Hamburg in der Marseille Kaserne in Appen durchgeführt. Nach den Begrüßungen durch Oberst d.R. Joachim H. Lenz, stellvertretender Landesvorsitzender der Landesgruppe Hamburg und Oberst Michael Skamel, Kommandeur der Unteroffizierschule der Luftwaffe in Appen übernahm Oberst d.R. Udo Wachholz, erster stellvertretender Landesvorsitzender der Landesgruppe Schleswig-die Moderation und stellte die beiden Hauptakteure des Abends vor. „Israel hat immer um das eigene Überleben gekämpft“, sind die einleitenden Worte von Bernhard Fischer, die zum Ausdruck bringen, in welcher Situation sich der Staat seit Jahrzehnten befindet. Er gab zunächst einen ausführlichen geschichtlichen Überblick zu den Geschehnissen bis 1947 und erklärte die bedeutende „Resolution 181“, die im November 1947 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde und die Teilung des vormaligen britischen Mandatsgebietes Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat sowie die Internationalisierung Jerusalems vorsah. Die Resolution war zugleich Ausgangspunkt für den Unabhängigkeitskrieg 1948 sowie für weitere Kriege und für bis heute anhaltende Konflikte innerhalb des Landes und mit den Nachbarstaaten. Im Wesentlichen gehe es auch aktuell noch um den künftigen Grenzverlauf zwischen Israel
und Palästina und damit verbunden um die jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten, den Status Jerusalems sowie um das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge, die im Zuge der Kriege in den Nachbarstaaten Zuflucht fanden. Es gäbe einen dreistufigen internationalen Friedensplan, auch „Road Map“ genannt, der im April 2003 vom Nahost-Quartett USA, EU, Russland und Vereinte Nationen (UN) ausgearbeitet und den beiden Konfliktparteien vorgelegt wurde. Dieser Plan sah ein friedliches Nebeneinander von einem eigenständigen palästinensischen Staat und einem jüdisch israelischen Staat vor, legte den Status Jerusalems festlegt und stellte aber auch Forderungen an beide Nationen. Doch die Palästinenser stimmten dieser Lösung nicht zu. Bis heute hat der Plan zwar noch Gültigkeit, aber neue Gespräche wurden nicht wieder aufgenommen. Nach wie vor sind die Fragen zum Grenzverlauf, zum Austausch von den Gebieten, zum Status von Jerusalem, die heiligen Stätten, die Flüchtlingsfrage, die Transit- und Wasserfrage nicht geklärt. Dabei weist der Israel-Kenner daraufhin, dass Israel ein demokratisches Land und ein Rechtsstaat sei. Aufgrund seiner geringen Größe verfüge es jedoch nur über eine geringe Ost-West-Ausdehnung, habe es eine niedrige Bevölkerungszahl bei großer Bevölkerungsdichte, besitze keine wesentlichen Rohstoffe und sei aufgrund des Geländes nur schwer zu verteidigen.
Durch die zahlreichen Kriege habe das Land keinerlei Struktur mehr, ein Großteil sei zerstört. „Nicht Kleckern, sondern Klotzen“, betonte Fischer sei deshalb die Devise des israelischen Militärs und ergänzte weiter, „im Kriegsfall ist schnelles wirksames militärisches Handeln wichtig, damit die kriegerischen Auseinandersetzungen rasch beendet und die wirtschaftlichen Folgen und personellen Verluste so gering wie möglich gehalten werden.“ Der Staat habe nur eine kleine stehende Armee mit ca. 170.000 Soldaten, aber dafür 565.000 Reservisten, von denen jeder Mann bis zum 45. Lebensjahr einmal pro Jahr 4 Wochen Dienst ableisten muss und dies auch im Kriegseinsatz. Fischer ergänzte hierzu noch, „das israelische Militär weiß genau, was sicherheitspolitisch und strategisch notwendig ist. Israel als Staat wird nur dann überleben, wenn es eine Atomwaffe hat, aber es hat nie offen zugegeben, dass es Nuklearwaffen besitzt.“ Zu den gerade abgeschlossenen Präsidentschaftswahlen im Land äußerte er sich nur knapp:“ Wie die Wahlen ausgegangen sind, wissen wir. Zu welcher Regierung sie führen, wissen wir nicht, denn alles ist noch offen und in Israel ist alles möglich.“
„In Europa kommt man erst zum Zucken, wenn es Gefahren gib“
Mit diesen Worten weckte der Deutsch-Iraner Adnan Tabatabai gleich zu Beginn seines Vortrages die Aufmerksamkeit der zahlreichen Gäste in der „Alten UHG“ in Appen. Er erklärte, dass die Revolution im Jahr 1979 im Iran nicht nur eine islamische Revolution war, sondern auch ein Zusammenschluss verschiedener politischer Gruppen wie den Islamisten mit schiitischer Prägung, den Marxisten, den Kommunisten und den Antiimperialisten. Es gab aber auch Akteure der iranischen Freiheitsbewegung, die den Schiismus und die islamische Identität der Iraner als Teil der nationalen Identität begriffen und den Marxisten, Islamisten und Nationalisten angehörten. Allen diesen Gruppierungen sei der antiwestliche Gedanke gemein, der sich auch heute noch auf die iranische Außenpolitik auswirke: „Hauptsache gegen die von den USA geprägte Weltordnung in der Region des Mittleren Ostens vorzugehen ist die Devise der Regierung“, sagte Tabatabai. Dabei konnte man laut ihm in den letzten 40 Jahren vornehmlich zwei Denkweisen beobachten, die die iranische Außenpolitik bestimmten. Zum einen setzte man auf Kompromissbereitschaft und diplomatische Bemühungen, um die Rolle der islamischen Republik in der Welt zu stärken und zum anderen auf Abschreckung durch Bedrohungsszenarios, damit man den Iran ernst nimmt und nicht militärisch attackiert.
Hierfür setzte die Regierung auf die iranischen Raketenprogramme sowie auf die asymmetrische Kriegsführung durch nichtstaatliche Verbündete. Diese Drohkulisse bekomme in großem Ausmaß Israel zu spüren, denn der Iran erkennt den Staat Israel nicht an, sogar mehr noch, „die Politiker des Landes nehmen das Wort nicht mal in den Mund und bezeichnen es als ein zionistisches Gebilde“, betonte der Iran-Kenner. Gleichzeitig sagte er aber auch, „der Iran würde nie mit einem Militärschlag gegen Israel vorgehen, weil auch im Iran keine Selbstmörder sitzen.“ Nicht nur zu Israel sind die Beziehungen schlecht, auch mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und den USA gibt es politische Differenzen, die sehr tief reichen. Mit dem Ausstieg von US-Präsident Trump aus dem Nuklearabkommen im Mai 2018, das der Iran im Juli 2015 mit USA, China, Russland, Frankreich, Großbritannien und Deutschland abgeschlossen hatte, haben sich die Bedrohungen auf den Iran erhöht. Verstärkt wird der Druck durch die gegenseitigen Beschuldigungen als Terrorist. Adnan Tabatabai schätzt die aktuelle Lage brisant ein: „Dies ist sehr kritisch und gefährlich.
Es ist denkbar, dass Iran Stiche gegenüber den USA setzt, aber ich halte es für unwahrscheinlich, weil die Iraner keine Selbstzerstörer sind.“ Es gäbe aber auch gute Kontakte zum Oman, zu Kuweit, Katar und seit 2015 auch zum Jemen. In den letzten sieben bis acht Monaten haben sich auch die Verbindungen zum Irak, der Türkei, zu Afghanistan und Pakistan intensiviert, da aufgrund der Sanktionen der USA nur über diese Länder Im- und Exporte möglich seien. Seine Vermutung ist auch, dass langfristig China, Indien, Russland und vielleicht noch die Türkei ein Zerfallen des Iran nicht zulassen würden, da dies nicht im eigenen Interesse sei. Zwischen diesen Staaten bestünde ein Abhängigkeitsverhältnis, was zwar nach außen nicht offen dargelegt wird, was aber zu wichtigen Rabatten beim Ölkauf führe und er hob hervor, „am Ende des Tages entscheidet der Preis auf dem Ölmarkt.“ Um die prekäre Lage in seinem zweiten Heimatland zu verbessern, schlägt Tabatabai vier Punkte vor. Erstens müsse man den Iran ernst nehmen, auch wenn man ihn nicht mag. Zweitens sollte die iranische Einhaltung des Nuklearabkommens anerkannt werden.
Die Europäer haben zwar die Trump-Politik hinsichtlich des Austritts aus dem Nuklearabkommen kritisiert, aber man habe auch keine gemeinsamen Zeichen gesetzt, die Teheran signalisiert hätten, wir erkennen eure Bemühungen zur Einhaltung des Abkommens an. Drittens müsse man einen kritischen Dialog mit dem Iran, Irak und Syrien über Regionalpolitik zusammen mit Italien, Frankreich, Großbritannien und Deutschland führen. Und viertens sollte man ganzheitlich auf die Region im Mittleren und Nahen Osten blicken und sich nicht nur einen Staat herausgreifen und ihn zum Buhmann in der konfliktgetränkten Region machen. Angereichert mit vielen Informationen nach den beiden Vorträgen gab es beim anschließend guten Buffet sehr angeregte Diskussionen zwischen den Gästen.