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Neun unserer Sammler beim Abschlussessen im "Zum Wilden Mann" mit Stephanie Ritter, BezGeschFhr München des Volksbundes

Wie jedes Jahr beteiligte sich die Reservistenkameradschaft (RK) München-Ost auch heuer  an der Straßensammlung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. für die Pflege bzw. Neuanlage deutscher Soldatenfriedhöfe im Ausland und das Auffinden und Erfassen Vermisster und Gefallener.

Wetterbedingt trafen sich heuer ausnahmsweise schon am Sonntag vor Allerheiligen morgens 13 Mitglieder unserer RK am Haupteingang des Münchner Ostfriedhofs, um die Sammelbüchsen in Empfang zu nehmen und die Friedhofseingänge zu besetzen. Hochmotiviert nahmen die Reservisten gern die Spenden der zahlreichen Friedhofsbesucher an diesem besonderen Wochenende entgegen.

Am Ende wurde mit einer Spendensumme von 2634 € das Vorjahresergebnis nur knapp um 60 € verfehlt, trotzdem ließen sich unsere Sammler in unserem Stammlokal „Zum Wilden Mann“ das traditionelle abschließende gemeinsame Mittagessen schmecken – heuer besonders gut „gewürzt“ durch den Besuch der Bezirksgeschäftsführerin München des Volksbundes, Stephanie Ritter.

Zwei unserer Kameraden ließen es sich nicht nehmen, auch bei Regenwetter ein zweites Mal – nämlich an Allerheiligen – sammeln zu gehen: Franz Kitzeder noch einmal am Münchner Ostfriedhof, Markus Heller in seiner Heimat in der Oberpfalz. Unserer besonderen Dank gilt diesen beiden Reservisten, aber natürlich einen herzlichen Dank an alle, die für die edle Sache jedes Jahr ihre Freizeit opfern!


 

Für den nähere interessierten Leser hat Markus Heller in einem kleinen Essay seine Gedanken und Gefühle an jenem besonderen Wochenende ausgedrückt:

„Da stehe ich. Es regnet, das Wasser kommt von oben. Was für ein Glück. Käme das Wasser von der Seite, wäre es schlechter. Mein Mantel ist noch gut imprägniert, es perlt gut ab, aber es setzen sich trotzdem dicke Tropfen an den Ärmeln fest, doch sie dringen nicht durch. Ich habe den Kleinen Dienstanzug darunter an, und die Schuhe haben eine Gummisohle. Sie hält zwar die Kälte nicht wirklich ab, und sie sind modisch das plumpe Gegenteil von italienischen Halbschuhen, aber sie halten dicht. Kein eingeweichtes Leder, die Zehen bleiben trocken.

Da stehe ich also, sammle für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Gestern habe ich auch schon gesammelt, in München, bei Sonne. Der Mantel war zu warm, also nur in der Dienstjacke. Man merkt den Leuten an, wenn sie Uniformen schick finden. Frauen blicken sich gerne noch einmal um und werfen einem ein Lächeln zu, man lächelt zurück, oder hin oder her, wie auch immer. Ich genieße die Aufmerksamkeit. Lächeln, am Friedhofseingang.

Gestern haben wir geübt, mein Kamerad Christoph und ich. Grüß Gott! Dürfen wir um eine kleine Spende bitten? Wir sammeln für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Den Volksbund deutsche Krrkrr, da waren die Leute schon wieder an mir vorbei. Kriegsgräber. Was für ein langer Satz. Und überhaupt Volksbund? Volk? Bund? Krieg?

Volk. Was ist das eigentlich? Ist das nicht so ein Nazi-Begriff? Wissen die Menschen eigentlich, was ein Volk ist? Das Volk? Und ein Volksbund? Ich bezweifle, daß dieses Wort den Menschen überhaupt etwas sagt. Ich bezweifle, daß dieses Wort positive Assoziationen weckt. Ich sage meinem Kameraden, hey Christoph, lassen wir das doch mal weg. Wie sammeln für die Kriegsgräberfürsorge.

Ein Mann kommt mit uns ins Gespräch. Sein Vater wurde nie gefunden, er ist in Danzig vermisst. Der Vater dieses Mannes ist als junger Mann gefallen, in Kampfhandlungen oder sonstwie unter ungeklärten Umständen vielleicht erschossen worden, und man hat seine Leiche nie gefunden. Vielleicht wurde er verscharrt, vielleicht ist er in die Ostsee gefallen? Die Kommunikation zwischen ihm und der Familie ist abrupt abgerissen. Die Mutter hat vergeblich Woche für Woche auf die sonst regelmäßigen Briefe gewartet. Befürchtungen sind dem Schmerz gewichen. Wäre denn da die Mitteilung der Wehrmacht gekommen, ihr Ehemann ist am Donnerstag, den vierten Februar 1941 am Rande des Dorfes soundso in einem Hinterhalt von Feinden erschossen worden. Sein Leichnam wurde hier und dort begraben, dritte Reihe von links, hier Madame, ist sein Wehrpass, das Volk dankt Ihnen für seinen Dienst und trauert mit Ihnen.

Nein, das Schreiben kommt nicht. Es kommt einfach nicht. Es kommt gar kein Schreiben. Der geliebte Vater, Ehemann, meldet sich nicht mehr. Schon seit Monaten kein Lebenszeichen. Aus den Monaten werden Jahre, und es kommt nicht ein Brief, nicht eine Meldung. Irgendwann kommt eine Meldung, daß er vermisst wird. Aber was heißt das schon? Soll dieses Schreiben das Ende der Hoffnung sein? Es werden Jahre, der Krieg ist vorbei, und es kommt noch immer kein Lebenszeichen. Die Kinder werden ohne den Vater groß, von dem niemand weiß, wo er ist. Die Trauer der Ehefrau wird alt, sie bleibt alleine Ehefrau und wird doch nie Witwe.

Es kommen zwei junge Männer vorbei, scheinbar junge Deutsche mit türkischen Wurzeln. Wir grüßen sie freundlich. Sie bleiben stehen, kommen zurück. Was macht ihr da? Ja, wir sammeln Spenden. Einer von ihnen meint, ja hey, eine Spende könnte er auch gebrauchen. Und wofür würden wir denn sammeln? Für die Kriegsgräberfürsorge. Krass Alter. Ja weißt Du, es werden auch heute immer wieder Gebeine von gefallenen Soldaten irgendwo in Russland und in anderen Ländern gefunden, und die werden dann ausgegraben und ordentlich bestattet, wie sich das gehört. Die Jungs wirken verunsichert. Ja, krass Mann. Aber das ist doch richtig, daß man sie ordentlich beerdigt. Der junge Mann, der eigentlich selbst gerne eine Spende haben wollte, steckt uns acht Euro in die Sammeldose.

Ein Mann meint, gäbe es keine Soldaten, dann gäbe es keine Kriege. Auf eine lange Diskussion wollen wir uns nicht einlassen. Wir sind nicht seiner Meinung. Wir denken, Kriege entstehen, wenn ein Land der Meinung ist, es könne ein anderes Land angreifen, das schwächer sei. Wir beide sind der Meinung, Kriege verhindert man durch Stärke. Ob die Bundeswehr, und ob Deutschland militärisch ausreichend stark sei, um Kriege zu verhindern, bezweifeln wir beide. Wir beide sind Reservisten, wir müßten diesen Job nicht machen, wir müßten uns nicht in Uniform hinstellen. Wir müßten auch nicht gelegentlich unseren Feldanzug anziehen und wir müßten auch nicht unsere infanteristischen Kenntnisse auffrischen. Christoph und ich sind uns einig, Recht und Freiheit sind ein sehr hohes Gut, das wir geschworen oder gelobt haben, tapfer zu verteidigen, und der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen. Unsere Dienstzeit ist lange her, aber dieses Gelöbnis war über all die vielen Jahre doch immer in unserem Gedächtnis. Es ist dort nie wirklich verschwunden. Deshalb stehen wir da.

Heute stehe ich alleine da, der zweite freiwillige Einsatz. Diesmal in Amberg. Hier liegen meine Großeltern. Und meine Urgroßeltern, am Katharinenfriedhof. Vergangenes Jahr bin ich an dem Kameraden in Uniform vorbei gelaufen, habe ihm etwas Geld in die Sammelbüchse gesteckt und bin mit ihm ins Gespräch gekommen. Ich habe ihm gesagt, daß ich mich 25 Jahre nach meinem Wehrdienst wieder einkleiden habe lassen, weil ich das Gefühl habe, daß ich mit meinem beruflichen Know-How als IT-Trainer an der IT-Schule der Bundeswehr gebraucht werde, und ich gerne dort helfe, wo ich das Gefühl vermittelt bekomme, ernsthaft gebraucht zu werden.

Denselben Kameraden habe ich heute Mittag auch wieder getroffen. Diesmal bin auch ich in Uniform. Kleiner Dienstanzug, warmer Mantel. Regenschirm. Ein Soldat mit Regenschirm. Eigentlich hat das ein bisschen einen komischen Beigeschmack. Ein deutscher Soldat mit einem Regenschirm. Aber auch Soldaten werden nass, und auch Soldaten werden krank. Nein, krank werden, das brauche ich nicht, morgen muß ich wieder zum Kunden. Der Kamerad ist sehr dankbar, daß ich dieses Mal da bin. Ich werde gebraucht, und ich helfe gerne.

Ich wäre auch ohne ihn wieder nach Amberg gekommen, weil dort ja meine Großeltern liegen, und meine Urgroßeltern. Mein Urgroßvater, der im ersten Weltkrieg an der Westfront gekämpft hat, für Großdeutschland, für den Kaiser. Und mein Großvater, Sudetendeutscher, der zuerst als deutscher, tschechischer Soldat seine Wehrpflicht für den tschechischen Staat abgeleistet hat. Später mußte er noch einmal in die Soldatenrolle schlüpfen, er wurde nach der Annektion der Tschechei in die Wehrmacht eingezogen und nach Russland geschickt. Ich weiß es nicht, aber ich glaube, begeistert war er vermutlich nicht. Er sprach fließend Tschechisch, lernte sehr schnell Russisch, konnte sich immer mit den Menschen verständigen, konnte Informationen sammeln, kombinieren, hatte immer einen kleinen Informationsvorsprung, wurde tatsächlich nie verwundet, oft durch großes Glück. Er kam aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft wieder zurück zur Familie, wenn auch mit großen seelischen Schäden. Heute nennt man das Posttraumatische Belastungsstörung. Was für ein harmloser Begriff für die grauenvollen Erlebnisse, die Soldaten in Kriegen erleiden müssen. Es sind seit 2001 mehr US-Veteranen durch Freitod gestorben als durch Feindwirkung. Mein Großvater ist erst im hohen Alter verstorben, ich durfte ihn noch kennenlernen.

Da stehe ich nun, vor dem Grab meines Großvaters. Vor dem Grab des Kriegsteilnehmers, der diesen ganzen Wahnsinn mitgemacht hat. Ich stehe da in Uniform, in meinem kleinen Dienstanzug mit der grauen Jacke, darüber mein grauer Mantel. Auf meinem Kopf mein Barrett, und in der linken Hand der Regenschirm. Was mein Großvater wohl denken würde, wenn er mich so vor seinem Grab sehen könnte? Würde er sagen, Junge, eine schöne Uniform hast Du da. Sei vorsichtig, wenn Du mal kämpfen mußt. Er war auch immer vorsichtig. Mein Urgroßvater, der begeistert für den Kaiser in den Krieg gezogen war, und sich auch nach dem Krieg in der Amberger Kriegerkameradschaft eingebracht hatte, würde gewiß platzen vor Stolz über seinen Urenkel. Aber 90 Jahre später fühlen sich solche Gedanken an wie eine Perry-Rhodan-Erzählung aus einer fremden Welt. Und seine Welt wäre nicht die meine. Ich habe gelobt, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen, und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Nein, kein Kaiser, kein Führer, sondern Recht und Freiheit. Das ist eine andere Hausnummer. Ich weiß nicht, ob er das verstehen könnte. Ich habe ihn auch nie kennengelernt, aber vielleicht würde er sagen, naja, es ist Dein Staat, lieber Urenkel und es ist gut, daß Du für für diesen Staat einstehst, wie ich es für den meinen gemacht habe.

Ein Mann spricht mich an, er bedankt sich dafür, daß ich für die Kameraden sammle. Ich sage, ich sammle für die toten Kameraden. Er sagt, ja, für die toten Kameraden. Er sagt, einmal Kamerad, immer Kamerad. Es ist schwer zu fassen, wenn du nicht Soldat warst. Du weißt, wie sich jemand gefühlt hat, der sein Leben in den Dienst seines Staates stellt. Der vielleicht damit hadert, aber doch seine Pflicht tut. Einer, der eine Pflicht übernommen hat, und der Dinge tut, die man nicht machen würde, wenn man ein komfortables Leben haben möchte. Es regnet noch immer, und es ist kalt. Ich fühle mich klein. Heute Abend ziehe ich meine Uniform wieder aus und bin wieder Zivilist, morgen gehe ich wieder zum Kunden, ich bin ja Reservist.

Amberg ist eine Garnisonsstadt. Es gab immer Kasernen in Amberg. Ich habe meinen Wehrdienst in der Kaiser-Wilhelm-Kaserne geleistet, in der mein Urgroßvater und mein Großvater als Soldaten gedient haben. Am Ende meiner Wehrdienstzeit wurde die Kaserne aufgelöst und in eine Fachhochschule umgebaut. Inzwischen gibt es nur noch die Kaserne außerhalb in Kümmersbruck.

Der Umgang der Bevölkerung mit Soldaten ist in Amberg aber wesentlich anders als in München. Während in München etwa jeder Dritte ein paar Münzen für die gefallenen Soldaten übrig hatte, so hatte in Amberg etwa jeder Zehnte keine Münzen für die Kriegsgräber parat. Ein Dankeschön für meinen Dienst am Friedhofstor habe ich in München sehr selten vernommen. In Amberg war das Dankeschön durchaus häufig.

Ich habe dem Kameraden, der mich inspiriert hat, im Amberg zu sammeln, zugesagt, daß ich nächstes Jahr wieder in Amberg mithelfe. Vermutlich auch wieder, nachdem ich in München gesammelt habe.”

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