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Interview mit dem britischen Verteidigungsttaché Rob Rider




In Großbritannien werden Reservistinnen und Reservisten der Streitkräfte sehr geschätzt. Die Reserve ist voll integriert und nimmt auch an Auslandseinsätzen teil, beispielsweise im Irak oder in Afghanistan. Das hat Streitkräfte und Reserve zusammengeschweißt. loyal sprach mit dem Verteidigungsattaché der Britischen Botschaft in Berlin, Brigadegeneral Rob Rider, über die Reserve.

Herr Brigadegeneral, wie ist die Reserve ist Großbritannien generell strukturiert?
Theoretisch unterscheiden wir die britische Reserve in "Volunteer Reserve" und "Regular Reserve". Dabei umfasst die "Volunteer Reserve" Freiwillige – auch Ungediente – aus der Bevölkerung, die sich zu einer bestimmten Anzahl an Übungstagen im Jahr verpflichtet haben. Die "Regular Reserve" besteht aus ehemaligen Soldaten – seien es Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit. In der Praxis ist es aber so, dass wir hauptsächlich von der regulären Reserve sprechen. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen: Wenn ich mit etwa 55 Jahren aus der Armee ausscheiden werde, werde ich, bis ich 60 Jahre alt werde, automatisch in die reguläre Reserve eingegliedert. Ehemalige Berufs- und Zeitsoldaten machen allerdings in der Reserve nur einen geringen Teil aus – ich denke, zurzeit sind das etwa 7.000 Reservisten. Insgesamt soll die jetzige reguläre Reserve laut unserem Strategiepapier "Army 2025" neu strukturiert werden und auf 30.000 Reservisten anwachsen – zu ihnen zählen dann auch die etwa 7.000 Reservisten der regulären Reserve. Der Reserve steht ein Minister vor, ein Oberstleutnant der Reserve und aktuell ein Pionier. In ganz Großbritannien haben wir Reservisten-Center, an die man sich wenden kann – ähnlich den Karrierecentern. Zudem gibt es im Verteidigungsministerium einen verantwortlichen Militär in einer Position, die vergleichbar wäre mit einem Staatssekretär, der alle Maßnahmen rund um die Reserve koordiniert.

Wie ist der Stand der regulären Reserve jetzt?
Bisher konnten wir etwa 19.000 bis 20.000 Reservisten rekrutieren. Das heißt, wir haben noch eine Vakanz von etwa 10.000 Reservisten. Diese Reservisten dienen im Schnitt bis zu 27 Tage im Jahr und sind  in unsere Streitkräfte in allen Teilstreitkräften voll integriert. Hätten wir einen Verteidigungsfall könnten diese Reservisten schnell in unsere Regimenter eingefügt werden. Aber wie gesagt, im Moment haben wir eine starke Vakanz innerhalb der Reservestrukturen, da unsere Wirtschaft stark und attraktiv ist.

Wie wollen Sie diese Vakanz füllen?
Die Regierung hat Maßnahmen ergriffen, um den Dienst in der Reserve attraktiver zu machen. Das umfasst finanzielle Anreize, flexible Arbeitszeiten und Verträge. Gleichzeitig wird massiv Werbung geschaltet. Um Reservisten den Dienst in der Reserve schmackhaft zu machen, können zum Beispiel verschiedene Fähigkeiten und Fertigkeiten während des Dienstes erworben werden – beispielsweise ein Führerschein -, die man dann für einen zivilen Beruf anerkennen lassen kann.

Wie sind Reservisten in der Truppe angesehen? Sind sie eine gern gesehene Unterstützung?
Oh ja. In der Truppe machen wir keine Unterschiede zwischen Berufs- oder Zeitsoldaten und Reservisten. Früher wurde die sogenannte territoriale Reserve immer ein bisschen verspottet, weil sie keine "Vollzeitsoldaten" waren. Das hat sich geändert. Reservisten waren im Irak und in Afghanistan eingesetzt. Sie haben einen hervorragenden Dienst geleistet. Etliche sind dabei gefallen,. mehrere Hundert wurden verletzt. Dass Reservisten mit den regulären Kräften im scharfen Einsatz waren, hat uns zusammengeschweißt. Reservisten leisten einen wesentlichen Beitrag zur Effektivität der Streitkräfte.

Was sind die Regularien, um Reservist zu werden?
Bei uns kann jeder Reservist werden, der zwischen 18 und 55 Jahren alt ist. Reservisten können bis zum 60. Lebensjahr dienen. Eine Überprüfung wie in Deutschland ab Juli dieses Jahres nach dem Soldatenüberprüfungsgesetz gibt es bei uns nicht. Sie müssen lediglich ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Ansonsten werden die üblichen Diensttauglichkeitsüberprüfungen vorgenommen wie in Deutschland auch. Reservisten müssen 27 Tage im Jahr dienen. Aber es gibt sehr viele, die bis zu 100 Tage im Jahr dienen – mit besonderer Genehmigung können sie bis zu 150 Tage im Jahr in den Streitkräften tätig sein. Ganz wenige sind auch – mit Genehmigung – mehrere Jahre als Reservist aktiv. Die Basisausbildung für Reservisten findet an vier Wochenenden oder konzentriert an sieben Tagen statt. Danach folgt ein zweiwöchiger Kurs in der Armee oder im Reservistenzentrum. Einmal im Jahr müssen sie eine Übung machen, die zwei Wochen dauert.
 

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Welche Aufgaben hat die Reserve?
Die Reserve wird in der Katastrophenhilfe und bei regionalen Sicherungs- und Unterstützungsaufgaben eingesetzt. Sie können beispielsweise auch zur Verstärkung unserer Sicherheitsbehörden herangezogen werden. Zur Sicherung der Olympischen Spiele wurden 2012 beispielsweise mehrere Tausend Reservisten einberufen. Auch bei einem terroristischen Angriff können sie kurzfristig zur Unterstützung der Polizei herangezogen werden. Sie werden dann dem jeweiligen Krisenstab unterstellt. Reservisten können aber auch an scharfen Einsätzen teilnehmen – beispielsweise im Irak oder Afghanistan. Wir haben sogar Reservisten, die in unseren Spezialkräften dienen. Was vielleicht für Sie interessant sein könnte: Wir haben eine freiwillige Reserveeinheit in Minden stationiert. Sie gehört zum 130. Pionierbataillon. Diese Reserveeinheit von etwa 50 Reservisten ist für unsere amphibischen Brücken verantwortlich. Wir hoffen, sie wird bis mindestens bis 2023 dort bleiben und als Speerspitze unserer Streitkräfte für die Assurance-Maßnahmen der Nato im Baltikum dienen können.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft in Punkto Freistellung von Reservisten?
Wir arbeiten in diesem Punkt eng mit der Wirtschaft zusammen. Die Verbindung zu den Arbeitgebern hält eine eigene Abteilung – das "Defence Relationship Management". Dort wird beispielsweise geregelt, dass die Arbeitgeber die Stellen der Arbeitnehmer für die Zeit einer Übung oder eines Dienstes freihalten. Das ist gesetzlich geregelt. Die Arbeitgeber werden auch entschädigt.

Darf die Reserve im Inneren eingesetzt werden?
In Großbritannien ist es generell soll, dass das Militär auch im Inneren bei besonderen Lagen eingesetzt werden kann. Das ist zwar nicht in der Verfassung verankert, aber es gibt einen entsprechenden Erlass. Insbesondere in Katastrophenfällen können das Militär und damit auch die Reserve die Sicherheitsbehörden des Innern unterstützen. Aber auch bei terroristischen Angriffen können Militär und Reserve unterstützen – das kann bis zu scharfen Einsätzen reichen. Aber natürlich ist das stark reglementiert, denn auch bei uns in England möchte man keine Soldaten permanent auf den Straßen.

Haben Sie auch eine Cyberreserve?
In dem Sinne wie in Deutschland nicht. Wir bauen den Bereich Cyber massiv auf. Reservisten, die dort eingesetzt werden, machen diesen Job Vollzeit – bis zu fünf Jahre. Die Cyberabwehr ist bei uns voll integriert. Ein Cyberkommando wie in Deutschland haben wir nicht, aber wir haben ein militärisches Cyberzentrum. Die Zahl von Reservisten im Cyberkommando soll bis zu 1.000 anwachsen. Wir müssen das natürlich attraktiv gestalten. Sie werden dort wahrscheinlich keine Uniform tragen und es wird sehr flexibel sein. Wir haben festgestellt, dass es viele gibt – obwohl sie in der Wirtschaft viel mehr verdienen könnten -, die einen Dienst an ihrem Land verrichten wollen. Es gibt ein zentrales Cybercenter in London, das alle UK Cyber-Stränge koordiniert. Wir wünschen uns zudem eine enge Verbindung zu den deutschen Strukturen – sei es über die Innenministerien oder die Verteidigungsministerien.

Wie steht Großbritannien nach dem Brexit zu einer EU-gemeinsamen Sicherheitspolitik?
Großbritannien verlässt zwar die EU, aber Europa verlassen wir nicht. Wir wollen die allgemeinen Verteidigungs- und Sicherheitsbeziehungen zu Europa vertiefen – da wo es geht und in beiderseitigem Interesse liegt. Wir haben die gleiche Bedrohungsanalyse gemacht und wir teilen die Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen von Europa. Auch nach dem Brexit suchen wir weiterhin eine enge Zusammenarbeit mit der EU. Wir müssen die Modalitäten mit der EU vereinbaren.


Das Interview führte Dr. Victoria Eicker

Bild oben:
Verteidigungsattaché der Britischen Botschaft
in Berlin, Brigadegeneral Rob Rider.
(Foto: Nadja Klöpping)

Video unten:
Kurzvorstellung der Reserve im Vereinigten Königreich.
(Quelle: YouTube)

 
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