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Weihnachten ohne Vater und Stille Nacht ohne Familie




Für die meisten Menschen ist Weihnachten das Fest der Liebe, des Friedens und der Famile. Doch nicht alle können es besinnlich begehen: Soldaten im Einsatz müssen auf das Fest im Kreis ihrer Lieben verzichten, womöglich mit Beschuss aus dem Hinterhalt rechnen. Die Feierlichkeiten in den Familien hingegen sind von der Angst um die Liebsten überschattet. Jedes unerwartete Klingeln an der Haustür an diesem Freitag, Samstag und Sonntag weckt bei ihnen nicht Neugierde auf den Besuch – sondern plötzliche Furcht.

Oberstabsfeldwebel der Reserve Dieter Kase war einen großen Teil seines Lebens Soldat, zuweilen ist er es noch immer – nämlich dann, wenn er eine Wehrübung macht. Gerade noch vor zwei Jahren war der heute 56-Jährige als Stabsdienstfeldwebel des Militärpfarrers in Afghanistan. An diesem Weihnachtsfest sind dort insgesamt 4.691 Männer und Frauen im Einsatz – 360 von ihnen sind Reservisten, so wie Kase. Er war von November 2008 bis März 2009 in Mäsar-i Scharif stationiert und hat dort die Gottesdienste vorbereitet, war die rechte Hand des Seelsorgers. Er bekam so hautnah mit, was die Soldaten an Weihnachten fühlten – wie viele unter der Trennung am heiligen Fest litten. Seine Frau in Mecklenburg-Vorpommern hingegen hat beim Klingeln an der Tür nicht zuerst an den Weihnachtsmann oder überraschenden Familienbesuch gedacht. Ihr erstes Gefühl war Angst. Angst, dass ein Bote mit einer schlimmen Nachricht vor der Tür stehen könnte.

Familien überspielen den Trennungsschmerz
Und besonders für Kinder ist die Abwesenheit der Väter oder Mütter schwer. "Ich kann nachfühlen, was andere Kinder empfinden, wenn die Gegenwart des Vaters bei einem wichtigen Fest fehlt", sagt der 14-jährige Florian Reinz aus Schönstedt in Thüringen. Er hat mit seinem Bruder und der Mutter sechs Monate lang auf den Vater verzichten müssen. Dieser ist Hauptfeldwebel bei der Aufklärungstruppe des Heeres. In Afghanistan hatte er gefährliche Einsätze zu bestehen. Und zum Geburtstag war der Vater nur als Stimme aus dem Telefonhörer präsent. "Das fühlt sich sehr komisch an, wenn der Vater einen nicht umarmen kann", sagt Florian. Alle hätten versucht, die Situation zu überspielen. Doch gelungen ist es nicht.

Um den Kindern Ängste zu ersparen, hat die Mutter ihnen bestimmte Einsätze des Vaters verschwiegen. "Als ich das erfahren habe, war ich sehr wütend auf sie", sagt der Jugendliche rückblickend. In dieser Zeit verschanzte er sich oft in seinem Zimmer, wollte allein sein. "Manchmal habe ich heimlich geweint", gibt er zu. Über Florian, seinen Bruder Fabian und Mutter Elfi erschien in der Wochenzeitung Die Zeit ein Artikel. Journalistin Dagmar Rosenfeld beschreibt darin die Ängste und Sorgen der drei daheim Gebliebenen. Für ihr Werk wurde Rosenfeld – wie berichtet – mit dem Journalistenpreis Goldener Igel des Reservistenverbandes ausgezeichnet. Florian war mit seiner ganzen Familie bei der Preisverleihung in Berlin dabei. "Das hat mich sehr stolz gemacht. Am Abend lag ich bestimmt noch eineinhalb Stunden wach im Bett und habe über alles nachgedacht, denn wir standen im Mittelpunkt vor so vielen Menschen", sagt der Achtklässler. Eine kleine Entschädigung nach schwerer Trennungszeit.

Fast 6.800 Soldaten sind dieses Jahr zum Weihnachtsfest nicht zu Hause
Wie den Kindern, so geht es auch den Eltern im Einsatz. Ihnen fällt der Dienst in der Fremde ausgerechnet über Weihnachten sehr schwer. Die Bundeswehr setzt am heutigen Tag insgesamt 6.794 Soldaten in den Einsatzgebieten in Afghanistan, Usbekistan, im Kosovo, in Bosnien und Herzegowina, im Sudan, vorm Libanon, am Horn von Afrika, im Kongo, im Mittelmeer und in Somalia ein. 517 sind Reservisten, die überwiegend bei der Feldpost, in der sogenannten Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (Cimic), bei der Feuerwehr oder in der Verwaltung ihren schweren Dienst verrichten – an sieben Tagen pro Woche, täglich mindestens zwölf Stunden, meist vier bis sechs Monate lang. Dieter Kase, der Reservist aus Mecklenburg-Vorpommern, kennt diese Erfahrung und hat gelernt, damit umzugehen: "Zumal meine Kinder schon eigene Familien haben. Da ist es für mich persönlich nicht ganz so schlimm, einmal nicht da zu sein. Doch bei den Jungverheirateten oder denen, die kleine Kinder zu Hause haben, ist schon Traurigkeit spürbar, nicht zu Hause sein zu können. Das merkt man im Gespräch." Und mit dem Beginn der Feiertage sind auch die Besuche der Kameraden beim Militärpfarrer immer häufiger geworden. "An Heiligabend waren knapp 200 Soldaten im Gottesdienst" – um ein Stück Normalität in der Fremde zu erleben, als Trost.

In Gedanken ständig bei den zu Hause Gebliebenen
Trost hatte auch Hauptfeldwebel Benno Schultz vor zwei Jahren in der Stillen Nacht Afghanistans nötig. Bereits vor seinem Aufbruch war das Land am Hindukusch als bedeutend gefährlicher eingestuft worden, als beispielsweise das Kosovo. Und seine Familie war in Sorge. "Selbst mein damals 10-jähriger Sohn hat mir angstvolle Fragen gestellt, was ich dort denn zu tun hätte", erinnert sich Schultz. Und für ihn selbst war es kaum leichter. "Ich bin eigentlich ein Familienmensch, der Weihnachten zu Hause im Kreis seiner Familie feiert. Fort zu sein ist eine große Umstellung. Man denkt immerzu an die zu Hause Gebliebenen – und diese an einen selbst." Er hat auch sein gewohntes Umfeld vermisst, die Ruhe, Sicherheit und Unbekümmertheit, die sonst mit den Feiertagen einhergeht – "dass eben nichts passieren kann". Das Sich-gegenseitig-Beschenken hat ihm gefehlt. "Weihnachten und Neujahr in der Fremde sind schon Extreme, wenn man sie als Familienvater erlebt", gesteht der Soldat ein. Er ist derzeit in der Ferdinand-von-Schill-Kaserne vor den Toren der Stadt Torgelow in Mecklenburg-Vorpommern stationiert, fern vom heimischen Potsdam.

Benno Schultz‘ Erstgeborener ist jetzt zwölf Jahre alt und sein Jüngster seit gerade einmal 26 Tagen auf der Welt. Der nächste Winter mit dem nächsten Einsatz in Afghanistan ist noch weit weg, doch auch jetzt schon kommen in seiner Familie gelegentlich Fragen auf. Und darunter immer wieder die gleiche: "Warum musst gerade du in den Einsatz?" Darauf kann Benno Schulz nur antworten: "Weil es mein Auftrag, mein Beruf ist." Doch es ist schwer, dies Frau und Söhnen zu erklären. Und eine Möglichkeit, nein zu sagen, gibt es nicht. "Wir sind für Ernstfälle ausgebildet worden und nun treten sie eben auch ein." Sein Wunsch zu Weihnachten? Bei seiner Frau und seinen Kindern zu sein und für diese da sein zu können. "Und aus dem nächsten Auslandseinsatz heil wieder zurückzukommen."

Zum Adventskaffee beim Bundespräsidenten
Florian Reinz hat inzwischen ein ganz besonderes Treffen hinter sich. Noch während der Preisverleihungsfeier in Berlin wurde er mit der ganzen Familie von Bundespräsident Christian Wulff ins Schloss Bellevue zum Adventskaffee eingeladen. "Das ist doch nicht normal, dass ein 14-Jähriger vom Bundespräsidenten empfangen wird!", sagt er sehr stolz. Jetzt liegt der Auslandseinsatz seines Vaters ein halbes Jahr zurück. Florian: "Ich bin froh, dass wir ihn zum Weihnachtsfest um uns haben. Mein Vater ist mein Held! Ich bin sehr stolz auf ihn!" Eine Aussage, die seine Mitschüler auf der Realschule nicht nachvollziehen können, denn niemand sonst hat einen Vater bei der Bundeswehr. Für sie alle ist Weihnachten ein Fest der Liebe, des Friedens und der ganzen Familie.


Eva Jakubowski / Detlef Struckhof

Bild 1: Weihnachtsgottesdienst im deutschen
Feldlager im nordafghanischen Kundus
(Foto: Bundeswehr Kundus, flickr.com)

Bild 2: Oberstabsfeldwebel der Reserve
Dieter Kase (Foto: Eva Jakubowski)

Bild 3: Hauptfeldwebel Benno Schultz zeigt
auf der Karte, wo er stationiert ist
(Foto: Eva Jakubowski)

Bild 4: Bei Bundespräsident Christian Wulff
(von links) zum Adventskaffee:
Florian, Fabian, Elfi und Matthias Reinz
(Foto: privat)

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