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Diplomaten in Uniform

Streitkräfte werden nicht nur zum Kampf eingesetzt. Manchmal sind Soldaten auch in diplomatischer Mission unterwegs. So geschah es im vergangenen Jahr mit der Entsendung zweier Kriegsschiffe in den Indopazifik. Solcherart Verteidigungsdiplomatie hat jedoch ihre Grenzen. Und manch einer fragt sich: Hat die Bundeswehr nichts Wichtigeres zu tun?

Im Mai 2024 brachen die Fregatte „Baden-Württemberg“ und der Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ zum verteidigungspolitischen Indo-Pacific Depolyment auf.

Wilhelmshaven im Mai 2024. Verteidigungsminister Boris Pistorius verabschiedet zwei Kriegsschiffe, die in den Indopazifik aufbrechen: „Wir wollen unsere regionalen Partnerschaften stärken und unsere Position als verlässlicher, präsenter Akteur in der Region festigen“, sagt der Minister. „Wir wollen zur Einhaltung des Seevölkerrechtes beitragen und unsere Beziehung zu unseren Partnern dort in der Region erweitern.“

Damit war der Auftrag für die Fregatte „Baden-Württemberg“ und das Versorgungsschiff „Frankfurt am Main“ umrissen. Sieben Monate lang würden sie unterwegs sein, flankiert von Übungen der Luftwaffe. Auf ihrer Fahrt machten die beiden Kriegsschiffe in mehreren Häfen fest und nahmen an internationalen Marinemanövern teil. Im Dezember war die Mission beendet. Damit erfülle sie ein Ziel der verteidigungspolitischen Richtlinien, die das BMVg zuvor neu aufgelegt hatte. Die regelbasierte internationale Ordnung solle gestärkt werden durch „weltweite verteidigungspolitische Zusammenarbeit mit bewährten Partnern, insbesondere im Indopazifik“.

Das nennt man Verteidigungsdiplomatie. Es ist der gewaltfreie Einsatz militärischer Kräfte zur Förderung nationaler Interessen. Dazu zählen außer Besuchen von Marineschiffen auch Übungen mit ausländischen Truppen, gegenseitige militärische Ausbildung sowie Rüstungskontrolle und Export. In verschiedenen Formen existiert sie schon seit Jahrhunderten. Der Begriff Verteidigungsdiplomatie wurde allerdings erst in den 1990er-Jahren durch die britische Regierung geprägt. Ziel damals: Vertrauen aufbauen und Streitkräfte demokratischer Regierungen unterstützen.

Abschreckung durch humanitäre Hilfe

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zielten die Briten damit vor allem auf die ehemaligen Sowjetrepubliken. Auch bei humanitärer Hilfe können Staaten ihr Militär in verteidigungsdiplomatischer Mission einsetzen, erklärte Greg Kennedy, Professor für strategische Außenpolitik am King’s College in London. Er warnt jedoch davor, ausschließlich altruistische Motive zu unterstellen: „Zu den Aufgaben des Militärs gehört Abschreckung. Das kann man auf martialische Weise tun oder mit humanitärer Hilfe“, sagt Kennedy.

Verteidigungsminister Boris Pistorius spricht in Wilhelmshaven bei der Verabsciedung zum Indo-Pacific Deployment. (Foto: picture alliance / Noah Wedel)

Erfolgreiche Verteidigungsdiplomatie zeichne sich dadurch aus, dass militärische Operationen im Einklang mit den außenpolitischen Zielen ziviler Diplomatie stehen. Wie man es nicht machen sollte, erklärt Kennedy an einem Negativbeispiel von 2019 aus Großbritannien: „Damals war eine britische Handelsdelegation in China, um bessere Handelsbeziehungen zu erreichen. Und genau zur selben Zeit gibt die Regierung bekannt, dass die Royal Navy einen brandneuen Flugzeugträger ins Südchinesische Meer schickt, um ihre Macht in Chinas Hinterhof zu demonstrieren ‒ zwei komplett gegensätzliche Botschaften, enorm schlecht abgesprochen.“

Wenn die Kohärenz ziviler und militärischer Diplomatie also ein Erfolgskriterium ist ‒ wie erfolgreich war dann die Indopazifik-Fahrt der Marine im vergangenen Jahr? Nachfrage bei Helena Legarda, Analystin des Mercator Institutes für China-Studien in Berlin: „Es war ein sehr positiver Schritt, vor allem im Hinblick auf die Umsetzung der deutschen Indopazifik- und China-Strategie. Es war auch ein guter Schritt, um einige der erklärten Ziele der deutschen Regierung zu verfolgen – etwa die Verbindung mit Partnern in einer Region, die für Deutschlands Interessen sehr wichtig ist.“

Aggressives China

Gemeint ist damit das deutsche Interesse an freien Handelswegen, insbesondere die Freiheit der Schifffahrt in internationalen Gewässern. Bis zu 50 Prozent des Welthandels verlaufe durch die indopazifische Region, sagt die Analystin. Jede Störung habe Auswirkungen, nicht nur auf die deutsche Wirtschaft. Berlin schaut deswegen mit Sorge auf ein zunehmend aggressiv auftretendes China, das mit Luftraumverletzungen und Nötigung ausländischer Fischer versucht, seinen Machtbereich auszudehnen. Monatelang war deswegen unklar, ob die beiden deutschen Kriegsschiffe durch die von Peking be­anspruchte Meerenge zwischen der Volksrepublik und Taiwan, die Taiwanstraße, fahren sollten und damit eine Verstimmung Chinas riskieren würden. Mitte September verkündete Verteidigungsminister Pistorius dann betont gelassen: „Internationale Gewässer sind internationale Gewässer. Es ist der kürzeste Weg. Es ist angesichts der Wetterlage der sicherste Weg und es sind internationale Gewässer. Also fahren wir durch.“

Machtdemonstration der Volksrepublik China mit einem Boot ihrer Küstenwache im Südchinesischen Meer. Peking bedroht die Freiheit der Schifffahrt in dem Seegebiet. (Foto: picture alliance / Anadolu)

Chinesische Vergeltungsmaßnahmen hat es nicht gegeben. Johannes Peters, Experte für Maritime Strategie und Sicherheit am Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, ist froh, dass sich der deutsche Schlingerkurs der ersten Indopazifikfahrt der Marine zwischen 2021/2022 nicht wiederholt hat. Damals stach die Fregatte „Bayern“ in See, die nach dem Wunsch der Bundesregierung auch in einem chinesischen Hafen Zwischenstopp machen sollte. Peking wollte jedoch Einfluss auf die Reiseroute nehmen, was damit endete, dass die „Bayern“ weder in China festmachen, noch die Taiwanstraße durchfahren durfte. Es war eine Blamage auf ganzer Linie. Peters: „Man hat beim ersten Indo-Pacific-Deployment das Ganze im wahrsten Sinne des Wortes umschifft und ist außen um Taiwan herumgefahren. Dafür hat es zu Recht Kritik gegeben. Man darf nicht vergessen: Je mehr man auf chinesische Vorstellungen eingeht, desto mehr legitimiert man diese chinesischen Forderungen.“ Je mehr Nationen jedoch die Taiwanstraße durchführen, umso schwieriger sei es für China, sein Narrativ aufrechtzuerhalten. Deswegen sei die die Präsenz von zwei deutschen Schiffen nicht zu unterschätzen, sagt Peters. „Was wir sehen, ist, dass Anrainer dort – Vietnam, Korea, die Philippinen, Singapur – das Vorgehen sehr positiv bewerten.“

Auch die Marine wertete ihre jüngste Indopazifik-Reise als Erfolg, wie eine Sprecherin auf Anfrage sagte: „Die deutsche Marine demonstriert mit dem Indo-Pacific-Deployment, dass sie für Deutschland ein verlässliches, weltweit einsetzbares und flexibles Instrument der Politik ist.“ Als Erfolg darf wohl auch gewertet werden, dass es keinen Eklat gab wie bei der Fahrt zuvor. Als die Fregatte „Bayern“ 2022 in Indien anlegte, kam der damalige Marineinspekteur Kay-Achim Schönbach zu Besuch. In einer Gesprächsrunde bei einem indischen Thinktank sagte Schönbach einen Monat vor Russlands Einmarsch in die Ukraine: „Meine Minister haben mich gefragt, was Russland wirklich will. Ist Russland wirklich daran interessiert, einen winzigen Streifen ukrainischen Bodens einzuverleiben? Nein, das ist Unsinn. Ich glaube, Putin übt wahrscheinlich Druck auf sie aus. Selbst wir, Indien und Deutschland, brauchen Russland gegen China. Ich bin ein radikaler römisch‒ katholischer Christ, ich glaube an Gott und an das Christentum – und Russland ist ein christliches Land.“ Es folgte ein Sturm der Entrüstung. Der damalige ukrainische Botschafter in Deutschland, Andriji Melnyk, bezeichnete Schönbachs Statement als „deutsche Arroganz und Größenwahn“. Schönbach musste seinen Posten räumen.

Interkulturelle Kompetenz

Der Fall zeigt, wie sehr bei verteidigungsdiplomatischen Missionen Fingerspitzengefühl gefragt ist. Notwendig ist auch interkulturelle Kompetenz. Federführend in der Ausbildungsplanung ist das Zentrum Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz. Interkulturelle Kompetenz ist zum einen Thema der dreimonatigen Grundausbildung aller Soldaten, zum anderen wird es auch anlassbezogen gelehrt. Offiziere sollen interkulturelle Kompetenz außerdem den ihnen anvertrauten Soldaten vermitteln.

Im Gespräch mit einsatzerfahrenen Offizieren ergibt sich dazu ein gemischtes Bild. Einer, der seinen Namen nicht in loyal lesen will, sagt: „Für meinen Afghanistaneinsatz bin ich für die Perspektiven aus verschiedenen Kulturen sensibilisiert worden. Interkulturelle Kompetenz war auch immer wieder Thema in unserer verpflichtenden politischen Bildung. Das hängt allerdings stark vom jeweiligen Vorgesetzten ab.“ Ein anderer einsatzerfahrener Offizier berichtet: „Klar, da ist die allgemeine Ansprache im Sinne von: ,Es gibt verschiedene Kulturen. Bevor ihr in den Einsatz geht, bereitet euch vor.‘ Bei meinem letzten Einsatz wurde mir dann ein Satz mit 300 Power-Point-Folien zur Verfügung gestellt. Das hat mich allerdings nicht wirklich weitergebracht. Ich hab die Situation erst verstanden, als ich im Einsatzland war und dort mit einem Offizier gesprochen habe, der seine Erfahrungen weitergegeben hat. Das musste ich mir aber auf eigene Faust organisieren.“

Teilnehmer des internationalen Generalstabslehrgangs der Führungsakademie in Hamburg – Gelegenheit, dauerhafte Kontakte zu knüpfen. (Foto: Bundeswehr / Michael Gundelach)

Weiterer Baustein der deutschen Verteidigungsdiplomatie ist der internationale Generalstabslehrgang. Dieser existiert seit 1962 und findet an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg statt. An dem einjährigen Lehrgang nehmen bis zu 60 Offiziere aus aller Welt teil, hinzu kommen 20 Bundeswehroffiziere. Unterrichtssprache ist Deutsch. Die ausländischen Teilnehmer erhalten vorher einen einjährigen Sprachkurs. „Der Lehrgang soll dazu beitragen, dass diese Teilnehmer Deutschland verstehen lernen. Wenn sie nachher in ihre Heimatländer zurückkehren, sollen sie die militärische und politische Führung mit diesem Hintergrundwissen beraten können“, berichtet Oberst a.D. Frank Wasgindt, der den Lehrgang bis Oktober vergangenen Jahres geleitet hat. Welche Nationen eingeladen werden und welche nicht, entscheide das Auswärtige Amt zusammen mit dem Verteidigungsministerium nach der aktuellen politischen Großwetterlage, so Wasgindt. Bevorzugt war lange Zeit Westafrika, wo die Bundeswehr in Mali engagiert war und die Bundesrepublik auf den seinerzeit demokratisch gewählten Präsidenten in Niger setzte.

Wasgindt hebt die persönlichen Kontakte zwischen Offizieren hervor, die im internationalen Generalstabslehrgang entstünden und die über Jahrzehnte Bestand haben können. Das habe zur Folge, dass bei informellen Telefongesprächen auch Informationen auf dem kurzen Dienstweg zu bekommen seien. Doch mit der Weltpolitik ändert sich auch die Einladungsliste. Von diesem Jahr an werden laut Wasgindt Mali, Niger, Burkina Faso und Guinea keine Einladungen mehr erhalten. Das darf als Protest gegen die dortigen Machtübernahmen des Militärs verstanden werden.

Einmalige Mission wenig glaubwürdig

Und wie sieht die Zukunft maritimer verteidigungspolitischer Missionen aus, etwa Fahrten in den Indopazifik? Helena Legarda vom Mercator Institut sagt: „Eine einmalige Mission dieser Art wird absolut nichts zu Deutschlands Glaubwürdigkeit und Einfluss in der Region beitragen. Sie wird wenig zur Verbesserung der Interoperabilität beitragen und zum Aufbau logistischer Kapazitäten. Solche Missionen müssen regelmäßig durchgeführt werden, damit sie die gewünschte Wirkung entfalten können.“

Zwei Eurofighter der Luftwaffe und die Fregatte „Baden-Württemberg“ 2024 im Pazifik vor Hawaii. (Foto: Bundeswehr / Francis Hildemann)

Doch Indopazifik-Missionen sind ein Kraftakt für die deutsche Marine, die mit einem massiven Personalproblem zu kämpfen hat. Gleichzeitig steigen die Anforderungen zur Bündnisverteidigung in Ostsee und Mittelmeer. Greg Kennedy vom King’s College in London warnt die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik davor, sich zu überheben: „Verteidigungsdiplomatie sollte angesichts der anderen Dinge, mit denen Deutschland gerade beschäftigt ist, ziemlich weit unten auf der Prioritätenliste stehen.

„Außenpolitische Beziehungen neu kalibrieren“

Es gibt eine ganze Reihe von Voraussetzungen für erfolgreiche Verteidigungsdiplomatie, nämlich militärische Glaubwürdigkeit, Kompetenz und erarbeitete Autorität. Das müssen Sie also zuerst tun.“ Eine dringliche Aufgabe, die der Politikexperte der Bundesregierung ins Aufgabenheft schreibt, ist: „Deutschland muss definitiv seine außenpolitischen Beziehungen neu kalibrieren. Bisher hatte es mit einer außenpolitischen Elite zu tun, die im Wesentlichen auf wirtschaftlicher Macht aus war. Jetzt muss Deutschland sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass militärische Macht wieder Teil der internationalen Gespräche ist. Deutschland spricht diese Sprache nicht. Wenn man keine Diplomaten hat, die sich mit den militärischen Elementen eines Staates auskennen, wozu sollen die dann heutzutage überhaupt gut sein?“

In der Theorie stimmt dem auch Verteidigungsminister Pistorius, zu. Etwa bei seiner Rede in Wilhelmshaven im Mai vergangenen Jahres, als er sagte: „Wegschauen, im Indopazifik keine Präsenz zeigen und nicht für die regelbasierte Ordnung einzutreten, das ist und wird keine Option für Deutschland sein.“ Die Bundeswehr duckt sich nicht weg, auch wenn es anstrengend ist: Das sollte die verteidigungsdiplomatische Nachricht sein für die Welt. Ende Oktober ordnete Pistorius jedoch an, dass die beiden Kriegsschiffe auf ihrer Heimreise nicht den direkten Weg durchs Rote Meer nehmen dürfen. Sie mussten stattdessen um ganz Afrika herum nach Hause fahren, um Angriffen der jemenitischen Huthis auszuweichen. Die Bedrohungslage sei sehr hoch, hieß es damals aus dem Verteidigungsministerium. Und die beiden Kriegsschiffe seien nicht für Luftverteidigungsoperationen konzipiert.

Auch wenn die Bundesregierung ihre Gründe für die Umfahrung des Roten Meeres hatte – in Marine-Blogs und internationalen Medien wurde die Entscheidung des NATO-Mitglieds Deutschland scharf kritisiert. „Wenn die Huthis, die über keine Marine verfügen, ein NATO-Kriegsschiff an der Durchquerung des Roten Meeres hindern können, was sagt das dann über die maritime Überlebensfähigkeit der NATO in einem Seekrieg gegen den Iran, Russland, China oder alle drei aus?“, kommentierte ein Marine-Blogger. Ein anderer schrieb: „Rotes Meer jetzt so gefährlich, dass selbst NATO-Kriegsschiffe es meiden!“ Von der erfolgreichen und symbolstarken Durchfahrt der Taiwanstraße sprach da schon keiner mehr.


Die Autorin

Julia Weigelt ist Fachjournalistin für Sicherheitspolitik in Hamburg.

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