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Volles Rohr

Die Auftragsbücher vieler deutscher Rüstungsfirmen sind schon jetzt voll. Vor allem Munition, Flugabwehr und gepanzerte Fahrzeuge werden massiv nach­gefragt. Nach Aussetzen der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben ist eine weitere Auftragsflut zu erwarten. Können die deutschen Rüstungsbetriebe das bewältigen? Ein Besuch beim größten Rüstungshersteller Deutschlands, bei Rheinmetall in Unterlüß.

Blick in die Rohrfertigung bei Rheinmetall. Hier in Unterlüß baut das Unternehmen die Rohre der Panzerhaubitze 2000 und des Kampfpanzers Leopard 2.

Foto: Stephan Pramme

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Bagger graben ihre Schaufeln tief ins dunkle Erdreich, Lastwagen transportieren Baumaterial an. Die Zeitenwende in der deutschen Rüstungsindustrie zeigt sich in Unterlüß. Hier in Niedersachsen, am Rand des Werksgeländes von Rheinmetall, wird eine neue, riesige Produktionshalle gebaut. Noch vor ein paar Monaten befand sich hier eine Kleingartenanlage, jetzt erhebt sich Schritt für Schritt eine der größten Munitionsfabriken in Europa. Ist sie erst einmal fertig, werden jährlich 200.000 Artilleriegranaten zusammengesetzt, befüllt, geröntgt, lackiert und verpackt. Und weil diese Artilleriegranaten vom Kaliber 155 Millimeter im Moment in der Ukraine händeringend gebraucht werden und sie auch in den Bundeswehrbeständen fehlen, ist der Bau dieser Fabrik ein Politikum. Kann die deutsche Rüstungsindustrie Zeitenwende? Diese Frage wird auch in Unterlüß beantwortet.

Die beruhigende Antwort ist: Ja, sie kann. Wenn das von ganz oben gewollt ist – und die Aufträge reinkommen. Zum Spatenstich für die neue Munitionsfabrik reiste im Februar 2024 Bundeskanzler Olaf Scholz an. Die Bundeswehr beauftragte im vergangenen Sommer 155-Millimeter-Artilleriemunition im Wert von 8,5 Milliarden Euro bei Rheinmetall – das ist der größte Auftrag in der Geschichte des Unternehmens. Das viele Geld und der langfristige Rahmenvertrag zeigten ihre Wirkung in Unterlüß: Nur etwas mehr als ein Jahr hat es seit dem Spatenstich gedauert, bis hier erste Granaten gefertigt werden. Klar, bis die geplante Kapazität von 200.000 Granaten erreicht ist, wird es noch etwas dauern. Aber ein Jahr vom Spatenstich bis zur Aufnahme der Produktion – das ist doch schon was.

Damit nicht genug: Unkten vor einem Jahr noch viele, dass es nicht möglich sein werde, den Bedarf an Artilleriemunition schnell zu decken, ist das nun widerlegt. Die deutsche Rüstungsindustrie kann auch schnell. Für Ende nächsten Jahres plant Rheinmetall 15-mal mehr Artilleriegranaten zu produzieren als im Jahr 2022. Damals stellte das Unternehmen weltweit 70.000 Granaten vom Kaliber 155 Millimeter her, Ende nächsten Jahres sollen es nach Rheinmetalls Planung 1,1 Millionen sein.

„Da geht noch was“

Eine Munitionsfabrik bauen in einem Jahr? In einem Land, das nicht für sein Tempo bei Bauprojekten bekannt ist? Wie kann das sein? Ein Sprecher des Unternehmens erklärt: Die Kommune, der Landkreis, das Land – alle Behörden haben dazu beigetragen, dass das Genehmigungsverfahren in Rekordzeit durchgezogen werden konnte. Die Unterstützung von allen Seiten war groß. Es gab auch keine nennenswerten Probleme wegen des Abbruchs der Kleingartenanlage – das Areal gehört Rheinmetall und war nur an die Gemeinde verpachtet, die es den Kleingärtnern zur Nutzung überlassen hatte. Auch die Baufirmen standen bereit, um den Megaauftrag zu realisieren. „Welche Baufirma würde so einen Auftrag ablehnen?“, fragt der Pressesprecher. Es ist eine rhetorische Frage. Offenbar keine, zu lukrativ der Auftrag.

Weltweit heiß begehrt: In Unterlüß wird Artilleriemunition vom Kaliber 155 Millimeter hergestellt – bald auch in der neuen Munitionsproduktionshalle, die gerade gebaut wird. (Foto: picture alliance / Ulrich Baumgarten)

Was ist aber, wenn die neue Bundesregierung bald Bestellungen in ganz neuen Größenordnungen abgibt? Was macht Rheinmetall dann? Der Mitarbeiter lächelt wieder und nickt. „Da geht noch was!“, sagt er. Konkreter wird er nicht. Nur so viel: „Wir brauchen verbindliche Aufträge, sodass wir für die nächsten Jahre planen und Kapazitäten aufbauen können“, sagt er. Genügend Platz wäre am Werkstandort in Unterlüß da. Doch klar ist auch: Ein neues Werk zu bauen ist teuer. Das neue Werk für Artilleriegranaten hat 300 Millionen Euro gekostet. Deshalb: erst verbindliche Aufträge, dann der Kapazitätsaufbau.

Verbindliche Aufträge, die die Produktion über mehrere Jahre, am besten Jahrzehnte, auslasten, das wünscht sich nicht nur Rheinmetall. Auch den anderen deutschen Rüstungsbetrieben ist daran gelegen. Denn Verbindlichkeit und Planbarkeit – daran hat es zuletzt gehapert. Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) berichtet von einem Auf und Ab der Gefühle bei den deutschen Rüstungsherstellern in den vergangenen drei Jahren. Zuerst die Ankündigung der Zeitenwende und das 100-Milliarden-Sondervermögen im Jahr 2022. Das nahm die deutsche Rüstungsindustrie positiv auf. Mit dem Sondervermögen floss viel Geld in die Kassen deutscher Rüstungshersteller. Zum Beispiel über zwei Milliarden Euro für den Kauf von 22 Panzerhaubitzen 2000 und der dazugehörigen Artilleriemunition. Oder 1,1 Milliarden für 50 Puma-Schützenpanzer. Um nur einige der vielen Posten zu nennen.

Erwartungsvolle Stimmung

Doch das Sondervermögen drohte zum Strohfeuer zu werden. Obwohl sich Verteidigungsminister Boris Pistorius mehrfach mit Nachdruck für eine massive Erhöhung des Einzelplans 14 einsetzte: Der „konventionelle“ Verteidigungshaushalt blieb in den vergangenen zwei Jahren wie festgefroren auf knapp über 50 Milliarden Euro. Dabei war fast allen in Berlin mittlerweile klar: Die Bundeswehr braucht noch viel mehr Geld für Gerät, um verteidigungsfähig zu werden. Die deutschen Rüstungsunternehmen blieben deshalb skeptisch, ob der Aufschwung in ihren Auftragsbüchern wirklich nachhaltig sein würde.

Das war bis März 2025. Dass sich SPD und Union, die vermutlich nächsten Partner in der Bundesregierung, auf ein Aussetzen der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben geeinigt haben, kam bei der deutschen Rüstungsindustrie verständlicherweise gut an. Erwartungsvoll, nennt Hans Christoph Atzpodien die Stimmung in der deutschen Rüstungsindustrie im Moment. Jetzt müssten schnell konkrete Aufträge folgen. Denn für ihn hängt es an der Politik und nicht an der Industrie, ob bald viel Gerät für eine verteidigungsfähige Bundeswehr geliefert wird. „Unsere Industrie in Deutschland ist gut aufgestellt. Sie kann die erforderlichen Kapazitäten zeitnah aufbauen“, ist er sich sicher. Die Kompetenz, das technische Know-how und der Wille sei bei den Unternehmen da. Doch bisher ist lediglich eins klar: dass in Zukunft quasi unbegrenzt Geld für Rüstung da sein wird. Doch wie viel genau? Und wo genau es hinfließen wird? Niemand weiß es bisher.

Zufriedener Mitarbeiter: Rudolf K. arbeitet seit zwei Jahren bei Rheinmetall in Unter­lüß. Er ist in der Munitionsproduktion für den Gepard-Flakpanzer eingesetzt und verpackt die Granaten in Metallbehälter. (Foto: Stephan Pramme)

Doch gibt es überhaupt genügend Fachkräfte für einen noch größeren Boom in der Rüstungsindustrie? Zurück nach Unterlüß. Vor einer Werkshalle packt Rudolf K. (Name aus Sicherheitsgründen abgekürzt) Metallkassetten gefüllt mit Munition auf einen Rollwagen. In jeder Metallkassette befinden sich acht Patronen für den Flugabwehrpanzer Gepard. Die Munition ist für die Ukraine bestimmt, wo der Gepard im Moment anfliegende russische Drohnen verlässlich abschießt. Rudolf K. ist noch nicht lange bei Rheinmetall. Vor zwei Jahren hat er noch beim Kartoffelchipshersteller Lorenz gearbeitet. Der ist, wie Rheinmetall auch, einer der wenigen größeren Arbeitgeber in der Region Südheide. Im Jahr 2023 hat K. dann zunächst über eine Zeitarbeitsfirma bei Rheinmetall angefangen, nur wenige Monate später wurde er fest von Rheinmetall übernommen. Für ihn ist das ein Glück. Er zählt fast begeistert auf, was die Arbeit bei Rheinmetall für ihn so attraktiv macht: Da sei die überdurchschnittlich gute Bezahlung. Die Jobsicherheit. Außerdem der kurze Anfahrtsweg: K. wohnt mit Frau und zwei kleinen Kindern in Unterlüß. Und: Er freue sich, mit seiner Arbeit etwas Sinnvolles zu tun. Zur Sicherheit Deutschlands und der Ukraine beitragen zu können.

200.000 Bewerbungen im vergangenen Jahr

Rudolf K. ist nicht der einzige neue Mitarbeiter in Unterlüß. Schon in den vergangenen Jahren kamen immer mehr hinzu. Darunter viele Quereinsteiger. Etwa eine gelernte Kosmetikerin, die in der Corona-Zeit zu Rheinmetall wechselte und jetzt in der Lackiererei arbeitet. Allein für das neue Artilleriemunitionswerk stellt Rheinmetall 500 neue Leute ein. Da trifft es sich gut, dass andere Branchen gerade kriseln. Bereits vergangenes Jahr hatte Rheinmetall angekündigt, bis zu 100 Mitarbeiter vom benachbarten Continental-Standort Gifhorn einzustellen. Der Autozulieferer Continental steckt im Moment in einer Krise.

Rheinmetall hat bisher keine Probleme, geeignete Mitarbeiter zu finden. Im vergangenen Jahr bewarben sich 200.000 Menschen im deutschsprachigen Raum bei dem Unternehmen. Bei manchen, sehr speziellen Positionen, etwa im IT-Bereich, dauere es manchmal etwas länger, bis der passende Kandidat oder die passende Kandidatin gefunden sei, so ein Pressesprecher. Aber eine generelle Herausforderung sieht er nicht. Hatte die Rüstungsindustrie bei vielen Arbeitnehmern vor zehn Jahren noch einen schlechten Ruf, gilt das heute nicht mehr. „Viele sind stolz, mit ihrer Arbeit die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu stärken und den Menschen in der Ukraine zu helfen“, sagt der Sprecher.

Wiederbelebte Munitionsproduktion: Rheinmetall stellt in Unterlüß auch Munition für den Flakpanzer Gepard her, der in der Ukraine wertvolle Dienste leistet. Eigentlich war die Produktionslinie für den bei der Bundeswehr bereits ausgemusterten Flakpanzer bereits eingestellt. (Foto: Stephan Pramme)

Ein Vorteil für die aufstrebende Rüstungsindustrie ist die schwächelnde Autoindustrie. Vor ein paar Jahren galt bei Deutschlands größtem Rüstungsunternehmen Rheinmetall noch die Formel 50:50. Etwa die Hälfte des Umsatzes machte das Unternehmen mit zivilen Produkten, vor allem Komponenten für die Automobilbranche. Die andere Hälfte mit Rüstungsgütern. Das hat sich massiv verschoben. Mittlerweile lautet die Formel 80:20. 80 Prozent des Umsatzes macht Rheinmetall mit Rüstung, nur noch 20 Prozent mit seinem zivilen Geschäft, Tendenz fallend. Das Unternehmen plant mittlerweile, seine zivilen Standorte in Berlin und Neuss für militärische Produkte umzuwidmen.

Rüstung profitiert, weil andere schwächeln

Dieser wirtschaftliche Strukturwandel zeigt sich nicht nur bei Rheinmetall: sondern zum Beispiel auch am bisherigen Alstom-Werk in Görlitz. Bis vor Kurzem wurden dort Zugwaggons gefertigt. Im Januar übernahm der Panzerproduzent KNDS das Werk. In Zukunft sollen dort Teile für gepanzerte Fahrzeuge gebaut werden. Von den derzeit 700 Jobs werden circa 580 erhalten bleiben. Olaf Scholz nannte es beim Besuch des Werks eine „sehr gute Nachricht, dass Industrieplätze erhalten bleiben“. KNDS plant in Görlitz die Produktion verschiedener Baugruppen für den Kampfpanzer Leopard 2 und den Schützenpanzer Puma. Und es gibt weitere Beispiele: Auch der Radarhersteller und Rüstungskonzern Hensoldt plant Mitarbeiter zu übernehmen, die bei geplanten Werksschließungen des Autozulieferers Continental ihren Job verlieren könnten, etwa in Wetzlar. Verbandsvertreter Hans Christoph Atzpodien erzählt, dass er mittlerweile von vielen Unternehmen aus der Automobilindustrie angesprochen wird, ob die Rüstungsindustrie nicht ihre Produkte brauchen könne.

Der BDSV hat bereits den Slogan „Autos zu Rüstung!“ ausgegeben. So einfach wird das allerdings nicht klappen. Zu groß sind die Größenunterschiede der Branchen. Die Autobranche kommt mit Zulieferern auf knapp eine Million Beschäftigte. In der Rüstungsindustrie sind es – mit Zulieferbetrieben – geschätzt 200.000 Mitarbeiter.

Panzer statt Autos? Die Werkshallen in Unterlüß müssen große Gewichte tragen können und sind besonders solide gebaut. Das ist ein Grund, weshalb Produktionshallen für Autos nicht einfach umgewidmet werden können. (Foto: Stephan Pramme)

Aus Auto-Werkshallen Panzer-Werkshallen machen? Auch das wird nicht überall funktionieren. Das zeigt sich wiederum in Unterlüß. In den Hallen, in denen die Mitarbeiter an Puma, Lynx und Leopard schrauben, ziehen sich massive Krananlagen die Wände und die Decke entlang. Um mit den tonnenschweren Materialien zu arbeiten, braucht es diese enormen Krananlagen. Der Boden und die Konstruktion der Werkshalle müssen dementsprechend tragfähig sein. Die meisten Werkshallen in der Automobilindustrie entsprechen diesen Anforderungen nicht.

Bürokratische Hemmnisse

Einfacher wird es vermutlich in puncto Mitarbeiter. Viele, die derzeit in der Produktion von Autos oder Autoteilen tätig seien, könnten relativ schnell umgeschult werden, meint Hans Christoph Atzpodien. Schwieriger wird es im sogenannten „Engineering-Bereich“. Also bei den Ingenieuren, die Einblick in sensible Daten und Funktionsweisen der Rüstungsgüter haben. Für solche Positionen braucht es sogenannte Sicherheitsermächtigungen. Diese müssen beim Wirtschaftsministerium beantragt werden, dann werden sie durch Landesverfassungsschutzämter bearbeitet. Ein langwieriges Verfahren. Der BDSV schreibt, dass es heute von der Beantragung bis zur Erteilung der Genehmigung etliche Monate, manchmal sogar ein Jahr und mehr dauern könne. Ein schneller Jobwechsel ist so natürlich nicht möglich.

Die Sicherheitsermächtigungen müssen schneller bearbeitet werden, das fordert Hans Christoph Atzpodien deshalb. Außerdem müssen noch einige andere bürokratische Hemmnisse bei Genehmigungen wegfallen, damit schnelles Bauen möglich ist. Atzpodien nennt als Beispiel die Umweltverträglichkeitsprüfungen, die Bauprojekte bisher oft ausbremsen. Beim Bau der LNG-Terminals an den deutschen Küsten wurden die Umweltverträglichkeitsprüfungen verkürzt und Widerspruchsrechte eingegrenzt. „Ähnlich sollten wir nun im Rüstungsbereich handeln“, fordert Atzpodien.

Vom Waggonbauer zum Panzerbauer – so läuft es für viele Mitarbeiter des bisherigen Alstom-Werks in Görlitz. Bisher wurden in den Werkshallen des Zugwaggonherstellers Alstom Züge gefertigt, nun wurde das Werk vom Panzerhersteller KNDS übernommen. Hier sollen in Zukunft Teile des Kampfpanzers Leopard 2 und des Schützenpanzers Puma gefertigt werden. Die Mehrheit der bisherigen Belegschaft wird dazu übernommen. (Foto: picture alliance / dpa)

Manche Kommunen versuchten in der Vergangenheit, den Bau von neuen Rüstungswerken sogar vollständig auszubremsen. Beispiel Troisdorf. Dort wollte eine Diehl-Unternehmenstochter ihre Munitionsproduktion ausbauen und eine neue Produktionshalle bauen. Doch die Stadt sperrte sich dagegen. Der Stadtrat sprach sich dafür aus, das städtische Vorverkaufsrecht zu nutzen, um auf dem Gelände der geplanten Munitionsfabrik Wohneinheiten und ein Gewerbegebiet zu bauen. Nachdem sich führende Bundespolitiker wie Verteidigungsminister Boris Pistorius für den Bau der Munitionsfabrik ausgesprochen hatten, gab es schließlich vergangenen November eine Einigung in Troisdorf. Diehl Defense kann seine Munitionsproduktion doch erweitern.

Kann der Boom nun kommen?

Doch Troisdorf ist ein Einzelfall, sagt Atzpodien. Meistens begrüßten die beteiligten Kommunen es, wenn Rüstungsunternehmen ihre Kapazitäten erweiterten. Denn klar ist: Die Unternehmen, die sich oft in ländlichen Regionen befinden, sind dort seit Jahrzehnten die größten Arbeitgeber und Steuerzahler. Reibungslos lief der Kapazitätsaufbau zum Beispiel auch im oberbayerischen Schrobenhausen. Dort baut der Lenkwaffenhersteller MBDA gerade eine neue Produktionslinie für die Lenkflugkörper des US-Flugabwehrsystems Patriot. Zum Spatenstich waren im November vergangenen Jahres Verteidigungsminister Boris Pistorius, Ministerpräsident Markus Söder und Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz angereist. Auch die Flugkörper vom Typ Brimstone und das leichte, schultergestützte Lenkflugkörpersystem Enforcer kommen von hier – und sind im Moment sehr gefragt.

In Unterlüß wird der Schützenpanzer Puma nachgerüstet. Nur Deutschland hat diesen Schützenpanzer bestellt, Partnerländer setzen auf den Lynx – ein Beispiel für die Flickenteppichrüstung in Europa. (Foto: Stephan Pramme)

Der Megaboom kann also kommen? Jein. Denn angesichts der zu erwartenden Aufträge bitten die Rüstungsunternehmen in Deutschland um eines. Die verschiedenen Bestellländer sollen sich absprechen, gemeinsam Bestellungen tätigen. „Gut wäre es, wenn die Kunden in Europa ihre Bedarfe bestmöglich harmonisieren und ‚poolen‘ könnten“, schreibt der BDSV, die Vertretung der Rüstungsunternehmen. Wie es bisher lief in puncto Bestellungen, soll es nicht mehr laufen. Bisher war es so: Jedes Land bestellte für sich selbst und die eigenen Streitkräfte – und wollte oft noch eine spezielle Variante eines Produkts. Die Folge für die Rüstungsbetriebe: kleine, unterschiedliche Bestellmengen. Das ist Gift für eine schnelle, effektive Rüstungsproduktion. Die Gretchenfrage wird deshalb in den nächsten Monaten sein: Werden sich die verschiedenen bestellfreudigen Länder zusammenraufen können? Und gemeinsam dieselben Produkte bestellen? Das wäre dann aber wirklich eine Revolution in Sachen Verteidigung.

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